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Eine Gesundheitsgefährdung ist erheblich, wenn die weitere Benutzung der Räume mit bedeutenden gesundheitlichen Gefahren verbunden ist. Wann eine Gesundheitsgefährdung idS als erheblich anzusehen ist, richtet sich nach objektiven Maßstäben (Brandbg ZMR 17, 387; KG ZMR 04, 513, 514), dh ohne Rücksicht auf den individuellen Zustand einzelner Mieter (LG Berlin ZMR 02, 752). Maßstab sind nicht besondere Empfindlichkeiten, etwa Allergien, sondern der Zustand eines durchschnittlichen Menschen. Eine erhebliche Gefährdung besonderer Personenkreise, wie zB von Säuglingen, Kleinkindern oder alten Menschen genügt. Für die Beurteilung kommt es auf den gegenwärtigen Stand der medizinischen Erkenntnis an (Brandbg ZMR 17, 387), unabhängig davon, ob dieser bei Vertragsschluss galt (BVerfG ZMR 98, 687). Das Wohlbefinden des Benutzers der Räume muss durch den Mangel deutlich und nachhaltig beeinträchtigt sein (Ddorf ZMR 02, 46, 47). Etwa bei einer Gesundheitsgefährdung durch starke Feuchtigkeit ist es für die Beurteilung der Erheblichkeit maßgebend, wie nachhaltig eine Gefährdung ist (KG ZMR 04, 513, 514). Droht lediglich eine leichte Erkältung, muss die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Risiko verwirklicht, wesentlich größer sein als im Fall einer Lebensgefährdung. Prüfstein ist, ob die Wohnung für jeden Mieter hinnehmbar ist. Die Gesundheitsgefahr muss für alle Bewohner oder Benutzer oder einzelne Gruppen von ihnen erheblich sein. Verschulden oder auch Verursachung durch den Vermieter ist nicht erforderlich (LG Lübeck ZMR 02, 431, 432). Die erhebliche Gesundheitsgefährdung muss konkret drohen. Die Gesundheit muss zwar noch nicht geschädigt sein (Ddorf MietRB 16, 223); eine Schädigung muss aber zu befürchten sein und nahe bevorstehen (Brandbg ZMR 17, 387; 09, 190; Ddorf MietRB 10, 134; KG ZMR 04, 259, 260). Die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Beeinträchtigung der Gesundheit zu befürchten sein muss, hängt von der Schwere der in Rede stehenden Gesundheitsbeeinträchtigung ab. Besteht eine Lebensgefahr, etwa wegen eines Deckeneinsturzes, kann es ausreichen, wenn die Gefahr nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung ist eine fristlose Kündigung hingegen erst begründet, wenn die zu erwartenden Gesundheitsbeeinträchtigungen im Falle der Gefahrverwirklichung erheblicher Art sind (AG Saarlouis WuM 90, 389 [AG Saarlouis 29.09.1989 - 24 b C 437/89 H]). Eine Anscheinsgefahr reicht zwar nicht. Dennoch genügt es, wenn der Mieter vernünftigerweise vom Bestehen einer erheblichen Gefahr ausgehen muss, unabhängig davon, ob diese tatsächlich gegeben ist oder nicht. Die Kündigung ist daher selbst dann wirksam, wenn sich später die Unbegründetheit des Verdachtes herausstellt (LG Lübeck ZMR 02, 431, 432). Bsp für eine Gesundheitsgefährdung sind ua:
- Baufälligkeit oder Einsturzgefahr (Ddorf MietRB 16, 223; KG ZMR 04, 259, 260);
- ggf Feinstaub (BGH NJW 15, 1239 [BGH 18.02.2015 - VIII ZR 186/14] Rz 16; 15, 2023);
- hohe Feuchtigkeit;
- belastende Gerüche;
- erheblicher Lärm (BGHZ 29, 289);
- rostiges Leitungswasser;
- Rauchgase;
- ob Schwamm- und Schimmelpilzbildung eine Gesundheitsgefährdung darstellen, wird in der Rspr nicht einheitlich beurteilt (bejahend LG München NJW-RR 91, 975, 976; LG Düsseldorf WuM 89, 13 [LG Düsseldorf 09.09.1988 - 21 S 625/87]; AG Köln WuM 86, 94; verneinend KG KGR 04, 81; AG Osnabrück WuM 84, 199 [AG Osnabrück 31.10.1983 - 13 C 675/83]; differenzierend LG Mannheim WuM 88, 360 [LG Mannheim 25.11.1987 - 4 S 8/87]). Die Frage lässt sich nicht allgemein beantworten und kann meist nur durch ein medizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden (BGH NJW 07, 2177 [BGH 18.04.2007 - VIII ZR 182/06] Rz 30; LG Berlin GE 02, 532);
- erhebliche Temperaturmängel (Ddorf ZMR 98, 622);
- starker Tierbefall, zB Ungeziefer oder Tauben;
- verkehrsunsichere Fußböden oder Treppen;
- Verstöße gegen baupolizeiliche Vorschriften, die über die Sicherheit des Gebäudes hinaus dem gesundheitlichen Schutz von Menschen dienen sollen.