Gesetzestext
(1) 1Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. 2Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1827 Absatz 1 Satz 1 die Maßnahme gestattet oder untersagt. 3Weitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. 4Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.
(2) Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder im Fall des Absatzes 1 Satz 2 der zur Einwilligung Berechtigte vor der Einwilligung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 aufgeklärt worden ist.
(3) Die Einwilligung kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden.
A. Normzweck.
Rn 1
Vergleichbar bspw dem GenDG regelt das PatientenRG systematisch zunächst die Einwilligung und sodann (§ 630e) die Aufklärung (krit Olzen/Metzmacher JR 12, 271, 274). Das Erfordernis der Einwilligung ist Ausdruck des verfassungsrechtlich geschützten APR (Art 2 I iVm Art 1 I GG) des Patienten, seines Rechts auf Selbstbestimmung und Achtung der persönlichen Würde. Im Deliktsrecht ist die Einwilligung überdies ausschlaggebend für die Rechtfertigung der medizinischen Maßnahme (§ 823 Rn 207). Mit der Kodifikation des Behandlungsvertrags soll die Einwilligung nunmehr in die vertraglichen Pflichten einbezogen werden (BTDrs 17/10488 S 23).
B. Voraussetzungen.
I. Zeitpunkt.
Rn 2
Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts ist die Einwilligung vor Durchführung der medizinischen Maßnahme einzuholen.
II. Einwilligungsfähigkeit.
Rn 3
Die Wirksamkeit der Einwilligung verlangt nach der Einwilligungsfähigkeit des Patienten (zu den Auswirkungen von Willensmängeln Klose/Straub MedR 19, 714). Nicht nur bei Minderjährigen bleibt insoweit die natürliche Einsichtsfähigkeit entscheidend (Katzenmeier NJW 13, 817, 820), so dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob der Patient nach seinem Einsichtsvermögen und seiner Urteilskraft in der Lage ist, die Aufklärung zu verstehen und auf dieser Grundlage eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Durchführung der Behandlung treffen zu können (s.a. BVerfGE 128, 282, 301, 310 [BVerfG 23.03.2011 - 2 BvR 882/09]; zur Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger bei Schwangerschaftsabbruch Hamm NJW 20, 1373 [OLG Hamm 29.11.2019 - 12 UF 236/19]; Hinzpeter-Schmidt JA 22, 705). Bei Einwilligungsunfähigen hat der Behandelnde die Einwilligung des hierzu Berechtigten einzuholen, etwa des Ehegatten (§ 1358), der Eltern eines Kindes (§§ 1626, 1629) oder des Betreuers (§§ 1814 f, 1823). Ein anderes ergibt sich bei einwilligungsunfähigen Erwachsenen, wenn eine Patientenverfügung nach § 1827 I 1 eine konkrete und wirksame Einwilligungserklärung bzgl der medizinischen Maßnahme enthält; in diesem Falle genießen die Vorgaben in der Patientenverfügung Vorrang (Erman/Rehborn/Gescher Rz 15), auch das Ehegattenvertretungsrecht nach § 1358 greift nicht ein (vgl § 1358 VI; Spickhoff FamRZ 22, 1897, 1898). Soweit die Patientenverfügung bereits die Einwilligung in die ärztliche Maßnahme enthält, setzt dies allerdings die wirksame Aufklärung des Erklärenden voraus; ohne Aufklärung (oder Aufklärungsverzicht) bildet die Patientenverfügung keine unmittelbare Grundlage für gerechtfertigtes ärztliches Handeln; möglich ist aber eine Berücksichtigung als Behandlungswunsch nach § 1827 II.
III. Form.
Rn 4
Eine bestimmte Form der Einwilligung sieht § 630d nicht vor. Zum einen bleiben allerdings weitergehende Anforderungen an die Einwilligung unberührt. Zu nennen sind bspw § 40b III 1 AMG und § 8 I 1 GenDG, wonach die Einwilligung schriftlich zu erfolgen hat. Zum anderen führt § 630 f II die Einwilligung als Bestandteil der Patientenakte auf.
IV. Entbehrlichkeit.
1. Unaufschiebbarkeit.
Rn 5
Nicht rechtzeitig eingeholt werden kann die Einwilligung bspw bei Notfallmaßnahmen, die eine unmittelbare Behandlung des Patienten zur Beseitigung von Gefahren für Leib und Leben erfordern.
2. Mutmaßlicher Wille.
Rn 6
Die Erforschung des mutmaßlichen Willens hat vorrangig anhand subjektiver Kriterien wie den persönlichen Umständen und individuellen Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen des Patienten zu erfolgen. Objektive Kriterien, insbes die Beurteilung, ob eine Maßnahme als gemeinhin vernünftig und normal sowie den Interessen eines verständigen Patienten üblicherweise entsprechend zu qualifizieren ist, haben keine eigenständige Bedeutung, sondern dienen lediglich der Ermittlung des individuellen hypothetischen Willens (BGH NJW 88, 2310, 2311; BGHZ 154, 205). Kann ein mutmaßlicher Willen nicht ermittelt werden, kann bei Ehegatten das Notvertretungsrecht nach § 1358 zur Anwendung gelangen (vgl § 1358 VI; Spickhoff FamRZ 22, 1897, 1898).
C. Aufklärung.
Rn 7
Deklaratorisch weist II auf die vorherige Aufklärung nach § 630e als Erfordernis der wirksamen Einwilligung hin.
D. Widerruf der Einwilligung.
Rn 8
Die jederzeitige, formfreie Möglichkeit des Wider...