Rn 48
Innerhalb eines Monats nach Zugang ordnungsgemäßer Unterrichtung kann der ArbN dem Übergang des Arbeitsverhältnisses schriftlich (§ 126; begl Abschrift Anwaltsschriftsatz genügt, BAG NZA 06, 1409 [BAG 13.07.2006 - 8 AZR 382/05]) widersprechen (VI). Die Frist gilt entsprechend für Fortsetzungsverlangen ggü dem Erwerber (BAG NZA 11, 1162 [BAG 27.01.2011 - 8 AZR 326/09]). Bei gesetzlichem Arbeitgeberwechsel zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen muss gem Art 12 I GG ein Widerspruchsrecht oÄ vorgesehen werden (BVerfG NZA 11, 400 [BVerfG 25.01.2011 - 1 BvR 1741/09]).
Rn 49
Die Monatsfrist beginnt mit Zugang ordnungsgemäßer (Rn 38 ff, 43) Unterrichtung, Adressat des Widerspruchs ist letzter (BAG NZA 15, 481 [BAG 11.12.2014 - 8 AZR 943/13]) bisheriger oder neuer Betriebsinhaber. Bei mehreren Betriebsübergängen nacheinander kann der ArbN erst nach Widerspruch gegen den letzten Übergang den vorherigen Übergängen widersprechen (BAG NZA 16, 647). Die Monatsfrist läuft grds ab letztem Betriebsübergang (BAG NZA 16, 647 [BAG 19.11.2015 - 8 AZR 773/14]). Ein Widerspruch kann nicht widerrufen, mit Vorbehalt versehen oder vom Veräußerer und ArbN aufgehoben werden (BAG NZA 10, 761 [BAG 12.11.2009 - 8 AZR 530/07]; 09, 1095 [BAG 19.02.2009 - 8 AZR 176/08]), Anfechtung nach § 119 ff ist möglich (BAG NJW 12, 1677 [BAG 15.12.2011 - 8 AZR 220/11]). Er ist auch wirksam ohne sachlichen Grund (Rn 50), aber rechtsmissbräuchlich, wenn der ArbN zuvor dem Betriebsübergang zugestimmt hatte (BAG NZA 84, 32), Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber erhebt (BAG NZA 14, 774 [BAG 17.10.2013 - 8 AZR 974/12]), Schädigungsabsicht besteht (BAG NZA 09, 1095 [BAG 19.02.2009 - 8 AZR 176/08]) oder ein Massenwiderspruch weitergehende Rechte als den gesetzlichen Bestandsschutz erzwingen soll (BAG NZA 05, 43 [BAG 30.09.2004 - 8 AZR 462/03]). Verzicht auf Widerspruchsrecht kann nach Grundlagenunterrichtung (Hauck AuA 04, Heft 6, 14 ff; offengelassen in BAG NZA 19, 1279) schriftlich erklärt werden, er muss eindeutig und zweifelsfrei sein (BAG NZA 19, 1279 [BAG 20.03.2019 - 7 AZR 409/16]).
Rn 50
Das Arbeitsverhältnis des Widersprechenden bleibt beim Veräußerer. Der Widerspruch wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (BAG NZA 10, 1295 [BAG 20.05.2010 - 8 AZR 734/08]). Mit dem Betriebsübergang fällt der Arbeitsplatz für den widersprechenden ArbN beim Veräußerer weg, dieser kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (§ 620 Rn 74 ff) betriebsbedingt kündigen (BAG NZA 08, 33 [BAG 31.05.2007 - 2 AZR 276/06]). Besonderheiten: unvollständige Unterrichtung nach V hindert Kündigung nicht (Rn 46); auf fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (§ 620 Rn 77) kann sich der Veräußerer eines Betriebsteils gem § 162 nicht berufen, wenn er mit Widerspruch des ArbN rechnen musste und den in Betracht kommenden Arbeitsplatz trotzdem neu besetzt hat (BAG NZA 03, 431 [BAG 15.08.2002 - 2 AZR 195/01]). Widerspricht ein Betriebsratsmitglied, muss der ArbG ggf einen Arbeitsplatz für ihn freikündigen (vgl BAG NZA 01, 321 [BAG 18.10.2000 - 2 AZR 494/99]). Die Sozialauswahl (§ 620 Rn 78 ff) ist bei Betriebsteilübergang mit den ArbN in den verbleibenden Betriebsteilen nach allg. Grundsätzen (§ 620 Rn 79) durchzuführen (BAG NZA 05, 1302 [BAG 24.05.2005 - 8 AZR 398/04]); unerheblich sind Gründe/Motive für den Widerspruch (BAG NZA 19, 1279 [BAG 20.03.2019 - 7 AZR 409/16]), der ArbG kann aber evtl gem § 1 III 2 KSchG einen Mindestbestand eingearbeiteter ArbN aus der Sozialauswahl ausnehmen (BAG NZA 03, 853 [BAG 05.12.2002 - 2 AZR 697/01]; § 620 Rn 85). Der Widerspruch begründet insb nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis mit einem ebenfalls auf einen anderen Erwerber übertragenen Betriebsteil (BAG BB 13, 1853 [BAG 21.02.2013 - 8 AZR 877/11]). Ein Widerspruch ohne sachlichen Grund kann bei Kündigung wegen Widerspruchs zum Ausschluss von Sozialplanabfindungen führen, soweit sie bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzes nicht gewährt werden (BAG NZA 05, 1263), löst jedoch keine Sperrzeit aus (BSG BB 09, 1581). Sachlicher Grund wäre Wegfall der Sozialplanpflicht beim Erwerber (LAG Berlin NZA-RR 98, 63 [LAG Berlin 26.05.1997 - 9 Sa 19/97]; LAG Hamm NZA 95, 471), nicht Geltung eines ungünstigeren Tarifvertrags beim Erwerber (BAG NZA 98, 158 [BAG 05.02.1997 - 10 AZR 553/96]). § 1 V KSchG gilt auch bei Interessenausgleich mit Namensliste von bei Widerspruch zu kündigenden ArbN (BAG NZA 00, 788 [BAG 24.02.2000 - 8 AZR 180/99]; § 620 Rn 88).