I. Hausfrieden.
Rn 9
Hausfrieden erfordert nach hM gegenseitige Rücksichtnahme, die das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus überhaupt erst erträglich macht (KG ZMR 04, 261, 262; LG München I NZM 13, 25, 26). Jede Vertragspartei muss sich so verhalten, dass die andere nicht mehr beeinträchtigt wird, als dies nach den konkreten Umständen unvermeidlich ist (BGH NJW 15, 1239 [BGH 18.02.2015 - VIII ZR 186/14] Rz 13; § 535 Rn 64). Die Einzelheiten werden durch die vertraglichen Vereinbarungen und die Verkehrssitte bestimmt.
II. Störung.
Rn 10
Der Hausfrieden (Rn 9) wird gestört, wenn eine der Vertragsparteien in schwerwiegender Weise gegen ihre Pflichten aus dem Mietvertrag verstößt (BGH NJW 15, 1239 [BGH 18.02.2015 - VIII ZR 186/14] Rz 13). Beim Mieter ist das va die Pflicht aus § 241 II, sich beim Gebrauch der Mietsache (§ 535 Rn 157 ff) so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden (§ 535 Rn 10); auf ein Verschulden kommt es nicht an (BGH NZM 05, 300, 301 [BGH 08.12.2004 - VIII ZR 218/03]; LG Hamburg WuM 21, 486; s.a. BGH NJW 16, 2805 [BGH 29.06.2016 - VIII ZR 173/15] Rz 17); dieses ist aber bei der Zumutbarkeitserwägung (Rn 12) zu berücksichtigen (KG ZMR 04, 261, 263; AG Düren WuM 10, 627). Eine Störung kann daher auch dann vorliegen, wenn diese durch einen krankheitsbedingt verwirrten oder psychisch kranken Mieter verursacht wird (LG München I ZMR 16, 449). Liegt es so, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des GG und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen (BGH NZM 05, 300, 301 [BGH 08.12.2004 - VIII ZR 218/03]). Die Verpflichtung zur Toleranz endet dort, wo durch das Verhalten des psychisch erkrankten Mieters die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet wird (LG Hamburg WuM 21, 486). Jede Vertragspartei muss sich die Störungen des Hausfriedens zurechnen lassen, die ihr Verhalten verursacht hat oder die adäquat darauf zurückgehen. Dem Mieter sind daher Störungen des Untermieters oder des Mitbenutzers, zB Kinder (aA LG Berlin ZMR 22, 799), der Räume zuzurechnen (LG München I ZMR 16, 449) sowie die Störungen von Erfüllungsgehilfen. Besucher, die sich im Einverständnis mit dem Mieter in der Wohnung aufhalten, sind im Hinblick auf die Einhaltung des Hausfriedens als Erfüllungsgehilfen anzusehen (BGH NZM 20, 885 [BGH 25.08.2020 - VIII ZR 59/20] Rz 23; 17, 26 Rz 17). Anders ist es ggf auch nicht, wenn nur einer von mehreren Mietern stört (so zum Bruchteilseigentümer BGH NZM 18, 1024 [BGH 14.09.2018 - V ZR 138/17] zu § 18 WEG).
III. Nachhaltig.
Rn 11
Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt voraus, dass eine Mietpartei die gem. § 241 II aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletzt (BGH WuM 24, 139 [BGH 29.11.2023 - VIII ZR 211/22] Rz 24; NJW-RR 21, 1093 [BGH 22.06.2021 - VIII ZR 134/20] Rz 19; NZM 20, 885 [BGH 25.08.2020 - VIII ZR 59/20] Rz 19). Eine Störung ist jedenfalls dann nachhaltig, wenn sie zu einem Dauerzustand wird. Im Einzelfall reicht es aber auch aus, dass sie häufiger vorkommt. Einzelne Störungen oder solche, die nur ganz vereinzelt auftreten, genügen hingegen für eine Kündigung grds nicht (LG München I NZM 13, 25, 26). Bei Straftaten oder schwerwiegenden Verstößen kann ausnahmsweise aber auch etwas anderes gelten (LG München I NZM 13, 25, 26 [LG München I 10.10.2012 - 14 S 9204/12]). Ein ›Wohlverhalten‹ nach einer Kündigung ändert an der Nachhaltigkeit nichts (LG Karlsruhe IMR 13, 361).
IV. Unzumutbarkeit.
Rn 12
S zunächst § 543 Rn 1. Wann eine nachhaltige (Rn 11) Störung (Rn 10) des Hausfriedens (Rn 9) unzumutbar ist, entzieht sich einer Definition und ist stets das Ergebnis einer – sorgfältigen! – wertenden Betrachtung (BGH NJW 14, 2566 Rz 15). Herauszuarbeiten ist, was jeweils für die andere Partei spricht, zB: Alter, Dauer des Mietvertrags, Grad eines etwaigen Verschuldens, Krankheit, Häufigkeit, Dauer und Schwere des Pflichtverstoßes. Bei der Abwägung sind die Wertungen des Grundgesetzes (BGH NZM 05, 300, 301), ua der Gesichtspunkt des Rechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art 2 II GG) sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Art 2 I GG), das Sozialstaatsprinzip, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen, so dass zB auch zu prüfen ist, ob die Störungen eines krankheitsbedingt verwirrten Mitbewohners bei grundgesetzorientierter Wertung noch als hinnehmbar angesehen werden können (Karls MDR 00, 578; AG Lichtenberg IMR 14, 419; AG Düren WuM 10, 627). Im Rahmen der Abwägung sind ferner die Interessen der übrigen Hausbewohner zu berücksichtigen (BGH NZM 05, 300, 301 [BGH 08.12.2004 - VIII ZR 218/03]; AG Lichtenberg IMR 14, 419). Wenn eine Seite die Pflichtverletzung der anderen ›provoziert‹, ist dem Provokateur eine Fortsetzung des Mietvertrags idR nicht unzumutbar (BGH ...