Rn 4
Die Maßstäbe für die Bewertung der Kreditwürdigkeit differieren wegen der unterschiedlichen Vorgaben in Art 8 I VerbrKrR 2008 für Verbraucherdarlehen u in Art 18 Va WoImmoKrRL für Immobiliar-Verbraucherdarlehen (I 2). Bei Allgemein-Verbraucherdarlehen dürfen keine erheblichen Zweifel daran bestehen, dass der Darlehensnehmer allen seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag bis zum Ende der Laufzeit vertragsgemäß nachkommen wird (I 2 Var. 1; Kapitaldienstfähigkeit). Ob ›erhebliche‹ Zweifel, ein unbestimmter Rechtsbegriff, gegeben sind, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden.
Rn 5
Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen, muss dies, wie von Art 18 Va WoImmoKrRL vorgegeben, die Anforderungen verschärfend die Kapitaldienstfähigkeit des Darlehensnehmers während der gesamten angestrebten Laufzeit des Darlehens sogar ›wahrscheinlich‹ sein (I 2 Var. 2; § 2 I 1 ImmoKWPLV). Dies muss nach einer Gesamtschau der relevanten Faktoren (§§ 505b f) in einer vernünftigerweise vertretbaren Prognose positiv festgestellt werden (§ 2 I 2 ImmoKWPLV), die sich vorrangig auf die Kapitaldienstfähigkeit des Darlehensnehmers während der gesamten Laufzeit des Darlehens, nicht die Werthaltigkeit von Sicherheiten, stützt. Bei der Prognose, welche künftigen Entwicklungen wahrscheinlich sind, kann der Darlehensgeber einen nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Verlauf der Dinge unterstellen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für einen abweichenden negativen (zB Krankheit, Arbeitslosigkeit, Renteneintritt, Scheidung) o positiven Verlauf (zB Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit) vorliegen (§ 3 I ImmoKWPLV). Dabei wird man dem Darlehensgeber einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen (BTDrs 18/10935, 39; Buck-Heeb WM 17, 1329, 1331) Eine Restschuldversicherung ist nicht zu berücksichtigen. Scoring ist, da vergangenheitsbezogen, für eine Prognose allein ungeeignet (Feldhusen WM 19, 97, 101), kann aber berücksichtigt werden, um aus der Historie einen Rückschluss auf zukünftiges Verhalten abzuleiten (vgl BeckOGK/Knops Rz 25).
Rn 6
Für die Kreditwürdigkeit insb älterer Darlehensnehmer ist wichtig, dass der Schutz seiner Erben vom Gesetzgeber nicht intendiert ist. Es reicht deshalb, wenn die Leistung von Zins- u Tilgungsraten bis zum statistisch erwartbaren Lebensende gegeben ist u der Wert der belasteten Immobilie die dann noch offene Restschuld deckt (Schwintowski jurisPK-BGB Rz 6; Buck-Heeb/Seidler BKR 18, 269, 272f).
Rn 7
Bei einer gemeinsamen Darlehensaufnahme mehrerer Personen (zB Ehegatten, BGB-Gesellschaftern, Miterben) ist bei der Kreditwürdigkeitsprüfung darauf abzustellen, ob alle Darlehensnehmer gemeinsam (König WM 17, 269, 274; Buck-Heeb/Seidler BKR 18, 269, 275) ohne erhebliche Zweifel ihren Verpflichtungen aus einem Allgemein-Verbraucherdarlehen nachkommen werden bzw dies bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehen wahrscheinlich ist; denn solche Darlehensnehmer haften gesamtschuldnerisch.
Rn 8
Streitigkeiten über die genannte Wahrscheinlichkeit sind angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs in vielen Fällen, in denen der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, vorprogrammiert. Von Vorteil für Darlehensgeber ist, dass sie bei Immobiliardarlehen idR über eine vollstreckbare Grundschuld u ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis (§ 794 I Nr 5 ZPO) verfügen u es Sache des Darlehensnehmers ist, sich gg eine Zwangsvollstreckung daraus mit einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu verteidigen. Der dabei von ihm zu erbringende Beweis, dass er bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht kreditwürdig war, wird Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages auch unter Berücksichtigung der Dokumentation gem § 505b IV erhebliche Probleme bereiten.
Rn 9
Das Kontrahierungsverbot für Darlehensgeber, wenn die in I 2 genannten Anforderungen an die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers nicht erfüllt sind, stellt kein Verbot iSv § 134 dar (BeckOGK/Knops Rz 41; Erman/Nietsch Rz 6; Bartlitz WM 2016, 344, 351; Spitzer MDR 16, 425, 428; Buck-Heeb WM 17, 1329, 1330); denn aus § 505d I u II ergibt sich, dass ein trotz des Verbots geschlossener Darlehnsvertrag wirksam ist (BTDrs 18/5922, 100). Der Verstoß wird in § 505d I u II sanktioniert. Ein positives Ergebnis der Kreditwürdigkeitsprüfung verpflichtet angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit weder den Darlehensgeber noch den Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages (BeckOGK/Knops Rz 39).