I. Allgemeines.
Rn 6
Nach § 555a I sind – auch umfangreiche und belästigende – Erhaltungsmaßnahmen (Rn 3 f) sowie ihnen dienende Vorbereitungsmaßnahmen (zB Gerüst, Sichtung durch einen Sachverständigen oder Handwerker) zu dulden. Unerheblich ist, ob die zu duldende Maßnahme vom Vermieter selbst durchgeführt wird oder auf seine Veranlassung durch Dritte, zB Handwerker. Die Duldungspflicht trifft den Mieter, aber auch den rechtmäßigen Nutzer nach Ende der Mietzeit (Abramenko § 1 Rz 5). Der Untermieter muss im Verhältnis zu seinem Vermieter dulden.
II. Dulden.
1. Übersicht.
Rn 7
Dulden heißt grds ›Hinnehmen‹ (KG NJW-RR 88, 1420; LG Berlin ZMR 19, 275; NJW 16, 2582, 2584). Bsp: Besichtigung der Wohnung durch Dritte zur Vorbereitung der Maßnahmen (s.a. § 535 Rn 61), Betretenlassen der Wohnung (s.a. § 535 Rn 61), Ertragen von Gerüchen, Lärm, Messungen, vorbereitende Maßnahmen, Unterbrechungen der Versorgung, vorübergehende Räumung. Lagert der Vermieter Mietersachen außerhalb der Wohnung, hat der Mieter einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Lagerortes. Der Mieter muss den Untermieter veranlassen, seinerseits die Durchführung der Arbeiten zu dulden (LG Berlin GE 14, 938). Die Parteien können einen Duldungsanspruch ausschließen, auch konkludent (BGH ZMR 08, 116; LG Hamburg ZMR 07, 455).
2. Mitarbeit (Terminabsprachen und Ausweichen).
Rn 8
Der Mieter muss nicht ›zustimmen‹ (LG Berlin WuM 96, 142) oder mitwirken (›Baufreiheit herstellen‹), etwa Möbel beiseitestellen (LG Berlin GE 14, 938) oder Gardinen abnehmen (LG Berlin NJW-RR 96, 1163) oder für Baufreiheit zu sorgen (LG Berlin ZMR 19, 275), darf eine Erhaltungsmaßnahme aber auch nicht durch Worte oder Taten behindern. Der Mieter schuldet als Teil der ›Duldung‹ allerdings Terminabsprachen (LG Berlin ZMR 20, 401; GE 18, 997) und ist verpflichtet, an einer baldigen Terminabstimmung mitzuwirken (BGH NJW 09, 1736 Rz 16; s.a. Rn 12). In Ausnahmefällen muss er die Mieträume verlassen, zB in ein Hotel ziehen (LG Mannheim WuM 87, 272), sich aber nicht selbst Ersatzwohnraum suchen (LG Berlin NJW 16, 2582, 2584). Dann entfällt die Pflicht, für die Wohnung Miete zu zahlen (LG Berlin ZMR 21, 392). Etwas anderes kann nach § 555a IV (s.a. § 555d VII) auch nicht vereinbart werden (LG Berlin ZMR 21, 586). Der Mieter soll nach § 241 II verpflichtet sein, nach Ablauf einer angemessenen Frist im Anschluss an den Zugang der Ankündigung und nach einer Prüfungspflicht auf ein Schreiben des Vermieters zu antworten, in dem dieser ihn unter Beifügung einer zu unterzeichnenden Duldungserklärung bittet, innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich mitzuteilen, ob er duldet (KG ZMR 10, 180; ohne Stellungnahme BGH ZMR 21, 804 Rz 19).
3. Grenzen.
Rn 9
Grenzen der Duldungspflicht bilden §§ 242, 226 (BGH NJW 72, 723 [BGH 23.02.1972 - VIII ZR 91/70]).
III. Verstöße.
Rn 10
Die Duldungspflicht gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten (§ 535 Rn 64). Wird die Duldungspflicht verletzt, kommt eine Kündigung nach § 543 I und/oder nach § 573 II Nr. 1 in Betracht (BGH NJW 15, 2417 [BGH 15.04.2015 - VIII ZR 281/13] Rz 17; LG Berlin WuM 16, 736). Der Vermieter ist nicht darauf verwiesen, zunächst – was möglich ist (Rn 11) – auf Duldung zu klagen (BGH NJW 15, 2417 [BGH 15.04.2015 - VIII ZR 281/13] Rz 18). Duldet der Mieter unberechtigt keine Mangelbeseitigung oder macht er die Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig, kann er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen (BGH NJW 15, 2419 [BGH 13.05.2015 - XII ZR 65/14] Rz 16 ff).
IV. Prozessuales.
Rn 11
Der Vermieter kann eine Feststellungsklage erheben, um vor Ausführung der Modernisierungsmaßnahme die Zulässigkeit der angekündigten Mieterhöhung gerichtlich klären zu lassen. Muss der Mieter nach § 555a I – oder nach § 555c I – dulden, duldet er aber nicht, ist er auf Duldung zu verklagen (s.a. BGH ZMR 21, 804 Rz 13). Für den Vermieter kann der ermächtigte künftige Eigentümer klagen (BGH NJW 08, 1218 Rz 13). Der Klageantrag auf Duldung ist hinreichend bestimmt, wenn der erstrebte Duldungserfolg sowie der Umfang der zu duldenden Arbeiten in ihren wesentlichen Umrissen und Schritten im Antrag umschrieben werden (BGH NJW 12, 63 [BGH 28.09.2011 - VIII ZR 242/10] Rz 14). Ohne ordnungsgemäße Ankündigung ist eine Duldungsklage abzuweisen (BGH NJW 11, 1220 [BGH 02.03.2011 - VIII ZR 164/10] Rz 14). Ausnahmsweise ist ein Antrag nach § 935 ZPO möglich, zB bei einem Wasserrohrbruch, wenn der Mieter dem Schornsteinfeger den Zutritt zu Revisionsöffnungen untersagt oder weil dringend aus Sicherheitsgründen die Heizanlage repariert werden muss. Der Vermieter muss alle positiven Voraussetzungen eines Duldungsanspruchs beweisen. Der Mieter ist beweispflichtig für Aufwendungs- oder Schadensersatzansprüche bzw die Voraussetzung eines Zurückbehaltungsrechtes wegen fehlender Vorschusszahlung. Will der Mieter nicht dulden, kann er nicht auf die Unterlassungsklage verwiesen werden. Er ...