aa) Grundsatz.
Rn 24
Auf Gewerberaumvermieter und andere Vermieter, zB Vermieter von Fahrzeugen, Filmen, Software etc, ist das AGG ohne Einschränkungen anzuwenden, soweit die Voraussetzungen des § 19 I Nr 1 AGG vorliegen (dazu § 19 AGG Rn 4 ff); ggf ist der Schwellenwert des § 19 V 3 AGG dort für das Merkmal ›Massengeschäft‹ analog anwendbar.
bb) Wohnraummiete.
Rn 25
Besondere Voraussetzung der Anwendung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots im Wohnraummietrecht ist grds, dass der Vermieter mehr als 50 Wohnungen zu einem nicht nur vorübergehenden Gebrauch vermietet (Großvermieter). § 19 I 1 Nr 1, V 3 AGG stellt allein auf die Anzahl der potenziell zu vermietenden Wohnungen ab. Vermietet ein Vermieter zB seine insgesamt 40 Wohnungen mehr als 50-mal, ist das AGG nicht anwendbar. Vermieter idS ist, wer den Vertrag im eigenen Namen schließt. Vermieter ist deshalb auch der Zwangsverwalter, nicht hingegen, wer als beliebiger Dritter die Entscheidung über eine Vermietung trifft (LG Aachen NZM 09, 318 [LG Aachen 17.03.2009 - 8 O 449/07]). Schaltet ein Vermieter einen Verwalter ein, kommt es nicht auf die Anzahl der von diesem insgesamt im Namen Dritter vermieteten Wohnungen an (Warnecke DWW 06, 268, 273). Eine dem Verwalter anzulastende Benachteiligung ist dem Vermieter ggf nach § 278 zuzurechnen. ›Wohnung‹ iSv § 19 V 3 AGG ist jeder Raum, den der Vermieter zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung gewidmet hat. Das AGG ist nicht auf Vermietungen iSv § 549 II Nr 1 anzuwenden, bspw die Vermietung von Hotelzimmern oder Ferienwohnungen. Bei Großvermietern gilt das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot ausnahmsweise nicht, wenn sie ungeachtet der Anzahl der zu vermietenden Wohnungen der konkreten Person des Mieters mehr als nur nachrangige Bedeutung iSv § 19 I 1 Nr 1 AGG zumessen. Das ist zB bei Vermietung von Räumen in einem Schwesternwohnheim, bei der Kirche als Vermieter oder bei einem Studentenwohnheim der Fall.
cc) Kleinvermieter.
Rn 26
Für Vermieter von insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen (Kleinvermieter) vermutet § 19 V 3 AGG widerleglich, dass es sich jedenfalls um kein Massengeschäft iSv § 19 I 1 Nr 1 AGG handelt und für den Vermieter das Ansehen der Person (§ 19 I 1 Nr 1 AGG) eine Bedeutung hat. Wird die Vermutung vom potenziellen Mieter widerlegt, ist § 19 I Nr 1 AGG aber anzuwenden mit der Folge, dass eine Benachteiligung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität unzulässig ist (AG Köln IMR 14, 414). Die Benachteiligung eines potenziellen Mieters wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft (§§ 19 II, 2 I Nr 8, 1 AGG) ist auch einem Kleinvermieter nicht erlaubt; § 19 V 3 AGG verweist nur auf § 19 I Nr 1 AGG, nicht auf § 19 II AGG (AG Tempelhof-Kreuzberg GE 15, 519, 520). Ferner ist im Wege einer EU-gerechten Auslegung anzunehmen, dass einem Kleinvermieter die Benachteiligung wegen des Geschlechtes unzulässig ist (s dazu § 19 AGG Rn 9 mwN).
dd) Ausnahmetatbestände.
Rn 27
Nach § 20 I 1 AGG ist eine Ungleichbehandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters und des Geschlechtes zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht (BGH MDR 20, 1059 Rz 22). Ob ein sachlicher Grund besteht, ist anhand einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242) zu beurteilen (BGH MDR 20, 1059 Rz 24). Die wechselseitigen Interessen der unternehmerischen Handlungsfreiheit (Art 12 I 1 GG) auf der einen und des Schutzes vor Diskriminierung (§ 19 I Nr 1 AGG) auf der anderen Seite sind in einen angemessenen Ausgleich zueinander zu bringen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit dem Benachteiligten die Ungleichbehandlung zumutbar und inwieweit er auf die Leistung angewiesen ist (BGH MDR 20, 1059 [BGH 27.05.2020 - VIII ZR 401/18] Rz 32). Eine Besserstellung kann außerdem nach § 5 AGG zulässig sein, um bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu verhindern oder auszugleichen.
Rn 28
Eine unterschiedliche Behandlung ist im Einzelfall gem § 19 III AGG ferner im Hinblick auf Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig und gerechtfertigt (s.a. § 6 I Nr 4 WoFG). Diese Ausn ist eng auszulegen und kann im Regelfall nur Maßnahmen nach § 5 AGG rechtfertigen (Eisenschmid WuM 06, 475, 478). Vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sind außerdem Wohnraummietverhältnisse, bei denen die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen, § 19 V 2 AGG (s.a. § 573a). Wegen des besonderen Näheverhältnisses darf diesem Vermieter eine Vertragspartei weder aufgezwungen werden noch darf er gezwungen sein, diese zu halten; zugleich sind damit sämtliche Ansprüche auf Ersatz von Schäden ausgeschlossen, die auf eine Vertragsverweigerung zurückzuführen sind. Eine weitere Ausn kann schließlich nach § 19 V 1 AGG gegeben sein, wenn durch den Mietvertrag ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Ein besonderes Nähe- o...