I. Grundlagen – Abgrenzung § 280/§ 281.
Rn 14
Der mangelbedingte Schadensersatzanspruch des Bestellers ist über die Verweisungsnorm des § 634 Nr 4 in den Vorschriften der §§ 280, 281 geregelt. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Herstellung einer mangelhaften Werkleistung nunmehr unter den weiten Begriff der Pflichtverletzung iSd § 280 fasst. Die darin manifestierte Vereinheitlichung des vertragsbezogenen Schadensersatzrechtes ändert indes nichts daran, dass weiterhin schon wegen der unterschiedlichen Verjährungsfolgen zwischen Schadensersatzansprüchen wegen mangelhafter Werkleistungen (§ 634a) und solchen wegen anderer Pflichtwidrigkeiten (Regelverjährung nach §§ 195, 199) differenziert werden muss. Allerdings ist die früher in Abgrenzung zur positiven Vertragsverletzung bedeutsame Unterscheidung zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden jedenfalls in diesem Zusammenhang obsolet geworden (iE dazu Rn 16, 19).
Rn 15
Nach der gesetzlichen Systematik enthält § 280 den allg Grundtatbestand für Schadensersatzansprüche wegen vertraglicher Pflichtverletzungen (auch im vorvertraglichen Bereich – §§ 311 I, 241 II), der über die Verweisung in § 280 III durch den Sondertatbestand ›Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung‹ in § 281 qualifiziert ist. § 281 gewährt dem Geschädigten also einen Ausgleich für sein enttäuschtes Erfüllungsinteresse und lässt die hieran geknüpfte Leistungsverpflichtung des Unternehmers entfallen, sobald (berechtigt: vgl BGH MDR 20, 1500 [BGH 14.10.2020 - VIII ZR 318/19]) Schadensersatz statt der Leistung beansprucht wird (vgl § 281 IV und Rn 4). Demggü ist § 280 nicht auf das Erfüllungsinteresse, sondern auf sonstige Schäden gerichtet. Daraus folgt, dass Schadensersatzansprüche aus §§ 634 Nr 4, 280 oder unmittelbar aus § 280 (Rn 17) auch neben den vertraglichen Erfüllungsansprüchen des Bestellers bestehen können.
Rn 16
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen § 280 und § 281 ist der nach § 281 I 1 nur für die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung geforderte erfolglose Ablauf einer zuvor vom Schadensersatzberechtigten (Besteller) gesetzten angemessenen Nacherfüllungsfrist. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gem § 634 Nr 1, § 635 auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt (und begrenzt) dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen (BGH BauR 19, 963). Insoweit korrespondiert § 281 mit dem in §§ 634 ff verankerten Grundprinzip des Vorrangs der Nacherfüllung (s Rn 7), wodurch dem Unternehmer eine zweite Gelegenheit gegeben werden soll, das geschuldete Werk vertragsgerecht herzustellen. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung kann demgegenüber Ersatz für alle Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung (selbst) nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten (BGH BauR 19, 963; s.a. Rn 19).
Rn 17
Verursacht der Unternehmer im Zusammenhang mit der Ausführung der Werkleistungen Schäden, die nicht Folge eines Mangels des Werkes sind, so ergibt sich ein evtl Schadensersatzanspruch des Bestellers außerhalb des werkvertraglichen Sachmängelhaftungsrechts unmittelbar aus § 280. Gleiches gilt für die schuldhafte Verletzung von Aufklärung- und Hinweis- und Kooperationspflichten (vgl BGH BauR 11, 1494; BauR 02, 409) oder sonstiger nebenvertraglicher Sorgfaltspflichten (iE hierzu § 631 Rn 26 ff), auch soweit sie dem vorvertraglichen Pflichtenkreis zuzuordnen sind – §§ 311 II, 241 II. Von solchen vertraglichen Nebenpflichten zu unterscheiden ist die in § 4 III VOB/B verankerte Verpflichtung des Unternehmers, die Leistungsvorgaben etc des Bestellers auf ihre Tauglichkeit für die Verwirklichung des geschuldeten Bauerfolgs zu überprüfen und – mit den sich aus § 13 III VOB/B ergebenden Konsequenzen – auf evtl Bedenken gegen die vorgesehene Ausführung der Werkleistung hinzuweisen (Enthaftungstatbestand; iE dazu § 633 Rn 22). Für schuldhaft verursachte Personenschäden schuldet der Unternehmer gem §§ 280 I, 253 II uU Zahlung eines Schmerzensgeldes. Ebenfalls von der Sachmängelhaftung nach § 634 zu unterscheiden ist die Haftung des Unternehmers für Folgen einer verzögerten Fertigstellung des Werkes. Insoweit verweist § 280 II auf den in § 286 geregelten Verzug, dessen Voraussetzungen (Mahnung) zusätzlich gegeben sein müssen. Diese Verzugsschadensersatzansprüche unterliegen selbstständig der regelmäßigen Verjährung (BGH BauR 22, 1342). Im Einzelfall können sich gleichwohl Berührungspunkte zur Sachmängelhaftung ergeben,...