(1) Übersicht.
Rn 60
Die Mietvertragsparteien können ein Betretungs- und Besichtigungsrecht vereinbaren (BGH ZMR 23, 776 Rz 16; Agatsy IMR 18, 443, 445) oder es jedenfalls vertraglich näher ausgestalten. Liegt eine solche an § 307, § 138 I (s BVerfG ZMR 93, 405, 409; LG München II NJW-RR 09, 376) zu messende Vereinbarung vor, ist diese für Umfang und Ausgestaltung des Betretungs- und Besichtigungsrechtes maßgeblich. Ein formularvertraglich vereinbarter Verzicht auf die Ankündigungspflicht ist ebenso wie ein voraussetzungsloses Besichtigungsrecht (›Routinekontrolle‹) unzulässig (BGH NJW 14, 2566 [BGH 04.06.2014 - VIII ZR 289/13] Rz 17).
Rn 61
Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, muss der Mieter ein Betretungs- und Besichtigungsrecht als Nebenpflicht gem §§ 241 II, 242 dulden (BVerfG ZMR 04, 566, 567; BGH ZMR 23, 776 Rz 15; NJW 14, 2566 Rz 20). Die Nebenpflicht besteht, wenn es für ein Betretungs- und Besichtigungsrechtes einen konkreten und objektiv vorliegenden Grund gibt (BGH NJW 14, 2566 [BGH 04.06.2014 - VIII ZR 289/13] Rz 19). Bei der Prüfung ist einerseits dem Eigentumsrecht des Vermieters, andererseits auch dem Recht des Mieters, in den Mieträumen ›in Ruhe gelassen‹ zu werden und seinem Recht am Besitz der Mietwohnung Rechnung zu tragen (BGH MDR 23, 899 Rz 17). Ein ›periodisches‹ Betretungs- und Besichtigungsrecht – zB alle ein bis zwei Jahre (AG München IMR 16: alle 5 Jahre) – kann es damit nicht geben (AG Bonn NZM 06, 698; Willems NZM 15, 353, 356; aA LG Tübingen GE 08, 1055; AG Saarbrücken ZMR 05, 372, 373; Agatsy IMR 18, 443, 444). Bei der Prüfung sind ferner die Interessen des Vermieters (dazu § 809 Rn 7) und das Recht des Mieters, in Ruhe gelassen zu werden, gegeneinander abzuwägen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (BVerfG ZMR 04, 566, 567). Vereitelt der Mieter das Betretungs- und Besichtigungsrecht, kann der Vermieter ggf kündigen (LG Berlin IMR 15, 399). Dem Vermieter und Eigentümer kann iÜ grds nicht verwehrt werden, ein vermietetes Haus von außen zu fotografieren, um so den Zustand des Hauses festzuhalten (AG Hannover ZMR 01, 282). Etwas anderes gilt – außer für Besichtigungszwecke – für Innenaufnahmen (AG Frankfurt NZM 99, 121; s.a. Rn 46, § 809 Rn 10).
(2) Fallgruppen.
Rn 62
Der Vermieter (und ihn ggf begleitende Handwerker, SV, Architekten etc) kann die Mietsache va in folgenden Fällen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – es verstößt gegen das Gebot schonender Rechtsausübung, wenn der Vermieter eine Mehrzahl von Besichtigungsgründen zum Gegenstand immer neuer Besichtigungsbegehren macht (AG Hamburg NZM 07, 211) – betreten und besichtigen:
- Instandsetzung der Mietsache: s § 555a Rn 7 und Rn 9. Hierzu gehören auch Schönheitsreparaturen (Rn 144) und die Prüfung ihrer Notwendigkeit (Schlüter NZM 06, 681, 683).
- Gefährdungen: Prüfung einer konkreten Gefährdung.
- Mangelverdacht: Prüfung eines konkreten Mangelverdachtes.
- Messeinrichtungen: Ablesung von Messeinrichtungen.
- Mieterhöhung: Aufmaß für eine Mieterhöhung.
- Mieterwechsel: Steht das Ende des Mietverhältnisses oder der Verkauf der Mietsache bevor, ist dem Vermieter in engem zeitlichen Rahmen und zu vertretbaren Zeiten die Besichtigung mit Miet-/Kaufinteressenten zu ermöglichen (BVerfG ZMR 04, 566, 567; BGH ZMR 23, 776 Rz 15; LG Frankfurt/M NZM 02, 696).
- Modernisierung der Mietsache: s § 555d Rn 2.
- Pflichtverletzungen: Aufklärung von Pflichtverletzung des Mieters (AG Rheine WuM 03, 315), zB eine unberechtigte Untervermietung (Agatsy IMR 18, 443, 445).
- Schäden: Prüfung von Schäden der Mietsache.
- Verkehrspflichten: Erfüllung der Verkehrspflichten (Rn 37).
- Zum Wohnungseigentum: s § 14 WEG.
(3) Durchführung.
Rn 63
Notfall: Im Notfall, zB bei Sturm-, Wasser- oder Feuerschäden, kann der Vermieter in jedem Falle sofort Zugang verlangen und ihn notfalls eigenmächtig durchsetzen.
Rn 64
Ankündigung: In allen anderen Fällen bedarf es einer rechtzeitigen, formlosen Ankündigung, mindestens 24 Stunden vorher (AG Lüdenscheid WuM 90, 498; AG Neuss WuM 89, 364; AG Köln WuM 86, 86), meist mehr (LG Tübingen GE 08, 1055, 1057). Was rechtzeitig ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Es gilt § 555a Rn 12 entspr. Absender/Adressat: S Rn 79 entspr und § 555a Rn 12 entspr. Tageszeit und Dauer: Tageszeit und Dauer (idR: 30–45 Minuten, LG Frankfurt/M NZM 02, 696) sind so einzurichten, dass sie den Mieter möglichst wenig belasten, andererseits aber den Vermieter seine Interessen wahrnehmen lassen. Übliche Zeiten sind werktags (auch sonnabends, BGH ZMR 05, 695, 697; AG Köln NZM 01, 41), tagsüber, nicht zur Unzeit, etwa am frühen Morgen oder späten Abend (10:00–13:00 Uhr und 15:00–18:00 Uhr; AG Saarbrücken ZMR 05, 372, 373). Terminabsprachen: Zu Terminabsprachen s § 555a Rn 9. Ist eine Zeit unüblich und liegt kein Notfall vor, kann der Mieter zB Handwerkern, die vom Vermieter beauftragt sind, den Zutritt zur Wohnung verwehren (AG Aachen WuM 86, 87). Inhalt der Ankündigung: Mit der Ankündigung sind der Grund, die voraussichtliche Dauer und die Personen, denen Zutritt ...