I. Verschaffung eines mangelfreien Werkes (Abs 1).
Rn 10
In § 633 I tritt die Erfolgsbezogenheit des Werkvertrages zu Tage. Der Besteller schuldet nicht die Herstellung als solche, sondern die Herstellung eines mangelfreien, funktionstauglichen Gewerkes (iE hierzu: § 631 Rn 1). Hinzu kommt eine ›Verschaffungspflicht‹, dh, der Unternehmer muss die mangelfrei hergestellte Sache beim Besteller abliefern bzw diesem zur Verfügung stellen (NK-BGB/Raab § 633 Rz 6). Dass damit nicht zusätzlich die Verschaffung des Eigentums an der bearbeiteten Sache gemeint ist, erhellt sich schon aus dem Umstand, dass Werkleistungen oft an Sachen des Bestellers oder an solchen Gegenständen ausgeführt werden, die im Eigentum Dritter stehen (Grüneberg/Retzlaff § 633 Rz 3).
Rn 11
Aus § 633 I geht nicht eindeutig hervor, zu welchem Zeitpunkt das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln sein muss, damit der Unternehmer seine Herstellungsverpflichtung vertragsgerecht erfüllt hat. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Soergel/Teichmann § 633 Rz 32; BeckOKBGB/Voit § 633 Rz 3), idR also die Abnahme (§ 640; für den VOB/B-Vertrag ausdrücklich § 13 III VOB/B) oder der Zeitpunkt, in dem der Besteller in Annahmeverzug gerät (§ 644 I 2). Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt trägt der Unternehmer das Risiko des Fehlschlagens seiner Leistungsbemühungen.
Rn 12
Für Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang immer wieder die Diskussion um die Beantwortung der Frage, welcher Stand der anerkannten Regeln der Technik (zur Bedeutung für den Sachmangelbegriff Rn 23) einzuhalten ist (zum Meinungsstand: Werner/Pastor Rz 1926 ff mwN; Kapellmann/Messerschmidt/Langen Teil B, § 13 Rz 49 mwN). Anlass hierfür sind va große Bauvorhaben mit uU mehrjährigen Vertragslaufzeiten, wenn zu besorgen ist, dass sich die bei Vertragsschluss geltenden anerkannten Regeln der Technik nachträglich ändern. Auch dann gilt: Maßgebend für die vertragsgerechte Erfüllung der Herstellungsverpflichtung ist der Stand der anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme (BGH NJW 18, 391; BauR 00, 261; BauR 99, 37; SFHK § 633 BGB Nr 124; NJW-RR 95, 472; vgl auch: Kratzenberg NZBau 02, 177, 181). Das kann dazu führen, dass der vertraglich geschuldete Erfolg, zu dem in Ermangelung gegenteiliger Vereinbarungen auch die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik (Stand Abnahme!) gehört, mit der Abarbeitung der nach einem zwischenzeitlich veralteten Stand dieser Regeln vereinbarten Leistungsvorgaben nicht erreicht wird. Dann muss der Unternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Leistungsverpflichtung Mehraufwand betreiben, den er allerdings nur gegen zusätzliche Vergütung erbringen muss (vgl: BGH NJW 18, 391 [BGH 14.11.2017 - VII ZR 65/14]; Jagenburg, Jahrbuch Baurecht 00, S 210, 213; iE hierzu: § 631 Rn 2). Entsteht solcher Mehraufwand erst im Zusammenhang mit der Nacherfüllung, greifen die Grundsätze der Vorteilsausgleichung und der Besteller muss die ›Sowiesokosten‹ tragen (BGH NJW 98, 307 f; BauR 95, 230; BauR 84, 510, 512f). Allerdings ist bei alledem zu berücksichtigen, dass den Unternehmer idR kein Verschulden trifft, wenn er die Weiterentwicklung der anerkannten Regeln der Technik bei Vertragsschluss nicht absehen konnte. Er haftet insoweit also nicht auf Schadensersatz gem §§ 634 Nr 4, 280, 281. Von der soeben erörterten Problematik zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Werkerfolg objektiv nicht erreicht ist (Bsp: Risse im Bereich der Koppelfugen einer Spannbetonbrücke; OLG Frankf NJW 83, 456 – ›Blasbachtalbrücke‹) und sich die Ursachen hierfür erst aufgrund der Weiterentwicklung der technischen Erkenntnisse nach Abnahme ermitteln lassen. Dann ist das Gewerk ebenfalls – uU unverschuldet – mangelhaft, auch wenn der Unternehmer die während der Ausführung der Werkleistung geltenden technischen Vorgaben beachtet hat (Frankf NJW 83, 456; BGH BauR 95, 230; NJW 68, 43 – Flachdach I; BGH NJW 71, 92 – Flachdach II).