I. Allgemeines.
1. Überblick.
Rn 1
Mietverträge sind gegenseitige Verträge, die ein Dauerschuldverhältnis begründen. Für sie sind grds die Vorschriften des Allgemeinen Teils und des Allgemeinen Schuldrechtes anwendbar, soweit §§ 535–580a nichts anderes anordnen. Als schuldrechtliches Rechtsgeschäft sind Mietverträge als Grundform der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung von Sachen vom dinglichen Nießbrauch (§§ 1030 ff), von dinglichen Wohnungsrechten (§ 1093) sowie von Dauerwohn- und Dauernutzungsrechten (§§ 31 ff WEG) abzugrenzen. Diese Rechte sind dinglicher Natur und belasten ein Grundstück auf Grund der Eintragung im Grundbuch mit einem Gebrauchsrecht, das jeder Grundstückseigentümer gegen sich gelten lassen muss. Auch das Erbbaurecht (s dazu § 1 ErbbauRG) ist ein Recht zum Besitz und zum Gebrauch, das dinglicher Natur ist; es gewährleistet zudem ein Sondereigentum an dem errichteten Gebäude. §§ 535–580a enthalten das Leitbild des Mietvertrags. Sie bestimmen, was gilt, wenn sich die Parteien nicht – soweit zulässig – anderweitig geeinigt haben. § 535 fasst dabei den Inhalt des Mietvertrags als ›Typ‹ und die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien zusammen. Die sich anschließenden §§ 536–580a gliedern sich in drei Teile: §§ 536–548 enthalten allgemeine Regelungen und beziehen sich auf einen Vertrag für jede vorstellbare Mietsache (s dazu Rn 103). §§ 549–577a stellen Sonderbestimmungen für die Wohnraummiete auf. §§ 578–580a beziehen sich auf Mietverhältnisse über andere Sachen; ausdrücklich erwähnt werden Grundstücke, die keine Wohnräume sind, Räume, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, und eingetragene Schiffe. §§ 581–607 gehören nicht zum Mietrecht. Auch in ihnen sind aber Schuldverhältnisse auf Gebrauchsüberlassung geregelt, von denen die Miete abzugrenzen ist (s Rn 10 ff): In §§ 581–584b die Pacht, in §§ 585–597 die Landpacht, in §§ 598–606 die Leihe und in §§ 607–609 das Sachdarlehen.
2. Begriff.
Rn 2
Ein Mietvertrag ist anzunehmen, wenn sich jemand verpflichtet, den Gebrauch einer nicht notwendig beweglichen Sache (§ 90) gegen Entrichtung eines Entgeltes zu gewähren (BGH ZMR 18, 21 Rz 17; NZM 10, 898; ZMR 98, 141, 142); dies gilt auch dann, wenn das vereinbarte Entgelt sehr niedrig ist: die Miete braucht dem Mietwert der Sache nicht zu entsprechen (BGH ZMR 18, 21 Rz 17). Die Bezeichnung des Vertrags oder das Verständnis der Parteien ist nur Indiz. Miete liegt zB vor, wenn einem Kaufinteressenten die Sache vor Abschluss des Kaufvertrags gegen Entgelt überlassen wird (Köln NZM 99, 710; s.a. Rn 4 f). Auch ein entgeltliches, aber bloß ›schuldrechtliches Wohnrecht‹ ist Mietvertrag (BGH ZMR 98, 141, 142). Hauptpflichten des Vermieters sind nach § 535 I 1, 2 demgemäß Überlassung (s Rn 116) und Erhaltung (s dazu Rn 134) der Mietsache (s Rn 103) in einem vertragsgemäßen Zustand. Hauptpflicht des Mieters ist nach § 535 II Zahlung der Miete (s Rn 177). Der Abschluss eines Wohnraummietvertrags setzt voraus, dass sich einerseits der Vermieter verpflichtet, Wohnräume dauerhaft und – im Rahmen des sozialen Mietrechtes – unter Einschränkung seiner Kündigungsmöglichkeit dem Mieter gegen Zahlung eines Entgeltes zu überlassen und dass sich dieser im Gegenzug verpflichtet, hierfür Miete zu entrichten. An letzterem fehlt es, wenn erst nach der Überlassung Kostentragungspflichten entstehen (BGH ZMR 18, 21 Rz 27). Bei einer (nahezu) unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum zu Wohnzwecken ist bei der Frage, ob ein Miet- oder Leihvertrag (Rn 10), ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis sui generis (§ 241) oder ein bloßes Gefälligkeitsgeschäft vorliegt, nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung und ggf nach den sonstigen Interessen der Parteien zu unterscheiden (BGH ZMR 18, 21 Rz 23).
3. Anwendungsbereich.
a) Allgemeines.
Rn 3
§ 535 ist auf alle Mietverträge anzuwenden, auch auf Untermietverträge (BGHZ 81, 46, 50 = NJW 81, 2246; s § 540 Rn 2 ff). Ferner auf Pachtverträge als Sonderform der Miete. Aus der von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnung eines Vertrags kann nicht zwingend auf dessen Rechtsnatur geschlossen werden. Diese ist vielmehr nach seinem gesamten Vertragsinhalt zu bestimmen. Die gewählte Bezeichnung stellt aber ein Indiz dafür dar, welchen Zweck die Parteien mit dem Vertrag verfolgen wollten (BGH NZM 15, 251 [BGH 26.11.2014 - XII ZR 120/13] Rz 28).
b) Einzelfälle.
Rn 4
Wichtigster Mietvertrag ist der über eine Wohnung in einem Einzel- oder Mehrfamilienhaus oder die Miete des SonderE eines WEigtümers. Wohnung idS ist ein selbständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht (BGH NZM 11, 71). Beim genossenschaftsrechtlichen Nutzungsvertrag handelt es sich der Sache nach um einen Mietvertrag (BGH NZM 10, 121 [BGH 14.10.2009 - VIII ZR 159/08]; NJW-RR 04, 12). Miete, jedenfalls für die wesentlichen Vertragspflichten, ist die Überlassung eines möblierten Zimmers mit Frühstück und Bedienung, die Überlassung einer EDV-Anlage mit Bedienung (Hamm NJW-RR 94, 1297 [OLG Hamm 15.04.1994 - 30 U 243/93]) oder idR die Berechtigung zur Nutzung ein...