Gesetzestext
(1) 1Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. 2Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. 3Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.
(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
A. Grundsätzliches; Konkurrenzen.
Rn 1
§ 536 wurde durch das MRRG eingefügt, ist seit 1.9.01 in Kraft und regelt die Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln sowie fehlenden zugesicherten Eigenschaften. Die Vorschrift entspricht § 537 I, II 1, III, § 541 jeweils aF. § 537 II 2 aF wurde gestrichen. Sachmängel sind in I geregelt, für Rechtsmängel ordnet III die entspr Anwendung von I u II an. Nach dem Wortlaut in I 1 begründet § 536 keinen Anspruch, sondern die Mietminderung tritt kraft Gesetzes ein (vgl Rn 23). § 536 ist daher eine rechtsvernichtende Einwendung. Zu den Folgen einer unberechtigten Minderung s § 543 Rn 20. I a wurde durch das MietRÄndG eingefügt und ist seit 1.5.13 in Kraft. Zu den Folgen der COVID-19-Pandemie (›CORONA-Virus‹) s Rn 4, 12.
Rn 2
Neben den Rechten aus §§ 536 ff kann der Mieter während der Mietzeit seinen Primäranspruch auf Erfüllung der Gebrauchsüberlassungs- und Instandhaltungspflicht aus § 535 I 2 geltend machen (BGH NJW 03, 2158), der keiner Verjährung unterliegt (BGH NJW 10, 1292 [BGH 17.02.2010 - VIII ZR 104/09]). Deshalb wird auch die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem § 320 nicht durch § 536 berührt (BGH NJW 15, 3087 Rz 48; NJW-RR 07, 1021). Die Höhe des Zurückbehaltungsrechts gem § 320 ist erst durch § 242 begrenzt (BGH NJW 15, 3087 Rz 55, 62: Einzelfallbetrachtung – keine Grenze iHv doppelten Mängelbeseitigungskosten durch Wertung in § 641 Abs 3; NJW-RR 07, 1021 [BGH 18.04.2007 - XII ZR 139/05]). Die Einrede aus § 320 setzt nach Treu und Glauben eine Mängelanzeige gem § 536c voraus (BGH NJW-RR 11, 447 [BGH 03.11.2010 - VIII ZR 330/09]) und erlischt nach Mangelbeseitigung (BGH NJW 19, 1745 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 39/18]; NJW 15, 3087 [BGH 17.06.2015 - VIII ZR 19/14] Rz 61), bei Verweigerung der Mängelbeseitigung durch den Mieter (BGH NJW 19, 2308 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 12/18]) oder bei Mietende (BGH WuM 06, 435 [BGH 19.06.2006 - VIII ZR 284/05]).
Rn 3
Das allgemeine Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff, 323 ff) wird für den Sachmangel nach dem Wortlaut in § 536 I 1 erst ab Überlassung der Mietsache von den §§ 536 ff verdrängt (BGH ZMR 97, 565). Vor Überlassung gelten die allgemeinen Vorschriften (Grüneberg/Weidenkaff § 536 Rz 7; Staud/Emmerich § 536 Rz 9). Bei Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung war nach der Rspr zum alten Schuldrecht unklar, ob jedenfalls § 538 aF schon ab Vertragsschluss galt (so wohl BGH NJW 85, 1025 [BGH 07.12.1984 - V ZR 189/83]; dagegen BGH NJW 97, 2813 [BGH 18.06.1997 - XII ZR 192/95]). Die dies bejahende Entscheidung aus 1985 beruhte auf der Billigkeitserwägung, dass der Mieter bei Unmöglichkeit nicht auf das negative Interesse (§ 307 aF) beschränkt sein dürfe. Da das neue Schuldrecht bei anfänglicher Unmöglichkeit einen Ersatz des positiven Interesses vorsieht (§ 311a II), ist die Entscheidung überholt. Im Ergebnis ist das allgemeine Leistungsstörungsrecht bei unbehebbaren Mängeln sogar unbegrenzt einschlägig, weil bei Unmöglichkeit kein Sachmangel vorliegt (vgl Rn 7). Beim Rechtsmangel spricht der Wortlaut in III (›wird … entzogen‹) für eine Anwendung des § 536 erst ab Überlassung. Gleichwohl sollten die mietrechtlichen Gewährleistungsregeln nach der Rspr zu § 541 aF schon ab Vertragsschluss vorgehen (BGH NJW 96, 714 [BGH 29.11.1995 - XII ZR 230/94]). Da die Formulierung in III unverändert aus § 541 aF entnommen ist, dürfte diese Rspr für das aktuelle Recht fortgelten.
Rn 4
Die Störung der Geschäftsgrundlage ist, soweit sich diese auf einen Sachmangel bezieht, durch die §§ 536 ff abschließend geregelt; § 313 ist insoweit ab Überlassung der Mietsache und bei einem Rechtsmangel schon ab Vertragsschluss nicht anwendbar (BGH NJW 00, 1714 [BGH 16.02.2000 - XII ZR 279/97]). Bei nicht mangelbedingten Störungen ist ein Rückgriff auf § 313 möglich (BGH aaO; NJW 06, 899 [BGH 21.09.2005 - XII ZR 66/03] – für Verfehlung der Umsatzerwartungen bei Einkaufszentrum). Bei staatlichen Maßnahmen iRd COVID-19-Pandemie (›CORONA-Virus‹), die zu...