a) Überblick.
Rn 117
Die Überlassung der Mietsache – die es nicht geben muss (Rn 116) – vermittelt dem Mieter nach hM ein Besitzrecht, das wie Eigentum iSv Art 14 I 1 GG behandelt wird (BVerfG NJW 00, 2658, 2659; 93, 2035; BGH ZMR 23, 776 Rz 15; NZM 21, 132 Rz 33; NJW 20, 835 Rz 27; 06, 220 Rz 20). Das Besitzrecht besteht an der eigentlichen Mietsache, aber ggf auch an den Räumen und Flächen, an denen der Mieter ein bloßes Mitgebrauchsrecht hat (BGH NJW 74, 1189; aA KG ZMR 13, 181 für Gartenflächen), grds aber nicht an der Fassade (LG Berlin MDR 13, 643, 644).
Rn 118
Das Besitzrecht endet mit dem (rechtlichen) Ende des Mietvertrags (BGH NJW 06, 220 [BGH 09.11.2005 - VIII ZR 339/04] Rz 20; Rn 116). Dem Mieter kann der Besitz allerdings nicht eigenmächtig entzogen werden (BVerfG NJW 93, 2035 [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93]; WuM 85, 75 [BVerfG 08.01.1985 - 1 BvR 792/83]). Dem Vermieter stehen gegen den Wohnraummieter, der die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, keine Besitzschutzansprüche zu (BGH NJW 16, 863 [BGH 18.12.2015 - V ZR 160/14] Rz 13; 10, 3434 Rz 10). Verweigert der Mieter die Herausgabe, obwohl eine Kündigung wirksam ist und ein gesetzlicher Grund für die Fortsetzung des Mietvertrags nicht vorliegt, verletzt er allerdings seine Pflicht zur Rückgabe der Mietsache (§ 546 I) und verhält sich damit rechtswidrig (BGH NJW 06, 220 [BGH 09.11.2005 - VIII ZR 339/04] Rz 20).
b) Störungen und Schutz.
Rn 119
Das Besitzrecht vermittelt dem Mieter Rechte nach §§ 280, 858 ff, 1004, 1007, 823 ff oder entspr § 906 II 2 (s.a. BGH NZM 21, 132 [BGH 09.12.2020 - VIII ZR 238/18] Rz 30). Beim Besitz von Räumen liegt ein Eingriff bspw vor, wenn der Zugang zur Mietsache erschwert oder vereitelt wird oder wenn in anderer Form in einer den Mieter behindernden Weise auf die Mietsache eingewirkt wird (BGH NJW 09, 1947 [BGH 06.05.2009 - XII ZR 137/07] Rz 26). Erlaubt es eine Anwendung (Software) dem Vermieter, seine Rechte gegen den Besitzer ohne dessen Zutun durchzusetzen, lässt sich zB ein Fahrzeug oder eine Tür nicht mehr öffnen oder eine Batterie nicht mehr aufladen, liegt eine Besitzstörung vor (Linder NZM 21, 665, 668/670; aA Fries NJW 19, 905). Anders liegt es, wenn der Besitzer mit der Anwendung einverstanden war (Paulus/Matzke CR 17, 269, 775). Allerdings können nur wesentliche Beeinträchtigungen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche auslösen (BGH NJW 15, 2023 [BGH 16.01.2015 - V ZR 110/14] Rz 10; 15, 2177 Rz 35). Wird die Mietsache durch Dritte, zB Mitmieter, gestört (zB durch Rauch, Rn 171), kann der Mieter va nach §§ 823, 862, 865 vorgehen (Frankf NJW 19, 1463; LG Berlin GE 14, 1589) oder ein Handeln des Vermieters verlangen (BGH ZMR 04, 335, 336; München ZMR 92, 246, 247). Aus einem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung soll sich ergeben können, dass der Mieter Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss (BGH NJW 15, 2023 Rz 5). Fehlt es an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 I 1 aber unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht (BGH NJW 15, 2023 [BGH 16.01.2015 - V ZR 110/14] Rz 5), wobei zu beachten ist, dass etwa das häusliche Musizieren einschl des dazugehörigen Übens zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung gehört und die daraus herrührenden Geräuscheinwirkungen jedenfalls in gewissen Grenzen zumutbar und in diesem Rahmen als unwesentliche Beeinträchtigung iSv § 906 I anzusehen sind (BGH ZMR 19, 237 Rz 14). Ein Anspruch analog § 906 II 2 unter Mitmietern ist nach hM hingegen nicht gegeben (BGH ZMR 04, 335, 336; zw). Zu Versorgungssperren s Rn 129.
c) Schlüssel.
Rn 120
Zur Besitzeinweisung sind grds Schlüssel auszuhändigen (Naumbg ZMR 00, 290; LG Berlin NJW-RR 88, 203; Rn 58). In Betracht kommen Haus- und Wohnungseingangstür, Briefkasten und andere Räume, etwa Boden, Keller, Innenhof, soweit daran ein Gebrauchsrecht besteht (Rn 106 ff). Für jeden zulässigen Bewohner ist grds ein Schlüsselsatz auszuhändigen (LG Berlin GE 85, 1259); eine Ausnahme sind Kleinkinder. Der Mieter kann grds Schlüssel für Zeitungs- oder Postboten (AG Mainz NZM 07, 922), Hausangestellte, Tagesmütter (AG Karlsruhe WuM 97, 109) oder zulässige Untermieter verlangen. Zum Verlust von Schlüsseln s Rn 58. Der Mieter darf Schlüssel weitergeben. Zur Bedeutung der Rückgabe von Schlüsseln – grds alle! – s Rn 68.