Rn 29
Mit den fünf – vom Darlehensgeber zu beweisenden – Vollausnahmen (II 2 Nr 1–5) wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Verbraucher in diesen Fällen weniger schutzwürdig ist u die Anwendung der §§ 491 ff deshalb nicht sachgerecht erscheint. Bei den Verträgen handelt es sich aber weiterhin um Verbraucherverträge iSd § 310 III, so dass §§ 312 ff u 355 ff anwendbar bleiben (Schwintowski § 14 Rz 44). Der zum 21.3.16 (Rn 7) eingefügte II 2 Nr 6 ist der Abgrenzung zum Immobiliar-Verbraucherdarlehen geschuldet.
1. Bagatellkredite (Nr 1, 3).
Rn 30
Der Nettodarlehensbetrag (Legaldefinition in Art 247 § 3 II 2 EGBGB) von weniger als 200 EUR ist der Höchstbetrag des auszuzahlenden Darlehens. Bei revolvierenden Krediten u eingeräumten Überziehungskrediten (§ 504 I) ist der Betrag der Kreditlinie maßgeblich, beim Zahlungsaufschub (§ 506 I) der Betrag, den der Verbraucher bei sofortiger Zahlung zu entrichten hätte.
Rn 31
Ein vom Verbraucher darzulegender Umgehungstatbestand (§ 512 2) wird vorliegen, wenn ein einheitlicher Kreditbedarf künstlich in mehrere zeitgleich o zeitnah abgeschlossene Einzelverträge aufgespalten wird, die für sich betrachtet unter die Vollausnahme des II 2 Nr 1 fallen. Anders verhält es sich bei späterem zusätzlichen Kreditbedarf u Aufstockung des Darlehens.
Rn 32
II 2 Nr 3 stellt überdies alle Darlehen u Zahlungsaufschübe sowie sonstige Finanzierungshilfen (§ 506) frei, wenn der Verbraucher das Darlehen binnen drei Monaten ab Auszahlung zurückzuzahlen hat u überdies nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände nur geringe Kosten vereinbart sind.
2. Pfandbesicherte Darlehen (Nr 2).
Rn 33
Der Ausnahmetatbestand will sicherstellen, dass die Tätigkeit von Pfandleihern nach der PfandlV nicht in den Anwendungsbereich der §§ 491 ff fällt. Voraussetzung ist die wirksame Bestellung eines Pfandrechts an einer beweglichen Sache iSd §§ 1204 ff. Ein Pfandrecht an einem Inhabergrundschuldbrief erfüllt den Ausnahmetatbestand nicht (BGH WM 18, 657 Rz 50f). Die Sache muss nach der – als Ausnahmevorschrift grds eng auszulegenden – Bestimmung ›übergeben‹ sein; ausreichend ist nach Sinn u Zweck der Nr 2 aber auch ein Übergabeersatz (§ 1206). Der Pfandgegenstand, auf den sich die Haftung des Darlehensnehmers beschränkt, muss alle aus dem Darlehensvertrag o aus gesetzlichen Vorschriften (insb Verzug) resultierenden Zahlungsverpflichtungen sichern.
3. Arbeitgeberdarlehen und Förderdarlehen (Nr 4, 5).
Rn 34
Unter den Begriff des Arbeitgeberdarlehens (II 2 Nr 4) fallen auch Kredite, die von Unterstützungskassen gewährt werden sowie Darlehen, die Angehörige (Ehegatten, Kinder) mit Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers o ehemalige Arbeitnehmer erhalten (Pensionärsdarlehen). Die Vollausnahme setzt einen effektiven Zins voraus, der unter dem Marktüblichen Zins für ein entsprechendes Bankdarlehen liegt. Der Ausnahmetatbestand ist erfüllt, wenn die untere Streubreite Marktüblicher Zinsen nicht erreicht wird. Das Arbeitgeberdarlehen darf mit diesen Bedingungen ferner anderen Personen, zu denen kein Arbeitsverhältnis besteht, nicht angeboten werden. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber solche Darlehen derart häufig vergibt, dass er in seinem Betrieb bereits eine Kreditabteilung hat.
Rn 35
Das ›öffentliche Interesse‹ (II Nr 5), das gleichbedeutend ist mit der Förderung gesamtgesellschaftlicher Anliegen, insb des Wohnungsbaus, der Energieeinsparung o der (Berufs-)Ausbildung (AG Rosenheim NJW-RR 13, 1006; Heider BKR 14, 277), bezieht sich sprachlich auf den Inhalt der Rechtsvorschriften; der Vertrag selbst muss nicht unmittelbar im öffentlichen Interesse abgeschlossen sein (BTDrs 16/11643, 77). Die Privilegierung gilt, anders als nach altem Recht (BGHZ 155, 240, 247), auch für sog von der Hausbank durchgeleitete Förderdarlehen etwa der KfW, wenn die Konditionen günstiger sind als bei Marktüblichen Kreditverträgen u der Sollzinssatz (§ 489 V) höchstens Marktüblich ist (Servais BKR 16, 152 ff).