Rn 57
Auch für den Arbeitsvertrag gelten die §§ 134 und 138. Typische Anwendungsfälle von § 134 sind etwa Verstöße gegen europa- und verfassungsrechtliche Grundrechte (zB geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung entgegen Art 157 AEUV und Art 3 GG, BAG NZA 96, 653 [BAG 07.11.1995 - 3 AZR 1064/94]) oder nationale Verbotsgesetze (zB Benachteiligungsverbot des § 4 TzBfG, BAG BeckRS 14, 70029) sowie das Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis (zB Arbeitserlaubnis, vgl ErfK/Preis § 611a Rz 362). Auch Scheinverträge sind nach § 117 nichtig (BAG NZA 21, 37 [BAG 14.10.2020 - 5 AZR 409/19]). Ein Verstoß gegen ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverbot (zB § 3 MuSchG) führt hingegen nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrags nach § 134, sondern nur zu einem Ruhen der vertraglichen Hauptpflichten; Nebenpflichten und Betriebszugehörigkeit bleiben aufrechterhalten (BAG DB 01, 486; ErfK/Schlachter § 3 MuSchG Rz 2). Typische Fälle eines Verstoßes gegen § 138 sind (1) auf sittenwidrige Leistung gerichtete Arbeitsverträge (BAG DB 76, 2479 [BAG 01.04.1976 - 4 AZR 96/75]); (2) Überwälzung des Betriebs- oder Wirtschaftsrisikos auf den ArbN durch Vereinbarung einer Verlustbeteiligung (BAG DB 91, 659); (3) erfolgsabhängiges Entgelt, wenn der ArbN selbst durch vollen Einsatz seiner Arbeitskraft kein ausreichendes Einkommen erzielen kann (BAG DB 12, 1877); (4) eine übermäßige Vertragsbindung des ArbN (BAG NZA 18, 297). (5) Wucher iSd § 138 II liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 des in der betreffenden Branche oder Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht (BAG DB 12, 1879). Dies gilt auch nach Einführung des MiLoG seit 1.1.15 (BAG NZA 16, 494; Bayreuther NZA 14, 865; Rn 75); für Verstöße gegen das MiLoG gilt § 134.
Rn 58
Folge der Nichtigkeit einzelner Vertragsregelungen ist idR nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrags gem § 139. Wird von einer zwingenden gesetzlichen Regelung gem § 134 abgewichen, so gilt diese. Häufig hilft die Rspr auch mit ergänzender Vertragsauslegung zu Gunsten des durch die Vertragsgestaltung benachteiligten ArbN, etwa mit einer ›Anpassung nach oben‹ bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz (Rn 50). Bei Willensmängeln oder arglistiger Täuschung kommt auch eine Anfechtung des Arbeitsvertrags in Betracht (Rn 53, § 620 Rn 3). Dann bestand für die Vergangenheit für die Dauer der Tätigkeit (BAG NZA 99, 584 [BAG 03.12.1998 - 2 AZR 754/97]) ein faktisches Arbeitsverhältnis, welches jedoch mit der Anfechtung ohne Einhaltung von Fristen endet (BAG NZA 98, 584).