I. Allgemeines.
Rn 2
Der Mieter kann den Mietvertrag gem §§ 569 I 1, 543 fristlos kündigen, wenn der gemietete Wohnraum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen (Rn 4) Gefährdung der Gesundheit verbunden ist (daneben besteht ein Kündigungsrecht aus § 543 II Nr 1). Es handelt sich um eine aus sozialpolitischen Erwägungen zu Gunsten des Mieters aufgenommene Vorschrift (BGHZ 29, 289, 294). § 569 I 1 entspringt dem Bedürfnis der Fürsorge für die Gesundheit des Mieters und seiner Angehörigen (BGH ZMR 04, 338, 339). Seine praktische Bedeutung liegt nicht nur auf bürgerlich-rechtlichem Gebiet. Er ist auch als Stütze für polizeiliche Maßnahmen gedacht und soll dem Mieter eine Handhabe dafür bieten, die Instandhaltung der Wohnung beim Vermieter durchzusetzen (LG Berlin ZMR 02, 752, 753). Das Recht gem §§ 569 I 1, 543 steht grds auch dem (gewerblichen) Zwischen- im Verhältnis zum Hauptvermieter zu (BGH ZMR 04, 338, 339).
II. Betroffene Räume.
Rn 3
Bei den betroffenen Räumen kann, muss es sich aber nicht um Wohnräume handeln. § 578 II 2 erklärt § 569 I außerdem auf Räume, die nicht Wohnräume sind, für anwendbar, falls sie zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Es kann sich daher auch um andere nach ihrer Zweckbestimmung zum Aufenthalt von Menschen bestimmte Räume handeln, zB Büroräume (Brandbg ZMR 17, 387), Gaststätten oder Wartezimmer (Kobl NJW-RR 92, 1228), aber auch eine Lagerhalle (Ddorf MietRB 16, 223). Ausreichend ist, dass sich bei vertragsgemäßem Gebrauch der Mieträume Menschen zumindest vorübergehend in den Räumen aufhalten. Der Aufenthalt von Menschen braucht aber nicht der einzige und nicht einmal der vorherrschende Zweck zu sein. Ob die Räume tatsächlich zum Aufenthalt genutzt werden, ist nicht entscheidend (KG ZMR 04, 259). Ist nur ein Teil der Räume betroffen, kommt es darauf an, ob dadurch die Benutzbarkeit der Wohnung im Ganzen beeinträchtigt ist (LG Berlin GE 05, 57). Ferner kommt es darauf an, welche Bedeutung die Räume für den Mieter haben (Celle MDR 64, 924). Die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung dringt ferner nur dann durch, wenn diese auf einer dauernden Eigenschaft der Mieträume beruht (LG Berlin ZMR 02, 752).
III. Erheblichkeit.
Rn 4
Eine Gesundheitsgefährdung ist erheblich, wenn die weitere Benutzung der Räume mit bedeutenden gesundheitlichen Gefahren verbunden ist. Wann eine Gesundheitsgefährdung idS als erheblich anzusehen ist, richtet sich nach objektiven Maßstäben (Brandbg ZMR 17, 387; KG ZMR 04, 513, 514), dh ohne Rücksicht auf den individuellen Zustand einzelner Mieter (LG Berlin ZMR 02, 752). Maßstab sind nicht besondere Empfindlichkeiten, etwa Allergien, sondern der Zustand eines durchschnittlichen Menschen. Eine erhebliche Gefährdung besonderer Personenkreise, wie zB von Säuglingen, Kleinkindern oder alten Menschen genügt. Für die Beurteilung kommt es auf den gegenwärtigen Stand der medizinischen Erkenntnis an (Brandbg ZMR 17, 387), unabhängig davon, ob dieser bei Vertragsschluss galt (BVerfG ZMR 98, 687). Das Wohlbefinden des Benutzers der Räume muss durch den Mangel deutlich und nachhaltig beeinträchtigt sein (Ddorf ZMR 02, 46, 47). Etwa bei einer Gesundheitsgefährdung durch starke Feuchtigkeit ist es für die Beurteilung der Erheblichkeit maßgebend, wie nachhaltig eine Gefährdung ist (KG ZMR 04, 513, 514). Droht lediglich eine leichte Erkältung, muss die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Risiko verwirklicht, wesentlich größer sein als im Fall einer Lebensgefährdung. Prüfstein ist, ob die Wohnung für jeden Mieter hinnehmbar ist. Die Gesundheitsgefahr muss für alle Bewohner oder Benutzer oder einzelne Gruppen von ihnen erheblich sein. Verschulden oder auch Verursachung durch den Vermieter ist nicht erforderlich (LG Lübeck ZMR 02, 431, 432). Die erhebliche Gesundheitsgefährdung muss konkret drohen. Die Gesundheit muss zwar noch nicht geschädigt sein (Ddorf MietRB 16, 223); eine Schädigung muss aber zu befürchten sein und nahe bevorstehen (Brandbg ZMR 17, 387; 09, 190; Ddorf MietRB 10, 134; KG ZMR 04, 259, 260). Die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Beeinträchtigung der Gesundheit zu befürchten sein muss, hängt von der Schwere der in Rede stehenden Gesundheitsbeeinträchtigung ab. Besteht eine Lebensgefahr, etwa wegen eines Deckeneinsturzes, kann es ausreichen, wenn die Gefahr nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung ist eine fristlose Kündigung hingegen erst begründet, wenn die zu erwartenden Gesundheitsbeeinträchtigungen im Falle der Gefahrverwirklichung erheblicher Art sind (AG Saarlouis WuM 90, 389 [AG Saarlouis 29.09.1989 - 24 b C 437/89 H]). Eine Anscheinsgefahr reicht zwar nicht. Dennoch genügt es, wenn der Mieter vernünftigerweise vom Bestehen einer erheblichen Gefahr ausgehen muss, unabhängig davon, ob diese tatsächlich gegeben ist oder nicht. Die Kündigung ist daher selbst dann wirksam, wenn sich später die Unbegründetheit des Verdachtes herausstellt (LG Lübeck ZMR 02, 431, 432). Bsp für eine Gesundheitsgefährdung sind ua: