I. Überblick.
Rn 1
Durch die Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit einhergehenden Harmonisierung des Leistungsstörungsrechts ist auch das werkvertragliche Mängelhaftungsrecht völlig neu geordnet worden. Das hat dazu geführt, dass wichtige Rechtsfolgen der mangelhaften Herstellung des geschuldeten Gewerkes über die zentrale Verweisungsnorm in § 634 nunmehr im allgemeinen Schuldrecht aufgefunden werden. Das Recht auf Wandlung ist zugunsten eines im Wesentlichen allgemeinen Vorschriften unterliegenden Rücktrittsrechts (vgl § 634 Nr 3 iVm §§ 323, 326 V; iE § 634 Rn 9 ff) entfallen. Und weil nach der gesetzlichen Konzeption nun jeder schuldhaft vom Unternehmer verursachte Mangel eine pflichtwidrige Vertragsverletzung darstellt, verweist § 634 Nr 4 insoweit auf die für alle Vertragstypen geltenden Schadensersatzansprüche gem §§ 280, 281. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen sind nicht ohne praktische Relevanz, weil sich die früher für die Verjährung bedeutsame Frage nach der Unterscheidung zwischen ›nahen‹ und ›entfernten‹ Mangelfolgeschäden so nicht mehr stellt; jetzt kommt es für die Abgrenzung zwischen § 280 und § 281 iRd Mängelhaftung nur noch darauf an, ob die schadensrechtlich relevanten Folgen eines Mangels durch Nacherfüllung hätten vermieden werden können (dann § 281) oder nicht (dann § 280; iE § 634 Rn 16 ff). Weiterhin vertragsbezogen geregelt sind hingegen die Verpflichtung des Unternehmers zur Mängelbeseitigung – jetzt Nacherfüllung (§§ 634 Nr 1, 635; s dort) – und das Recht des Bestellers auf Selbstvornahme und Kostenersatz (§§ 634 Nr 2, 637; s dort), dies ergänzt um einen nunmehr gesetzlich geregelten Anspruch auf Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten (§ 637 III).
II. Abgrenzung.
1. Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts.
Rn 2
Der Regelungsbereich des werkvertraglichen Mängelhaftungsrechts ist in mehrfacher Weise begrenzt. Er umfasst – selbstverständlich – zunächst nur die Fälle, in denen überhaupt Werkvertragsrecht Anwendung findet. Das ist in der Praxis indes nicht immer leicht zu entscheiden, wie die mannigfaltigen Abgrenzungsprobleme gerade bei häufig auftretenden gemischten Verträgen zeigen (s iE Vor §§ 631–651 Rn 5 ff). An der besonders virulenten Schnittstelle zwischen Werkvertrag und Kauf (vgl Vor §§ 631–651 Rn 6 u 15) ist zudem § 651 zu beachten, wodurch Lieferverträge über bewegliche Sachen selbst dann weitgehend dem Kaufrecht unterstellt sind, wenn mit ihnen eine auf die Sache bezogene Herstellungsverpflichtung einhergeht (s iE § 651 Rn 3 ff).
Rn 3
Die präzise Unterscheidung zwischen werk- und kaufvertraglichen Leistungspflichten ist trotz der vom Gesetzgeber mit der Schuldrechtsmodernisierung gerade insoweit angestrebten (allerdings in vielen Punkten verfehlten) Vereinheitlichung des Schuldrechts entgegen der in diesem Punkt oft indolenten Vertrags- und Rechtspraxis gerade für das Sachmängelhaftungsrecht keineswegs obsolet geworden. Zu nennen sind Divergenzen hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs (Werkvertrag: bei Abnahme – § 644 I 1; Kaufvertrag: bei Ablieferung/Versendung – §§ 446, 447), des Rechtsverlustes bei Mangelkenntnis (Werkvertrag: positive Kenntnis – § 640 II; Kaufvertrag: grob fahrlässige Unkenntnis reicht – § 442) und des Wahlrechts betreffend die Art und den Umfang der (geschuldeten) Nacherfüllung (Werkvertrag: Unternehmer – § 635 I; Kaufrecht: Käufer – § 439 I; zu den Rechtsfolgen: Köln BauR 06, 687; zu weitgehend: OLG Karlsr BauR 05, 109; vgl auch Leupertz BauR 06, 1648, 1653f). Das Kaufvertragsrecht kennt keine Selbstvornahme, keinen Kostenersatz und dementspr auch keine Vorschusspflicht (§ 637 III), die indes gerade für die Abwicklung von nicht selten kostenintensiven baubezogenen Mängeln von großer praktischer Bedeutung für den Bauherrn sein kann. Für den beiderseitigen Handelskauf droht bei Verstößen gegen die sich aus §§ 377 ff HGB ergebenden Prüfungs- und Anzeigepflichten für den Käufer der totale Rechtsverlust. Weil das auch für Vertragskonstellationen im Regelungsbereich des § 651 (vgl § 381 II HGB) gilt, läuft der nach Werkvertragsrecht wegen Mängeln der von ihm beschafften Bauteile oder Baustoffe in Anspruch genommene Werkunternehmer mit uU desaströsen Folgen Gefahr, den Schaden nicht an seinen Lieferanten weitergegeben zu können (vgl Dresd IBR 00, 228 – Frauenkirche; iE Leupertz BauR 06, 1648, 1654f). Und schließlich können die Parteien eines (reinen) Kaufvertrages wegen der strukturellen Unterschiede zum Werkvertrag und der dadurch bedingten Verschiebung des gesetzlichen Leitbildes die VOB/B mit den darin enthaltenen Sonderreglungen zum Sachmängelhaftungsrecht (§§ 4, 13 VOB/B) kaum wirksam vereinbaren (vgl Thode NZBau 02, 360, 362).
2. Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht.
Rn 4
Dogmatisch folgt aus der Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts die Erkenntnis, dass die Herstellung eines mangelhaften Gewerkes als Unterfall der (teilweisen) Nichterfüllung des Vertrages zu behandeln ist. Das ändert freilich nichts daran, dass die im Werkvertragsrecht verbliebenen, vertragsspezifischen Vorschriften zum Mängelhaftungsrecht abschlie...