I. Kündigung ›wegen‹ Betriebsübergangs.
Rn 34
IV 1 verbietet Kündigungen des Arbeitsverhältnisses ›wegen‹ des Betriebs(teil)übergangs, dh wenn der Betriebs(teil)übergang tragender Grund und nicht nur äußerer Anlass für die Kündigung ist (BAG NZA 06, 672 [BAG 27.10.2005 - 8 AZR 568/04] mwN). Das Kündigungsverbot gilt unabhängig von der Anwendbarkeit des KSchG (§ 13 III KSchG), somit auch in der Wartezeit (§ 1 KSchG) und in Kleinbetrieben (§ 23 I 2 ff KSchG; § 620 Rn 51 f).
Rn 35
Kündigungen aus anderen Gründen, also personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigungen nach § 1 II KSchG (§ 620 Rn 54 ff), sind gleichwohl zulässig (IV 2). Bei Kündigung wegen Betriebsstilllegung muss die Stilllegung bei Kündigungszugang greifbare Formen angenommen haben und die Prognose gerechtfertigt sein, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der ArbN nicht mehr eingesetzt werden kann (BAG NZA-RR 12, 570 [BAG 15.12.2011 - 8 AZR 692/10]). Ändert sich während der Kündigungsfrist diese Prognose, insb durch Übergang nach § 613a und Fortführung des Betriebes, kann ein Wiedereinstellungsanspruch bestehen (BAG DB 12, 696, Anm Krieger ArbR 12, 170; § 620 Rn 98 f), jedoch nicht in Kleinbetrieben (BAG NZA 18, 436) oder bei Veräußerung in der Insolvenz (BAG NZA 22, 1201 [BAG 25.05.2022 - 6 AZR 224/21]). Wird nur der nicht übergehende Betriebsteil stillgelegt, erstreckt sich die Sozialauswahl auch auf den übergehenden Betriebsteil (BAG NZA 05, 285 [BAG 28.10.2004 - 8 AZR 391/03]). Im Insolvenzfall können betriebsbedingte Kündigungen des Veräußerers auch mit dem Sanierungskonzept des Erwerbers begründet werden (vgl BAG NZA 03, 1027; 97, 148 [BAG 18.07.1996 - 8 AZR 127/94]). Unklar ist, ob dies nur gilt, wenn das Konzept auch vom Veräußerer hätte durchgeführt werden können (so BAG DB 83, 2691; anders möglicherweise BAG NZA 03, 1027 [BAG 20.03.2003 - 8 AZR 97/02]).
Rn 36
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung ist ihr Zugang (BAG NZA 07, 1287 [BAG 24.08.2006 - 8 AZR 317/05]).
II. Prozessuales.
Rn 37
Klagegegner einer auf IV und das KSchG gestützten Kündigungsschutzklage ist der ArbG, der die Kündigung ausgesprochen hat (BAG ArbR 11, 535; NZA 99, 706 [BAG 18.03.1999 - 8 AZR 306/98]). Hat er das Arbeitsverhältnis allerdings nach dem Betriebsübergang erst gekündigt, ist die Klage unbegründet, weil kein Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer mehr besteht (BAG NZA 14, 1095 [BAG 20.03.2014 - 8 AZR 1/13]; 11, 804 [BAG 27.01.2011 - 2 AZR 826/09]). Hat der Veräußerer das Arbeitsverhältnis vor dem Betriebsübergang gekündigt, bleibt er trotz Betriebsübergangs Beklagter der Kündigungsschutzklage (BAG ArbR 11, 535 [BAG 11.08.2011 - 9 AZN 806/11]; NZA 07, 328). In diesen Fällen gilt im Verhältnis zum Erwerber: Ist er nach Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage gegen den Veräußerer dessen Rechtsnachfolger geworden, muss er gem § 325 ZPO ein rechtskräftiges Urt gegen sich gelten lassen. § 325 ZPO gilt jedoch nicht bei Betriebsübergang vor Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage gegen den Veräußerer (BAG NZA 99, 708, 648 [BAG 10.02.1999 - 2 ABR 31/98]). Dann muss der ArbN trotz gewonnenen Kündigungsschutzprozesses gegen den Veräußerer auch noch den Erwerber auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses verklagen, sofern dieser sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft (LAG Hamm NZA-RR 02, 85 [LAG Köln 28.03.2001 - 8 Sa 405/00]; MüKo/Müller-Glöge § 613a Rz 215). In Zweifelsfällen sollte der ArbN daher Betriebsveräußerer und Betriebserwerber verklagen. Zu den Klaganträgen bei Kündigung nach Widerspruch gem § 613a Abs 6 BAG NZA 16, 366 [BAG 24.09.2015 - 2 AZR 562/14]. Der Veräußerer kann auch einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG stellen, wenn der Auflösungszeitpunkt vor dem Betriebsübergang liegt (BAG NZA 05, 1180 [BAG 24.05.2005 - 8 AZR 246/04]). Ein vom beklagten Veräußerer nach Betriebsübergang geschlossener Beendigungsvergleich wird gegenüber dem Erwerber durch dessen Genehmigung wirksam (BAG NZA 07, 328 [BAG 24.08.2006 - 8 AZR 574/05]). Im Beschlussverfahren wird der Erwerber mit dem Übergang automatisch Beteiligter (BAG NZA 09, 254 [BAG 09.12.2008 - 1 ABR 75/07]).