Gesetzestext
Auf das Behandlungsverhältnis sind die Vorschriften über das Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, anzuwenden, soweit nicht in diesem Untertitel etwas anderes bestimmt ist.
A. Normzweck.
Rn 1
Der Verweis soll die Einordnung des Behandlungsvertrags als speziellen Unterfall des Dienstvertrags klarstellen (BTDrs 17/10488 S 20). § 630b nimmt damit die bisherige Charakterisierung des Behandlungsvertrags als Dienst- und nicht als Werkvertrag auf (BGHZ 63, 306; 97, 273, 276; Laufs/Kern/Kern § 38 Rz 9, 11 ff; Laufs/Katzenmeier/Lipp/Lipp III Rz 26). Die Qualifikation als Dienstvertrag beruht auf der Erwägung, dass die Komplexität des menschlichen Körpers und seiner Vorgänge nahezu nicht beherrschbar ist. Dem Behandelnden kann damit grds nur unterstellt werden, er habe die Vornahme der medizinischen Versorgung nach den Regeln der ärztlichen Kunst versprechen wollen, nicht aber die erfolgreiche Behandlung des Patienten. Die Differenzierung, ob es sich im Einzelfall um einen Dienst- oder Werkvertrag handelt, etwa bei einer zahnprothetischen Behandlung einerseits, der technischen Anfertigung der Prothese andererseits (BGHZ 63, 306; Laufs/Kern/Rehborn/Kern/Rehborn § 42 Rz 6 ff; Köln VersR 88, 1049; Köln VersR 98, 1510; zur mgl Einordnung von einfachen Diagnoseverträgen und Laboruntersuchungen als Werkverträge Spickhoff MedR 15, 845, 847), wird durch die gesetzliche Einordnung des Behandlungsvertrags als Dienstvertrag keinesfalls obsolet (Olzen/Metzmacher JR 12, 271; Erman/Rehborn/Gescher § 630a Rz 3; Spickhoff MedR 15, 845, 847; Wagner VersR 12, 789, 790).
B. Anwendbare Vorschriften.
Rn 2
Relevant werden vorrangig die §§ 612, 613, 614, 615 S 1 und 2 (§ 615 Rn 1; BGH NJW 22, 2269 [BGH 12.05.2022 - III ZR 78/21] Rz 25), 621, 627 (BGH NJW 21, 1392 [BGH 08.10.2020 - III ZR 80/20] Rz 19; zur Reichweite der Verweisung MüKoBGB/Wagner Rz 3 f; Spickhoff/Spickhoff Rz 2 ff). Bzgl § 613 S 1 kann es dabei zu einem Konflikt zwischen der Verpflichtung zur höchstpersönlichen Behandlung einerseits (Laufs/Kern/Rehborn/Kern § 45 Rz 1 ff) und der Zulässigkeit von Vertretungsregelungen im Bereich von Wahlleistungsvereinbarungen andererseits kommen (Spickhoff ZRP 12, 65, 66; zu Reichweite und Grenzen der Delegationsfähigkeit ärztlicher Leistungen Weiß GesR 15, 262). Die Zulässigkeit einer von § 613 S 1 abweichenden Vereinbarung richtet sich nach den allg Vorschriften, insbes den §§ 305 ff. Im Hinblick auf die Fälligkeit der Vergütung sind die § 614 modifizierenden Vorgaben der einschlägigen Gebührenordnungen (§ 12 I GOÄ; § 10 I GOZ) zu beachten, welche die Fälligkeit der Vergütung an die Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung knüpfen. Bei gesetzlich Versicherten ist bei der Kündigung des Behandlungsvertrags zudem § 76 III 1 SGB V zu berücksichtigen, wonach ein Wechsel des Behandelnden innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen soll (Laufs/Kern/Kern § 44 Rz 5). Bereits nach dem Wortlaut sind nicht anwendbar solche Regelungen, die nur für Arbeitsverhältnisse gelten (Staud/Gutmann Rz 2). Obwohl von der Verweisung in § 630b erfasst, dürften darüber hinaus Vorschriften wie die §§ 629, 630 S 1–3 nicht zur Anwendung gelangen (Preis/Schneider NZS 13, 281, 283).