I. Allgemeines und Zweck.
Rn 20
Der Vermieter kann eine Miete nicht bereits dann erhöhen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete höher ist als die Vertragsmiete. Die von ihm verlangte Miete darf auch nicht die von Verfassung wegen nicht zu beanstandende (BVerfG NJW 86, 1669; BGH ZMR 05, 184, 186) Kappungsgrenze überschreiten. Begriff und Höhe sind in § 558 III geregelt. Ihr Sinn besteht darin, zum Schutz der Mieter einen zu raschen Anstieg solcher Mieten zu vermeiden, die bislang erheblich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lagen (BGH ZMR 19, 661 Rz 22). Die Kappungsgrenze gilt für Mieterhöhungen nach § 558, auch beim Übergang vom preisgebundenen zum preisfreien Wohnraum (BGH WuM 04, 345, 348 [BGH 28.04.2004 - VIII ZR 178/03]), nicht aber für Nutzungsentschädigungen nach § 546a I und für Untermietzuschläge nach § 553 II. Gem § 558 III 1 sind ferner Mieterhöhungen nach den §§ 559–560 ausgenommen.
II. Höhe (§ 558 III 1, 2).
1. Grundsatz (§ 558 III 1).
Rn 21
Die Kappungsgrenze beträgt grds 20 vH.
2. Wirksame Landesverordnung (§ 558 III 2, 3).
a) Überblick.
Rn 22
Ausnw beträgt die Kappungsgrenze nur 15 vH. Dies ist der Fall, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete durch Rechtsverordnung einer Landesregierung bestimmt sind. § 558 III 3 ist § 577a II 2 nachgebildet, der insoweit zur Auslegung herangezogen werden kann. Die Zivilgerichte haben die Wirksamkeit dieser Verordnungen in eigener Prüfungszuständigkeit und -kompetenz zu überprüfen (BGH NJW 16, 476 Rz 20). Unter ›ausreichender Versorgung‹ ist ein annäherndes Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage an Wohnungen, wie sie dem allgemein für Wohnungen der entsprechenden Gegend anzutreffenden Standard entsprechen, zu verstehen (BGH NJW 16, 476 Rz 71). Mit ›angemessenen Bedingungen‹ sind nicht außergewöhnlich niedrige Mieten gemeint, sondern Mieten, die für Wohnungen der entsprechenden Art von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein, also auch außerhalb der gefährdeten Gebiete, tatsächlich aufgebracht werden, und zwar einschließlich etwaiger vom Staat gewährter finanzieller Hilfen (BGH NJW 16, 476 Rz 72). Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist ›gefährdet‹, wenn als Folge der Mangelsituation grds latente Versorgungsschwierigkeiten bestehen (BGH NJW 16, 476 [BGH 04.11.2015 - VIII ZR 217/14] Rz 73; Indizien: höhere Nachfrage als das Angebot, stark angestiegene Nachfragen Wohnungsuchender bei den Ämtern, Zunahme registrierter Fälle von Wohnungslosen, behördliche Bedarfsprognosen, Programme der öffentlichen Hand, Zweckentfremdungsverordnungen, zunehmende Verstöße gegen § 5 WiStG – dazu § 535 Rn 187).
b) Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum.
Rn 23
§ 558 III 3 räumt dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung und Ermittlung für den Erlass der für eine VO maßgeblichen Umstände einen weiten wohnungsmarkt- und sozialpolitischen Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum ein, der anhand der örtlichen Gegebenheiten ausgefüllt werden muss (BGH NJW 16, 476 Rz 103). Dies gilt für die Festlegung der relevanten Gebiete nebst der Auswahl der Bezugsebene (gesamte Gemeinde oder Teile hiervon), aber auch für den zeitlichen Geltungsbereich der VO und für die Auswahl geeigneter methodischer Ansätze. Diese Spielräume überschreitet der Verordnungsgeber erst dann, wenn sich seine Erwägungen nicht mehr innerhalb der Zweckbindung der Ermächtigungsgrundlage bewegen und offensichtlich verfehlt sind (BGH NJW 16, 476 [BGH 04.11.2015 - VIII ZR 217/14] Rz 106).
c) Anwendungsbereich.
Rn 24
Die Verordnungen gelten für alle Erhöhungsverlangen, die ab Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung zugegangen sind (LG München I NJW 14, 1190 [LG München I 08.01.2014 - 14 S 25592/13]).
III. Berechnung.
1. Mietbegriff.
Rn 25
Der Berechnung der Kappungsgrenze ist gem § 558 III nicht die zuletzt geschuldete aktuelle Miete, sondern die 3 Jahre vor Wirksamwerden des Erhöhungsverlangens (§ 558b I) geltende ›Ausgangsmiete‹ zu Grunde zu legen (BGH ZMR 19, 661 Rz 20; NJW 16, 239 Rz 20). Die Ausgangsmiete wiederum bestimmt sich nicht danach, wie sie möglicherweise – fiktiv – hätte gebildet werden können. Maßgeblich ist vielmehr ihr zum Vergleichsstichtag tatsächlich geltender Betrag, ohne dass es zusätzlich darauf ankommt, wie er zustande gekommen ist (BGH NJW 16, 239 Rz 20). Mietminderungen sind unbeachtlich (BGH ZMR 19, 661 Rz 21). Eine fehlerhafte Angabe berührt nicht die formale Wirksamkeit (BGH GE 08, 45). Der Begriff Miete ist entspr dem allgemeinen Sprachgebrauch als ein Betrag ohne zusätzlich vereinbarte Betriebskostenvorauszahlungen zu verstehen. Eine Inklusivmiete ist aber nicht in eine Grundmiete und einen Betriebskostenanteil aufzuteilen (BGH ZMR 04, 327).
2. Mieterhöhungen.
Rn 26
Mieterhöhungen wegen gestiegener Kapitalkosten sind in die Kappungsgrenze einzuberechnen (BGH WuM 04, 348). Erhöhungen nach §§ 559, 560 bleiben hingegen gem § 558 III unberücksichtigt, jedenfalls sofern sie nicht älter als 3 Jahre sind (LG Berlin ZMR 98, 348). Dazu sind die Kosten zunächst auszuklammern und nach Feststellung der Kappungsgrenze wieder hinzuzurechnen (Hamm...