Rn 4
Gem § 640 I 2 darf der Besteller die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Abnahmepflicht besteht, wenn das Gewerk abnahmereif, dh ohne wesentliche Mängel (zur Unbeachtlichkeit der abweichenden Terminologie in § 12 III VOB/B: Kapellmann/Messerschmidt/Havers Teil B, § 12 Rz 91 ff mwN; Motzke NZBau 00, 489, 493; aA: Peters NZBau 00, 169, 171) hergestellt ist. Bei wesentlichen Mängeln darf der Besteller die Abnahme hingegen verweigern (insbes bei nicht behebbaren Mängeln, Hamm BauR 04, 1459). Eine vollständige und damit abnahmereife Leistung liegt erst vor, wenn die vom Leistungsumfang umfassten Unterlagen ausgehändigt sind (zB vereinbarte Dokumentation – BGH NJW-RR 93, 1461), bei Anpassung oder Herstellung von Software insbes das Benutzerhandbuch (BGH BauR 04, 337).
Rn 5
Unwesentlich ist ein Mangel, wenn es dem Besteller unter Abwägung aller Umstände zuzumuten ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mängelrechten nach § 634 zu begnügen (BGH NJW 92, 2481; NJW 81, 1448; Ddorf BauR 97, 842; Hamm NJW-RR 90, 917 – er kann dann allerdings wegen §§ 323 V 2, 281 I 3 nicht zurücktreten oder Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen). Die Frage, ob abzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs des Mangels sowie seiner konkreten Auswirkungen nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten (BGH NJW 92, 2481; Stuttg IBR 01, 167). Auch ein eventuelles Verschulden findet Berücksichtigung. Maßgebende Kriterien sind va die Auswirkungen des Mangels auf den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck und die Gebrauchstauglichkeit der Werkleistungen (BGH NJW 92, 2481; NJW-RR 04, 782; Hamm BauR 04, 1459 – Aufzug nicht rollstuhlgerecht; Karlsr BauR 95, 246 – von den vertraglichen Vorgaben abweichende Estrichhöhe; Ddorf IBR 04, 571 – Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Schalldämmwerte), ebenso die Mängelbeseitigungskosten (BGH BauR 00, 1482). Indes: Auch ein Mangel, der mit relativ geringem Aufwand beseitigt werden kann, berechtigt zur Abnahmeverweigerung, wenn er sicherheitsrelevant ist und von ihm ein erhebliches Gefahrenpotential ausgeht (Hamm BauR 05, 731 – fehlende Absturzsicherung im Wert v 2.000 EUR bei Auftragssumme von 1,5 Mio EUR). Ebenso (nur) optische Mängel, wenn ihr Vorhandensein die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Werkleistungen beeinträchtigt (Köln MDR 02, 877; Dresd BauR 03, 1242; kein wesentlicher Mangel: Hamm BauR 03, 1403 – reiner Schönheitsfehler bei Türschwellen; KG BauR 84, 529 – kleine Unebenheiten im Treppenpodest). Mehrere, für sich genommen unwesentliche Mängel, können in ihrer Summe die Unwesentlichkeitsgrenze des § 640 I 2 überschreiten (Hambg BauR 03, 1590). Noch ausstehende kleinere, die Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigende Restarbeiten von untergeordneter Bedeutung berühren die Abnahmereife nicht.