I. Grundlagen und Systematik.
Rn 13
Der mit der Schuldrechtsmodernisierung neu in das Werkvertragsrecht eingeführte Sachmangelbegriff der § 632 II entspricht – bis auf Marginale Abweichungen im Wortlaut – dem für das Kaufrecht maßgeblichen in § 434 I. Die damit erzwungene Harmonisierung ist ein gesetzgeberischer Missgriff, dessen Ergebnis bei wörtlicher Umsetzung des § 633 II mit zentralen Grundsätzen des werkvertraglichen Sachmängelhaftungsrechts kollidiert (dazu unten Rn 20 ff).
Rn 14
§ 633 II ist dreistufig aufgebaut. Danach soll es für die Sachmangelfreiheit der Werkleistungen in erster Linie darauf ankommen, ob das Gewerk die vereinbarte Beschaffenheit hat (1. Stufe – § 633 II 1 – Rn 15 f). Nur soweit derartige Beschaffenheitsvereinbarungen fehlen, also alternativ, kommt es auf die vertraglich vorausgesetzte (2. Stufe – § 633 II 2 Nr 1 – Rn 17), sonst (ebenfalls alternativ) auf die gewöhnliche Verwendungseignung und die übliche Beschaffenheit an (3. Stufe – § 633 II 2 Nr 2 – Rn 18). Die sich aus dieser Dreistufigkeit für die Handhabung des Sachmangelbegriffs ergebenden Konsequenzen sind entgegen verbreiteter Auffassung weitreichend (dazu Rn 21 ff). Sie erschließen sich nur über die Begriffe (vereinbarte) ›Beschaffenheit‹ und ›Verwendungseignung‹.
II. Vereinbarte Beschaffenheit (1. Stufe – Abs 2 S 1).
Rn 15
Nach obiger Systematik ist das Gewerk mangelfrei, wenn es die ›vereinbarte Beschaffenheit‹ hat. Darin findet sich der somit fortgeltende subjektive Mangelbegriff des § 633 I aF wieder (BGH NZBau 04, 672 [BGH 21.09.2004 - X ZR 244/01]; NZBau 06, 641 [BGH 29.06.2006 - VII ZR 274/04]), wonach ein Sachmangel immer dann vorliegt, wenn die ›Ist-Beschaffenheit‹ von der (vereinbarten) ›Soll-Beschaffenheit‹ abweicht (BeckOKBGB/Voit § 633 Rz 3; NK-BGB/Raab § 633 Rz 8; Grüneberg/Retzlaff § 633 Rz 3). Damit ist indes wenig gewonnen, solange nicht feststeht, worin genau die Soll-Beschaffenheit im Einzelnen besteht. Sie wird nach jetziger Gesetzeslage in erster Linie durch die vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarungen der Vertragsparteien bestimmt. Allerdings hat der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, den Begriff der ›vereinbarten Beschaffenheit‹ näher zu definieren (BTDrs 14/4060, 213 – zum Kauf). Jedenfalls muss sie ›vereinbart‹ sein, was ausdrücklich oder konkludent geschehen kann (BGH NJW-RR 02, 1533 [BGH 09.07.2002 - X ZR 242/99]; zur Formbedürftigkeit einer Baubeschreibung: § 631 Rn 8). Beschaffenheitsvereinbarungen idS können die Art der Ausführung der Werkleistungen (Bsp: Lagerung bzw Verwendung von Bodenaushub), die Beschaffenheit und die Qualität der hierfür verwendeten Materialien (Bsp: Fensterglas mit bestimmten Wärmedämmwerten; ein nach Hersteller und Typ vorgegebener Heizkessel) oder das Werkergebnis selbst (Bsp: Funktionale Ausschreibung – s § 631 Rn 42; künstlerische Leistung) betreffen (vgl NK-BGB/Raab § 633 Rz 10 f; MüKo/Busche § 633 Rz 12 mwN). Sind solche zur Vertragsgrundlage erhobenen Vorgaben des Bestellers nicht eingehalten, ist das Gewerk mangelhaft, ohne dass es auf die nach altem Recht für das Vorliegen eines Fehlers iSd § 633 I aF bedeutsame Aufhebung oder Minderung des Wertes oder der Gebrauchstauglichkeit des Werkes ankommt (BGH BauR 15, 1842). Der Unternehmer schuldet die Realisierung der vereinbarten Beschaffenheiten also auch dann, wenn deren Umsetzung zur Verwirklichung des mit der Werkleistung angestrebten Zwecks nicht erforderlich ist (Bsp: Der Besteller verlangt eine zweilagige Verlegung von Dichtungsbahnen, obwohl schon eine Lage desselben Materials die Dichtigkeit des Flachdachs gewährleisten würde; vgl auch Ddorf BauR 07, 1254, 1255). Andererseits entlastet ihn bei einer Abweichung von vereinbarten Beschaffenheiten auch die Verwendung höherwertigen Materials nicht (Bsp: Bestellt sind vergitterte Kellerfenster; der Unternehmer baut – teureres – Sicherheitsglas ein – s § 633 II 3). All dies galt nach altem Recht für die Einhaltung ›zugesicherter Eigenschaften‹, die dementspr jetzt vorbehaltlich einer weiter reichenden Garantieübernahme (dazu § 634 Rn 4) von den vereinbarten Beschaffenheiten umfasst sein dürften (MüKo/Busche § 633 Rz 13; Grüneberg/Retzlaff § 633 Rz 5; NK-BGB/Raab § 633 Rz 11; aA: Mundt NZBau 03, 73, 75).
Rn 16
Welche Beschaffenheiten konkret vereinbart sind, ergibt sich aus dem Vertrag. In Bauverträgen finden sie sich zumeist in der Leistungsbeschreibung (Leistungsverzeichnis, Baupläne, Verhandlungsprotokolle), die bei evtl Unklarheiten oder Widersprüchen nach allg Grundsätzen in ihrer Gesamtheit (zum Grundsatz ›speziell vor allgemein‹: BGH NJW 03, 743) auszulegen ist (vgl dazu: BGH BauR 18, 99). Maßgebend hierfür ist idR die objektive Sichtweise und Verständnismöglichkeit des Unternehmers (BGH BauR 02, 935 – ›Konsoltraggerüst‹; BauR 93, 595, 596 f; BauR 94, 236 – ›Wasserhaltung II‹), der iÜ grds auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Auftraggeber erarbeiteten und ihm zur Verfügung gestellten Planunterlagen vertrauen darf (BGH BauR 84, 395; ausf hierzu: Kapellmann/Messerschmidt/Markus Teil B, § 2 Rz 160 ff mwN; zur ›VOB/A-konformen‹ Au...