Rn 99
Die Schadensabwendungspflicht als Teil der Fürsorgepflicht verpflichtet den ArbG, Vorkehrungen zum Schutz von Leben, Gesundheit und Persönlichkeit der ArbN zu treffen (§ 618 Rn 2), iRd Zumutbaren ihre Gegenstände vor Beschädigung zu schützen (BAG NZA 00, 1052) und vor drohenden Gefahren zu warnen (BAG NZA 09, 193 [BAG 28.08.2008 - 2 AZR 15/07]). Der ArbG darf auch selbst keine Rechtsgüter verletzen, Zurechnung bei Erfüllungsgehilfen nach § 278 (BAG NZA 00, 1053 [BAG 25.05.2000 - 8 AZR 518/99]). Schafft der ArbG selbst eine Gefahrenlage, muss er Vorkehrungen treffen, um Schädigung der ArbN zu verhindern (BAG NZA 18, 708). (1.) Besondere Ausformungen der Schadensabwendungspflicht regelt § 12 AGG zur Verhinderung von Diskriminierungen (iE § 12 AGG Rn 2 ff). (2.) Soweit der ArbG Auskünfte erteilt, müssen sie richtig und vollständig sein (BAG NZA 17, 528; NZA-RR 15, 588 [BAG 21.05.2015 - 6 AZR 349/14]; NZA 03, 687; zum Schadensersatzanspruch bei fehlerhafter Auskunft: BAG NZA 17, 528 [BAG 15.12.2016 - 6 AZR 578/15]); von sich aus unterrichten muss der ArbG jedoch nur bei besonderen Gefahrensituationen (BAG NZA 09, 608 [BAG 22.01.2009 - 8 AZR 161/08]; 02, 1047 [BAG 13.11.2001 - 9 AZR 442/00]); die Interessen des ArbG und des ArbN sind gegeneinander abzuwägen (BAG NZA 01, 206). Praxisrelevant ist dies bei Aufhebungsverträgen auf Initiative und im Interesse des ArbG (BAG NZA 03, 687), wenn erhebliche Versorgungseinbußen aufgrund vom ArbG gesetzter Regelungen drohen (BAG NZA 01, 206). Kann der ArbN das Problem erkennen und eingehende Beratung an anderer Stelle erlangen, besteht keine Hinweis- und Auskunftspflicht des ArbG (BAG NZA 01, 206 [BAG 17.10.2000 - 3 AZR 605/99]). Der ArbG muss den ArbN nicht von sich aus auf seinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung hinweisen (BAG NZA 14, 903 [BAG 21.01.2014 - 3 AZR 807/11]). Gesetzliche Auskunfts- und Unterrichtungspflichten bestehen ua nach § 81 I 2, IV BetrVG (Arbeitsaufgabe), § 82 II 1 BetrVG (Berechnung des Entgelts) u § 83 I 1 BetrVG (Einsicht in Personalakten). Entspr Art 15 I DSGVO, § 34 BDSG kann der ArbN Auskunft über seine personenbezogenen Daten und eine Kopie verlangen (BAG NZA 21, 1053 [BAG 27.04.2021 - 2 AZR 342/20]). Der ArbG muss überholte Abmahnungen, wenn sie in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden sind (BAG NZA 13, 91 [BAG 19.07.2012 - 2 AZR 782/11]), ferner Unterlagen, die unrichtig oder ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis sind, aus der Personalakte entfernen (BAG NZA 08, 367 [BAG 16.10.2007 - 9 AZR 110/07]). (4.) Bei Verletzung von Nebenpflichten kann der ArbN ein Zurückbehaltungsrecht gem § 273 oder ein Leistungsverweigerungsrecht haben, bei Verschulden auch einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den ArbG. (5.) Bei Personenschäden aus Arbeitsunfällen außerhalb des allg Verkehrs gelten Besonderheiten im Arbeitsrecht: gem § 104 SGB VII ist der ArbG über die Berufsgenossenschaften – außer im Falle vorsätzlich verursachter Körperverletzung (BAG DB 03, 724; erforderlich ›doppelter Vorsatz‹, BAG NZA 20, 745, Anm Lingemann ArbR Aktuell 19, 612) – von der Haftung freigestellt (BGH VersR 12, 714; 04, 381; § 839 Rn 45), auch ein Schmerzensgeldanspruch besteht nicht (BVerfG NJW 73, 502 [BVerfG 07.11.1972 - 1 BvR 338/68]). Stattdessen hat der ArbN öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft (nicht auf Schmerzensgeld). Mittelbar Geschädigte und Hinterbliebene haben abw von §§ 844, 845 keine Ansprüche gegen den ArbG, § 104 I SGB VII. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Arbeitsunfalls können Sozialversicherungsträger den Schädiger in Regress nehmen (§ 110 SGB VII), so regelmäßig bei Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften (BGH VersR 84, 775; 83, 440; BAG NZA 20, 745).