I. Anwendungsbereich und Zweck.
Rn 26
§ 569 IV gilt für sämtliche außerordentlichen fristlosen Kündigungen von Wohnraum (s § 557 Rn 3), einschließlich § 549 II, III; s ferner § 543 Rn 29. Die von § 569 IV geforderte Angabe soll es dem Kündigungsempfänger ermöglichen, zu erkennen, auf welche Vorgänge oder auf welches Verhalten die fristlose Kündigung gestützt ist (BGH NJW 04, 850, 851 [BGH 22.12.2003 - VIII ZB 94/03]; LG Freiburg NJOZ 15, 960).
II. Inhalt.
Rn 27
Da es um keine ›Erläuterung‹, sondern um eine bloße ›Angabe‹ geht, dürfen ›keine zu hohen und übertrieben formalistischen Anforderungen‹ gestellt werden (BGH NJW 10, 3015 Rz 26; grundlegend 04, 850, 851; s.a. BayVerfGH NZM 13, 267, 268). Etwa zu einer Belehrung über die gesetzlichen Voraussetzungen ist der Kündigende nicht verpflichtet. Der Kündigende muss auch die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietvertrags iSv § 543 I 2 nicht näher erläutern (BGH NJW 09, 2297 [BGH 29.04.2009 - VIII ZR 142/08] Rz 7). Ist der Kündigung eine Abmahnung vorausgegangen, muss auch darauf nicht eingegangen werden (str). Für eine Angabe notwendig, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dem Kündigungsempfänger mitzuteilen, auf welche Vorgänge oder auf welches Verhalten die fristlose Kündigung gestützt ist (BGH NJW 10, 3015 Rz 26). Die Angabe muss dabei so sein, dass der behauptete Kündigungsgrund von anderen Gründen abgegrenzt ist (BGH NJW 10, 3015 Rz 36; LG Berlin ZMR 11, 550). Häufig reicht für diese Anforderung ein ›Schlagwort‹. Die Bezugnahme auf ein früheres, dem Anderen zugegangenes Schreiben genügt (BVerfG NJW 92, 1877, 1878 [BVerfG 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91]; BGH NJW 11, 1065 [BGH 02.02.2011 - VIII ZR 74/10] Rz 14).
Rn 28
Überblick:
- Bei § 543 I 1 ist anzugeben, welcher Grund ›wichtig‹ sein soll. Geht es zB um die wiederholte unpünktliche Zahlung der Miete (dazu BGH NJW 06, 1585 [BGH 11.01.2006 - VIII ZR 364/04]), ist anzugeben, welche Mieten der Vermieter als verspätet ansieht. Behauptet der Kündigende, dass die den Mietvertrag tragende ›Vertrauensgrundlage‹ zerrüttet ist, ist anzugeben, auf welches Verhalten der Kündigende dies stützt.
- Wenn einer der in § 569 IIa oder § 543 II 1 Nr 1–3 aufgeführten Tatbestände vorliegt, reicht deren bloße Angabe (BGH NJW 09, 2297 [BGH 29.04.2009 - VIII ZR 142/08] Rz 7). Zur Wirksamkeit einer auf Mietzahlungsverzug (§ 543 II 1 Nr 3) gestützten Kündigung reicht es mithin, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass er diesen Rückstand als gesetzlichen Grund für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht. Darüber hinausgehende Angaben sind selbst dann nicht erforderlich, wenn es sich nicht um eine klare und einfache Sachlage handelt (BGH NJW 11, 296 Rz 10; NJW 10, 3015 Rz 32 ff). Die Angabe von Einzelheiten wie das Datum des Verzugseintritts oder eine Aufgliederung des Mietrückstandes für einzelne Monate ist entbehrlich (BGH ZMR 04, 254, 255). Eine fehlerhafte Berechnung des Rückstandes hat keinen Einfluss auf die formale Wirksamkeit der Kündigung (BGH NJW 10, 3015 [BGH 12.05.2010 - VIII ZR 96/09] Rz 38).
- Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag (§ 543 III 1), ist die Pflichtverletzung – ggf nach ›Zeit‹, ›Ort‹ und ›Gegenstand‹ – zu konkretisieren (s.a. § 573 Rn 46).
- Bei § 569 I 1 muss erkennbar sein, dass der Mieter eine Erkrankung auf die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung zurückführt (BGH WuM 05, 584 [BGH 22.06.2005 - VIII ZR 326/04]).
- Bei § 569 II ist – ggf nach ›Zeit‹, ›Ort‹ und ›Gegenstand‹ – anzugeben, was den Hausfrieden stört. Bei Lärmstörungen ist zB anzugeben, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten (s.a. BGH NJW 12, 1647 [BGH 29.02.2012 - VIII ZR 155/11] Rz 17); der Vorlage eines ›Protokolls‹ bedarf es dazu nicht (BGH NZM 12, 760 [BGH 20.06.2012 - VIII ZR 268/11] Rz 18; aA LG Stuttgart IMR 07, 71; LG Bonn WuM 92, 18 [LG Bonn 02.09.1991 - 6 S 167/91]).
III. Fehlende Angaben; nachgeschobene Gründe.
Rn 29
Ohne Angabe oder ohne eine ausreichende Angabe des wichtigen Grundes ist die Kündigung unwirksam (BGH NJW 04, 850, 851 [BGH 22.12.2003 - VIII ZB 94/03]); eine Heilung ist nicht möglich. Der Kündigungsgrund kann wegen §§ 568 I, 569 IV nicht ›nachgeschoben‹ werden. Will der Kündigende seine Erklärung auf einen nicht im Kündigungsschreiben angegebenen, aber bereits bestehenden Grund stützen (§ 573 III 2 ist nicht entsprechend anwendbar), muss er daher erneut kündigen.