Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind.
(2) Das Gleiche gilt, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
A. Überblick.
Rn 1
Entgegen dem Wortlaut enthält die Vorschrift keine Einwendung, sondern eine Einrede (allgM). Sie kann auch dem aus der Ersetzungsbefugnis des § 528 I 2 resultierenden Unterhaltsanspruch entgegengesetzt werden. Auch gegenüber dem Sozialhilfeträger kann die Einrede erhoben werden (Köln FamRZ 17, 1313, 1315f).
Rn 2
§ 529 beansprucht keine Ausschließlichkeit. Ein Leistungsverweigerungsrecht kann daneben auf § 242 gestützt werden. Umgekehrt kann auch die Geltendmachung der Einrede eine unzulässige Rechtsausübung sein (BGH NJW 01, 1207 [BGH 19.12.2000 - X ZR 146/99]; 03, 2449 [BGH 20.05.2003 - X ZR 246/02]).
B. Ausschlussgründe.
Rn 3
Die Vorschrift schließt eine Rückforderung in drei Fällen aus:
Rn 4
1. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung der Bedürftigkeit des Schenkers (I Alt 1). Bsp sind Verschwendung, Glücksspiel, unseriöse Spekulation (BGH NJW 03, 1384). Weitere Voraussetzung ist, dass der Schenker seine Bedürftigkeit nachträglich herbeigeführt hat und dies für den Beschenkten bei der Zuwendung nicht vorhersehbar war (BGH NJW 03, 1384 [BGH 05.11.2002 - X ZR 140/01]).
Rn 5
2. Wenn die Bedürftigkeit des Schenkers später als zehn Jahre nach Leistung des geschenkten Gegenstandes eingetreten ist (I Alt 2). Bei Schenkung und Auflassung eines Grundstücks beginnt die Frist mit der Einreichung des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt; der Vorbehalt eines lebenslangen Nutzungsrechts ist ohne Bedeutung (BGHZ 190, 281, 283 ff; anders Zeranski NJW 17, 1345 1347 ff: Abschluss des Erwerbstatbestandes). Dem Ausschluss des Anspruchs steht nicht entgegen, dass vor Ablauf der Frist Umstände eingetreten sind, aus denen sich früher oder später eine Erschöpfung des Vermögens voraussichtlich ergeben wird (BGH NJW 00, 728 [BGH 26.10.1999 - X ZR 69/97]).
Rn 6
3. Soweit und solange die Herausgabe der Zuwendung den standesgemäßen Unterhalt oder die Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten gefährden würde (II), vgl BGH NJW 05, 3638. Der ›standesgemäße‹ Unterhalt entspricht dem angemessenen in §§ 519, 528 I (jüngst Köln FamRZ 17, 1313, 1314; vgl hierzu § 528 Rn 2; krit Wedemann NJW 11, 571). Zum Einsatz von Vermögen vgl BGH NJW 86, 1926; Ddorf FamRZ 84, 887; Hamm FamRZ 93, 1436. Wie im Fall des § 519 Rn 2 und im Gegensatz zu § 528 Rn 5 genügt es, dass ernstlich damit zu rechnen ist, der Beschenkte werde bei Erfüllung des Anspruchs in Zukunft nicht mehr genügend Mittel für seinen angemessen Unterhalt und die Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten haben (BGH NJW 01, 1207 [BGH 19.12.2000 - X ZR 146/99]).
Rn 7
Es ist grds ohne Bedeutung, wodurch die Vermögenslage entstanden ist, auf Grund derer die Erfüllung des Rückgewähranspruchs eine Notlage hervorrufen würde; auch selbstverschuldete Bedürftigkeit schadet nicht (BGH NJW 01, 1207; Köln FamRZ 17, 1313, 1314). Ausnahmsweise kann die Berufung auf die drohende Notlage eine unzulässige Rechtsausübung sein (BGH NJW 01, 1207; 03, 2449; BGHZ 220, 226, Rz 11 ff). Das ist nicht der Fall, wenn bei der Schenkung ein wesentlicher Teil des Vermögens behalten wurde und zwischen der Schenkung und dem einem erhöhten Eigenbedarf des Schenkers auslösenden Umstand (etwa Umzug in ein Pflegeheim) ein erheblicher Zeitraum vergangen ist (Nürnbg 12.5.22 – 13 U 3853/21, juris: 6 Jahre).
C. Prozessuales.
Rn 8
Die Einrede nach II hindert nur die gegenwärtige, nicht aber die spätere Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs bei veränderter Einkommens- oder Vermögenslage des Beschenkten. Sie führt dementspr nur zur Abweisung der Klage als derzeit unbegründet (BGH NJW 05, 3638 [BGH 06.09.2005 - X ZR 51/03]).