Gesetzestext
1Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. 2Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.
A. Anwendungsbereich der Vorschrift.
Rn 1
§ 616 gilt für freie Dienstverhältnisse umfassend, für Arbeitsverhältnisse nur, soweit keine Sonderregelungen (zB §§ 2, 3 EFZG; zu weiteren § 611 Rn 76) bestehen. § 616 kann abbedungen werden, formularmäßig jedoch nur nach §§ 305 ff (BAG ZUM 07, 507 [BAG 07.02.2007 - 5 AZR 270/06]; § 611 Rn 59).
B. Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs, S 1.
Rn 2
Verhinderung ist tatsächliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erbringung der Dienstleistung während der (Kern-)Arbeitszeit (BAG NZA 09, 735) wegen eines in der Person des Betroffenen liegenden Grundes (BAG NJW 83, 1078 [BAG 08.09.1982 - 5 AZR 283/80]). Bsp: besondere familiäre Ereignisse, persönliche Unglücksfälle (BAG DB 83, 396), Wahrnehmung zwingender Termine bei Behörden und Gerichten (BAG NZA 02, 1105 [BAG 13.12.2001 - 6 AZR 30/01]), Arztbesuche, soweit zwingend nur während der Arbeitszeit möglich (BAG NJW 84, 2720), nicht: Ehrenämter in privaten Vereinen und Wahrnehmung öffentlicher Ämter (BAG NZA 21, 1632 [BAG 19.05.2021 - 5 AZR 318/20]; 09, 735 [BAG 22.01.2009 - 6 AZR 78/08]; 96, 383 [BAG 20.06.1995 - 3 AZR 857/94]). Häusliche Pflege naher Angehöriger ist nur dann Verhinderung, wenn anderweitige Versorgung nicht möglich ist (§ 2 I, III PflegeZG; BAG NJW 80, 903 [BAG 20.06.1979 - 5 AZR 479/77]).
Rn 3
Der Anspruch besteht nur, wenn die Verhinderung eine nicht erhebliche Zeit umfasst, bei längerer Zeit entfällt er insgesamt (vgl BAG GS NJW 60, 741 [BAG 18.12.1959 - GS 8/58]). Maßgebend ist insb die Dauer des Dienstverhältnisses (BAG AP Nr 21, 41 zu § 616). IdR ist Vergütung nur für wenige Tage geschuldet (BAG DB 77, 2332), in Ausnahmefällen für mehrere Wochen (BGH NJW 79, 422; BAG ZIP 95, 1280). Zumindest bei krankheitsbedingten Verhinderungen gilt die Obergrenze des § 3 EFZG (vgl BAG DB 77, 2332 [BAG 20.07.1977 - 5 AZR 325/76]); bei Pflege naher Angehöriger die des § 2 I PflegeZG (ErfK/Gallner § 2 PflegeZG Rz 4); bei pandemiebedingt behördlicher Kita- oder Schulschließung gem §§ 28, 30, 31 IfSG geht Entschädigung gem § 56 Ia IfSG Anspruch aus § 616 vor (vgl Sagan ua NJW 20, 1112; Grimm DB 20, 1177 aA Grüneberg/Weidenkaff § 616 Rz 7; Preis ua NZA 20, 1137).
Rn 4
Fehlendes Verschulden meint ›Verschulden gegen sich selbst‹ iSe Obliegenheit (BAG NZA 15, 801), zB bei Verstößen gegen Rotlichtampel, gegen Gurtanlegepflicht (BAG NJW 82, 1013 [BAG 07.10.1981 - 5 AZR 1113/79]) oder gegen Unfallverhütungsvorschriften, bei Ausübung besonders gefährlicher Sportarten (BAG NJW 72, 1215 [BAG 25.02.1972 - 5 AZR 471/71]; zB Kickboxen, ArbG Hagen NZA 90, 311 [ArbG Hagen 15.09.1989 - 4 Ca 648/87]; weitere Bsp bei Bauer/Röder/Lingemann 13 ff) oder uU bei Unfällen in Folge von Alkohol (BAG NZA 15, 801 [BAG 18.03.2015 - 10 AZR 99/14]).
C. Anrechnung öffentlicher Leistungen, S 2.
Rn 5
2 ist in Krankheitsfällen wegen § 115 SGB X gegenstandslos, und außerhalb von Krankheitsfällen, weil keine öffentlichen Leistungen erbracht werden.