I. Begriff und Rechtnatur.
Rn 2
Die Abnahme ist die körperliche Hinnahme der Leistungen des Unternehmers, verbunden mit der – auch konkludenten (Hamm BauR 01, 1914) – Anerkennung (Billigung) des Werkes durch den Besteller als im Wesentlichen vertragsgerecht (BGH BauR 94, 242, 243; NJW 93, 1972). Sie ist vertragliche Hauptleistungspflicht und selbstständig einklagbar (BGH BauR 96, 386). Daran ändert auch die vorzeitige Beendigung des Vertrages durch Kündigung nichts (BGH BauR 06, 1294; BauR 03, 689). Die Rechtsnatur der Abnahmeerklärung ist streitig (für Willenserklärung: RGZ 110, 404, 407; BGH NJW 74, 95 [BGH 15.11.1973 - VII ZR 110/71]; Kapellmann/Messerschmidt/Havers Teil B, § 12 Rz 29 mwN; für rechtsgeschäftsähnliche Handlung: BeckOKBGB/Voit § 640 Rz 5; krit zum Konzept der Abnahme: Staud/Peters § 640 Rz 10 f mwN); jedenfalls finden die Vorschriften über Willenserklärungen (entspr) Anwendung (Thode ZfBR 99, 116), folglich auch die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht (zur Stellvertretung s Rn 8) und der Anfechtung, wobei allerdings die mangelbezogene Berufung auf § 119 durch die spezialgesetzlichen Regelungen des Mängelhaftungsrechts ausgeschlossen ist. Die Abnahmeerklärung muss nach zutreffender Auffassung nicht zugehen, um Wirksamkeit entfalten zu können (NK-BGB/Havers/Raab § 640 Rz 11; Messerschmidt/Voit/Messerschmidt § 640 Rz 29 mwN; aA: BeckOKBGB/Voit § 640 Rz 16; MüKo/Busche § 640 Rz 5). Allerdings wird ein Zugang in der Praxis häufig entsprechend § 151 entbehrlich sein, so insbes, wenn der Besteller die Werkleistungen nach Prüfung ohne Beanstandung in Gebrauch nimmt (NK-BGB/Havers/Raab § 640 Rz 15 mwN). Die körperliche Entgegennahme genügt, wenn eine Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist (§ 646). Andererseits reicht eine billigende Erklärung aus, wenn die körperliche Hinnahme nicht mehr in Betracht kommt, etwa weil der Besteller bereits im Besitz des vollendeten Gewerkes ist (BGHZ 125, 111). Fehlende Abnahmereife (Rn 4 f) hindert die ausdrückliche Abnahme nicht, diese kann vielmehr unter Vorbehalt selbst gravierender Mängel erklärt werden (§ 640 II; Brandbg BauR 03, 1054). Es müssen dann jedoch gewichtige Umstände vorliegen, welche abseits einer ausdrücklichen Abnahmeerklärung die Annahme rechtfertigen, der Besteller habe das Werk als vertragsgemäß gebilligt (BGH BauR 04, 337). Eine Teilabnahme kann der Unternehmer nur kraft entsprechender vertraglicher Vereinbarung verlangen (Thode ZfBR 99, 116, 117; so bei Vereinbarung der VOB/B, dort § 12 II). Mit der Teilabnahme wird der Werklohn für die teilabgenommene Leistung fällig und die Verjährung der beiderseitigen Ansprüche wegen bis dahin erbrachten Leistungen beginnt (Brandbg BauR 05, 152).
Rn 3
Auch Architekten- und Ingenieurleistungen sind abzunehmen (BGH BauR 00, 128; für Statiker und Sonderfachleute: BGHZ 48, 257, 263), wobei sich in der Praxis die Abnahme nach obigen Grundsätzen zumeist in der Billigung der unkörperlichen Planungs- oder Überwachungsleistungen erschöpft (BGH NJW 99, 2113 [BGH 06.05.1999 - IX ZR 430/97] – Entwurfsplanung). Leistungen des Architekten iRd Objektbetreuung (Leistungsphase 9 gem § 33 HOAI) sind erst nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelrechte des Bauherrn hinsichtlich des letzten Ausführungsgewerkes vollständig und damit abnahmefähig erbracht (Köln NJW-RR 92, 1173 [OLG Düsseldorf 05.06.1992 - 22 U 251/91]).
II. Abnahmepflicht trotz unwesentlicher Mängel (Abs 1 S 2).
Rn 4
Gem § 640 I 2 darf der Besteller die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Abnahmepflicht besteht, wenn das Gewerk abnahmereif, dh ohne wesentliche Mängel (zur Unbeachtlichkeit der abweichenden Terminologie in § 12 III VOB/B: Kapellmann/Messerschmidt/Havers Teil B, § 12 Rz 91 ff mwN; Motzke NZBau 00, 489, 493; aA: Peters NZBau 00, 169, 171) hergestellt ist. Bei wesentlichen Mängeln darf der Besteller die Abnahme hingegen verweigern (insbes bei nicht behebbaren Mängeln, Hamm BauR 04, 1459). Eine vollständige und damit abnahmereife Leistung liegt erst vor, wenn die vom Leistungsumfang umfassten Unterlagen ausgehändigt sind (zB vereinbarte Dokumentation – BGH NJW-RR 93, 1461), bei Anpassung oder Herstellung von Software insbes das Benutzerhandbuch (BGH BauR 04, 337).
Rn 5
Unwesentlich ist ein Mangel, wenn es dem Besteller unter Abwägung aller Umstände zuzumuten ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mängelrechten nach § 634 zu begnügen (BGH NJW 92, 2481; NJW 81, 1448; Ddorf BauR 97, 842; Hamm NJW-RR 90, 917 – er kann dann allerdings wegen §§ 323 V 2, 281 I 3 nicht zurücktreten oder Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen). Die Frage, ob abzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs des Mangels sowie seiner konkreten Auswirkungen nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten (BGH NJW 92, 2481; Stuttg IBR 01, 167). Auch ein eventuelles Verschulden findet Berücksichtigung. Maßgebende Kriterien sind va die Auswirkungen des Mangels auf den vertraglich vorausgesetzte...