1. Allgemeines.
Rn 26
Den Nebenpflichten kommt im Werkvertragsrecht aufgrund der häufig bestehenden Unwägbarkeiten bei der Vertragsabwicklung eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt insbes vor dem Hintergrund, dass die Erreichung des Werkerfolgs häufig – typischerweise bei Bauverträgen – eine längerfristige kooperative Zusammenarbeit der Vertragsparteien voraussetzt. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, alles zu tun, was den Werkerfolg herbeiführt und alles zu unterlassen, was diesen verhindern oder gefährden könnte (grundl zur Kooperationspflicht der Vertragsparteien: BGH BauR 96, 542; BauR 00, 409). Nebenpflichten können sich aus der Natur des Werkvertrages bzw aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) ergeben oder vertraglich vereinbart sein. Dabei ist zwischen leistungsbezogenen und nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten zu unterscheiden.
2. Leistungsbezogene Nebenpflichten.
Rn 27
Leistungsbezogene Nebenpflichten berühren das Leistungsinteresse des Bestellers. Beziehen sie sich auf die mangelfreie Herstellung des Werks, können sie zu Hauptleistungspflichten des Unternehmers werden (BGH BauR 11, 1652 Rz 11; NJW 00, 280; Karlsr NJW-RR 03, 963; s.a. § 633 Rn 22). Als leistungsbezogene Pflichten kommen va Beratungs-, Prüfungs- (BGH NJW 00, 280; Prüfung vom Besteller gelieferter Sachen; jedoch ggf keine eigene Prüfungspflicht des Unternehmers, wenn Architekt des Bauherrn nach eigener Prüfung Leistungen eines Vorunternehmers freigibt, Frankf BauR 03, 1727; auch keine Vorort-Prüfung von Vorleistungen vor Angebotsabgabe, Kobl BauR 05, 602), Aufklärungs-, Überwachungs-, Informations- und Hinweispflichten (BGH BauR 11, 1494: Hinweis auf erforderlichen Frostschutz für Bodenplatte; BauR 05, 1016: Hinweis des Unternehmers auf vertragswidrige Planung des Architekten; BGHReport 03, 1053: Hinweis auf Frostgefahr bei verlegten Rohren; Oldbg BauR 07, 717: Hinweispflicht ggü Nachunternehmer; Köln BauR 07, 887: Prüfung eines Baugrundgutachtens) in Betracht. Anlass zur Aufklärung und Beratung des Bestellers hat der Unternehmer immer dann, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Vertragsdurchführung ergeben (BGH NJW-RR 87, 664 [BGH 25.11.1986 - X ZR 38/85]; Zweibr NJW-RR 03, 1600 [OLG Zweibrücken 12.06.2003 - 4 U 123/02]). Der Umfang der Beratungs- und Prüfungspflicht bestimmt sich nach der vertraglich übernommenen Verpflichtung (BGH NJW 00, 2102). Dabei ist auch der Beratungsbedarf des Bestellers zu beachten (unter Berücksichtigung ihm zurechenbarer Kenntnis seiner Fachleute; dann uU verminderte Anforderungen an Hinweis- und Beratungspflichten des Unternehmers – BGH BauR 01, 622; BauR 97, 420, 421); ebenso der Kenntnisstand des Unternehmers. Der Besteller kann hierbei beim Unternehmer das für die Erstellung des Werks erforderliche Fachwissen voraussetzen (BGH NJW-RR 96, 789 [BGH 02.11.1995 - X ZR 81/93]). Aufklärungs-, Prüfungs- und Beratungspflichten beschränken sich auf das beauftragte Werk und damit zusammenhängende Umstände (für den Fall der Kfz-Reparatur: Ddorf NJW-RR 99, 1210 [OLG Düsseldorf 05.02.1999 - 22 U 161/98]), sofern nicht erkennbare Sicherheitsmängel vorliegen (Zweibr NJW-RR 00, 1554 [OLG Zweibrücken 23.03.1999 - 5 U 4/95]). Der Unternehmer hat vor Abgabe eines Angebots eine Erkundigungspflicht, wenn er Lücken oder Fehler des Leistungsverzeichnisses erkennt (BGH NJW-RR 87, 1306; NJW 66, 398 [OLG Düsseldorf 07.12.1965 - 4 U 238/65]; Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags iRv Vergabeverfahren bei unterlassener Rüge erkannter Lücken oder Fehler § 107 III GWB). Der Unternehmer muss den Besteller über die mit der Verwendung bisher nicht erprobter Baustoffe verbundenen Gefahren hinweisen (BGH WM 02, 2254). Baut seine Leistung auf einer Vorleistung eines anderen Unternehmers auf, hat er auch diese zu prüfen und Erkundigungen über deren Geeignetheit für sein Werk einzuholen, bei Mängeln auf diese hinzuweisen (Fliesenlegerarbeiten auf für Nassräume ungeeignetem Estrich, Kobl IBR 05, 13 [OLG Koblenz 15.07.2004 - 5 U 173/04]; zur Rechtnatur und Wirkungsweise der sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 4 III, 13 IV VOB/B ergebenden Prüfungs- und Hinweispflichten des Unternehmers: BGH BauR 08, 344 = NJW 08, 511; ausf: Leupertz BauR 10, 273, 277 ff, ders: FS Kapellmann, 253, 258 ff mwN; s.a. § 633 Rn 22). Bei Divergenzen zwischen Produktempfehlungen des Herstellers und DIN-Normen muss der Unternehmer beim Hersteller rückfragen oder auf den Einbau ggf verzichten (BGH BauR 05, 552).
Rn 28
Unabhängig davon, ob man die Pflichten des Architekten im Zusammenhang mit den Kostenermittlungen als Haupt- oder leistungsbezogene Nebenpflichten ansieht, geht der BGH (BauR 05, 400) davon aus, dass eine nicht zutreffende oder nicht rechtzeitige Information des Auftraggebers/Bauherrn über die voraussichtlichen Baukosten die Verletzung einer Aufklärungspflicht darstellen kann. Dies unabhängig davon, dass der Architekt turnusmäßig verschiedene Kostenermittlungen vorzulegen hat und iÜ für die Einhaltung verbindliche Kostenzusagen (= Beschaffenheitsvereinbarung iSd § 633 II) ei...