I. Inhalt.
1. Aufklärung ›im Großen und Ganzen‹.
Rn 2
Die Selbstbestimmungsaufklärung ist Grundlage der Einwilligung (§ 823 Rn 210). Sie verpflichtet den Behandelnden zur patienten- und eingriffsbezogenen Aufklärung über alle Umstände, die für die Entscheidung über die Durchführung der Behandlung wesentlich sind (Geiß/Greiner C. Rz 4 ff, 18 ff, 85 ff; Laufs/Kern/Rehborn/Kern § 66 Rz 16 ff). I 2 führt idS nicht abschließend diejenigen Aspekte an, mit denen der Patient ›im Großen und Ganzen‹ (BGH NJW 71, 1887; MedR 11, 809, 810 [BGH 22.12.2010 - 3 StR 239/10]) darüber zu unterrichten ist, was mit ihm geschehen soll. Die Aufklärungspflicht des Behandelnden über die Möglichkeit schädlicher Folgen eines Eingriffs ist dabei umso weitgehender, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder geboten erscheint. Die Verpflichtung zur Aufklärung entfällt daher nicht deswegen, weil die Wahrscheinlichkeit erheblicher Folgen des Eingriffs zahlenmäßig sehr gering ist (BGH NJW 72, 335; NJW-RR 17, 533 [BGH 11.10.2016 - VI ZR 462/15]); wobei sich die Wahrscheinlichkeitsangaben grds nicht an den in Beipackzetteln für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen zu orientieren haben (BGH NJW 19, 1283, 1284f [BGH 29.01.2019 - VI ZR 117/18]). Vielmehr kommt auch bei potentiell geringeren Risiken eine Aufklärung über diese Folgen umso eher in Betracht, je mehr die Behandlung nicht medizinisch indiziert, sondern rein kosmetischer Natur ist (BGH NJW 72, 335, 337 [BGH 16.11.1971 - VI ZR 76/70]; 77, 337). Strenge Anforderungen an die Aufklärung gelten überdies bei altruistischen Eingriffen, wie Blutspenden (BGHZ 166, 336, 340), erst recht bei Lebendorganspenden (BGH NJW 19, 1076, 1081; 20, 2334; BeckOKBGB/Katzenmeier Rz 22). Über Risiken, die im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt waren, besteht keine Aufklärungspflicht (BGH NJW 18, 3652, 3654). Sofern der Behandelnde eine nicht allg eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anzuwenden gedenkt, hat er den Patienten auch darüber aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind. In diesem Falle gebietet es erneut das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht, den Patienten in die Lage zu versetzen, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen Methode unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile einerseits und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren andererseits (BGHZ 168, 103, 109; BGH NJW-RR 21, 886 Rz 11). Zu Einschränkungen der Selbstbestimmungsaufklärung unter dem Aspekt des sog humanitären Prinzips bzw therapeutischen Privilegs, Erman/Rehborn/Gescher § 630c Rz 5; § 823 Rn 210.
2. Aufklärung über Behandlungsalternativen.
Rn 3
Ob der Behandelnde bei der Selbstbestimmungsaufklärung über Alternativen zur Behandlung informiert, liegt angesichts der Therapiefreiheit grds in seinem Ermessen (BGH NJW 82, 2121, 2122; BGHZ 172, 254, 257; BGH NJW 14, 1529, s aber BGH NJW 17, 2685; von Pentz MedR 11, 222). Im Einklang mit der Rspr (BGH NJW 74, 1422, 1423; BGHZ 192, 298, 302f) soll unter den Voraussetzungen von I 3 jedoch eine Verpflichtung zur Aufklärung über Behandlungsalternativen bestehen (BGH NJW 14, 1529 [BGH 17.12.2013 - VI ZR 230/12]; Laufs/Kern/Rehborn/Kern § 66 Rz 33 ff; § 823 Rn 210).
II. Voraussetzungen.
1. Mündlichkeit.
Rn 4
Die Mündlichkeit der Aufklärung (II 1 Nr 1) soll dem Patienten die Chance eröffnen, in einem persönlichen Gespräch unmittelbar Nachfragen stellen zu können. Ausnw kann eine fernmündliche Aufklärung in einfach gelagerten Fällen bei Einverständnis des Patienten in Betracht kommen (BGH NJW 10, 2430 [BGH 15.06.2010 - VI ZR 204/09]; zur Aufklärung über Fernkommunikationsmittel Hahn MedR 20, 16). Von der Möglichkeit einer schriftlichen Aufklärung, insbes bei geringfügigen Eingriffen und Routinebehandlungen (BGHZ 144, 1, 13; offengelassen BGHZ 166, 336, 341), hat das G Abstand genommen. Aufklärungsformulare können die mündliche Aufklärung nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen bzw unterstützen (BGH NJW 23, 149 [BGH 16.08.2022 - VI ZR 342/21] mAnm Vogeler). Formulare, die eine ärztliche Aufklärung und die Entscheidung des Patienten über die Vornahme einer angeratenen Untersuchung dokumentieren sollen, unterliegen gem § 307 III 1 grds nicht einer Kontrolle nach §§ 307 I, II, 308 f, da für die ärztliche Aufklärung durch die Rspr des BGH entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen (BGH NJW 21, 3528 [BGH 02.09.2021 - III ZR 63/20] Rz 14; BeckOKBGB/Katzenmeier Rz 34; zur AGB-Kontrolle bei ärztlichen Aufklärungsbögen Prütting/Friedrich GesR 19, 749).
2. Person des Aufklärenden.
Rn 5
Ist eine Aufklärung primär durch den Behandelnden nicht möglich, kann diese auch durch eine andere Person durchgeführt werden, so diese über die notwendige Befähigung zur sachgerechten Aufklärung verfügt. Diese Befähigung wird wiederum mit der fachlichen Qualifikation für die in Rede stehende Maßnahme verbunden. Jeder Behandelnde ist demnach grds insoweit...