Gesetzestext
1Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. 2Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen worden ist.
A. Grundsätzliches; Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 544 wurde durch das MRRG eingefügt, ist seit 1.9.01 in Kraft und entspricht inhaltlich § 567 aF; daher existiert keine Übergangsregelung (aA Hamm ZMR 02, 196). Die Vorschrift dient dem Ausschluss von Erbmiete bzw ähnlichen Vertragsverhältnissen, mit der außerhalb des numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums gefährdet würde (BGH NJW 04, 1523). § 544 gilt für alle Mietverhältnisse sowie über § 581 II für Pacht, ferner für miet- und pachtähnliche Verträge (Bub/Treier IV Rz 441). Wegen des vorstehenden Normzwecks ist § 544 zwingendes Recht (BGH NJW 04, 1523 [BGH 27.11.2003 - IX ZR 76/00]). § 544 gilt auch für Vorverträge (aA MüKo/Bieber § 544 Rz 2).
B. Tatbestand: Mietvertrag über mehr als 30 Jahre iSv § 544 S 1.
Rn 2
Unter 1 fällt auch ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, wenn für eine bzw beide Parteien ein Kündigungsausschluss für längere Zeit als 30 Jahre vereinbart ist (Frankf NZM 99, 419; Hamm NZM 99, 753) sowie ein befristeter Vertrag, wenn das Ereignis möglicherweise erst nach Ablauf von 30 Jahren eintritt (Ddorf ZMR 02, 189; Hambg ZMR 98, 28; Hamm NZM 99, 753). § 544 gilt jedoch nicht, wenn die Kündigung zwar durch wirtschaftliche Nachteile (zB Entschädigungspflicht) erschwert ist, rechtlich aber möglich bleibt (Erman/Jendrek § 544 Rz 3; aA MüKo/Bieber § 544 Rz 5). Ausnahmsweise kann hier allerdings eine Umgehung vorliegen. Ein Mietvertrag über mehr als 30 Jahre ist auch ein für einen kürzeren Zeitraum geschlossener Vertrag, der eine Option zur Verlängerung auf insgesamt mehr als 30 Jahre enthält (vgl BGH NJW 04, 1523). Wird die 30-Jahres-Frist infolge einer Vertragsverlängerung überschritten, so beginnt die Frist erst dann und nicht schon ab dem ursprünglichen Vertragsschluss zu laufen (BGH NJW 04, 1523 [BGH 27.11.2003 - IX ZR 76/00]).
C. Rechtsfolge: Kündigung.
Rn 3
Das Kündigungsrecht für beide Parteien besteht erstmals nach 30 Jahren. Nach dem Wortlaut ist Fristbeginn nicht schon der Vertragsschluss, sondern erst die Überlassung der Mietsache (Erman/Jendrek § 544 Rz 2; MüKo/Bieber § 544 Rz 7). Bei nachträglichem Abschluss eines neuen Vertrages oder eines Vertrages mit längerer Bindungsdauer beginnt die Frist mit Wirksamwerden des späteren Vertrages zu laufen (BGH NJW 96, 2028; Hamm ZMR 02, 196). Geht die Kündigung vor Ablauf der 30 Jahresfrist zu, ist sie unwirksam (Hamm ZMR 97, 182, 184). Andererseits muss die Kündigung nicht zum erstzulässigen Zeitpunkt erfolgen (BGH NJW-RR 92, 780). Bei Wohnraummiete muss bei Kündigung des Vermieters gem §§ 573d I, 575a I kein berechtigtes Interesse vorliegen (MüKo/Bieber § 544 Rz 8; aA Grüneberg/Weidenkaff § 544 Rz 6).
D. Unzulässigkeit der Kündigung bei Vertrag für die Lebenszeit gem § 544 S 2.
Rn 4
Bei einem Vertrag für die Lebenszeit einer Vertragspartei ist gem 2 die Kündigung nach 1 unzulässig. Grund für diese Ausnahme ist, dass es sich hierbei der Sache nach ohnehin um einen befristeten Vertrag handelt und es nicht zu einer Erbmiete kommen kann (vgl MüKo/Bieber § 544 Rz 1). Unter 2 fällt daher auch ein durch solche Umstände befristeter Vertrag, die nur zu Lebzeiten der Vertragspartei eintreten können – zB die persönliche Nutzung durch den Mieter (LG Stuttgart NJW-RR 92, 908). 2 ist nicht auf juristische Personen anwendbar (Grüneberg/Weidenkaff § 544 Rz 3).