1. Allgemeine Grundsätze.
Rn 6
Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs tritt in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen ohne Abnahme ein, wenn eine Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist (§ 646) oder wenn der Unternehmer eine Fertigstellungsbescheinigung vorlegt (§ 641a). Lange war str, ob nach vorzeitiger Beendigung des Vertrages durch Kündigung der Vergütungsanspruch aus § 649 auch ohne die Abnahme der bis dahin erbrachten Teilleistungen fällig wird. Diese Frage hat der BGH unter Abstandnahme von seiner früheren Rspr (zB BGHZ 142, 278 = BauR 00, 98; vgl auch OLG Hamm BauR 03, 1746) nun verneint (BGH BauR 06, 1294; dagegen: Peters BauR 12, 11, 15) und damit an seine Ausführungen zur Abnahmepflicht des Bestellers auch bei gekündigtem Bauvertrag angeknüpft (BGH BauR 03, 689). Soweit der Besteller ausnahmsweise schon vor der Abnahme wegen tatsächlich vorhandener Mängel Schadensersatz statt der Leistung oder Minderung beanspruchen kann und beansprucht, wird das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet und der verbleibende Vergütungsanspruch des Unternehmers wird trotz ausstehender Abnahme fällig (BGH BauR 02, 3019 – Schadensersatz nach VOB/B; BGH NJW 02, 3019 – Minderung; BGH BauR 00, 98 – Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 634 aF).
2. Abnahmeverweigerung.
Rn 7
Fälligkeit tritt nicht ein bei berechtigter Verweigerung der Abnahme, und zwar auch dann nicht, wenn der Besteller gem §§ 293, 295 in Annahmeverzug gerät, weil er eine vom Unternehmer angebotene taugliche Nachbesserung gerügter Mängel nicht annimmt. Dann kann der Unternehmer allerdings nach § 322 II auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen (BGH NJW 02, 1262 [BGH 13.12.2001 - VII ZR 27/00]), was bei entspr Titulierung faktisch dazu führt, dass der Besteller Zug-um-Zug gegen Beseitigung der Mängel zahlen muss – § 322 III, 274 II (Köln DJB 89, 873). Wegen § 756 sollte der Unternehmer mit einem entspr Feststellungsantrag den Annahmeverzug schon im Erkenntnisverfahren titulieren lassen. Die berechtigte Abnahmeverweigerung lässt vertragliche oder gesetzliche Ansprüche des Unternehmers auf Abschlagszahlungen für erbrachte Leistungen unberührt.
Rn 8
Bei unberechtigter Abnahmeverweigerung (s § 640 Rn 4 f – zur Abnahmereife) ist der Unternehmer nach der allerdings zum alten Schuldrechts ergangen Rspr berechtigt, sogleich auf Zahlung des Werklohns zu klagen, ohne zunächst Klage auf Abnahme erheben zu müssen (BGHZ 50, 175; BGH NJW 96, 1280; Köln NJW-RR 99, 853, 854). Allerdings muss er dann all diejenigen Umstände schlüssig darlegen und beweisen, aus denen sich die Verpflichtung des Bestellers zur Abnahme ergibt, idR also die abnahmereife Herstellung der geschuldeten Werkleistungen. Nach jetzt geltendem Recht ist durch die Vorschrift des § 640 II zur fiktiven Abnahme eine neue rechtliche Situation entstanden, die es dem Unternehmer ermöglicht, die Abnahmewirkungen auch ohne eine entsprechende Erklärung des Bestellers herbeizuführen. Eine Änderung der vorerwähnten Rspr ist dadurch gleichwohl nicht veranlasst. Wenn nämlich der Besteller die Abnahme endgültig und ernsthaft verweigert hat, bedarf es zur Herbeiführung der Abnahmefiktion keiner fristgebundenen Aufforderung mehr, die dann reine Förmelei wäre (s § 640 Rn 13). Der Unternehmer kann bei unberechtigter Abnahmeverweigerung also weiterhin auf Werklohn klagen, ohne zuvor die Abnahme betreiben zu müssen (ebenso: BeckOKBGB/Voit § 641 Rz 5; Motzke NZBau 00, 489, 495; Henkel MDR 03, 913, 916 f; Grüneberg/Retzlaff § 641 Rz 5; vgl auch BGH NJW 03, 200 [BGH 15.10.2002 - X ZR 69/01] – Fristsetzung jedenfalls dann entbehrlich, wenn Fälligkeit bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung am 1.5.00 eingetreten war).
Rn 9
Des Weiteren wird die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ohne Abnahme bejaht, wenn der Besteller die erforderliche Mitwirkung an der Herstellung des Werkes (BGH NJW-RR 86, 211), auch im Wege der Nacherfüllung, grundlos endgültig verweigert (BGH NJW 90, 3008; Köln NJW-RR 96, 624; vgl auch BGH BauR 10, 1778 Rz 23 – zum Beginn der Gewährleistungsverjährung). Ebenso bei endgültiger Zurückweisung des Werks als mangelhaft (BGH NJW-RR 96, 883). Der Unternehmer ist dann nicht auf seine Rechte aus §§ 642, 643, 645 beschränkt (BGHZ 50, 175; str, aA: NK-BGB/Raab § 641 Rz 14 f mwN).
3. Durchgriffsfälligkeit (Abs 2).
Rn 10
§ 641 II geht von gestuften Vertragsverhältnissen (›Leistungskette‹) aus, in denen der Besteller (Hauptunternehmer) seinem Auftraggeber (Bauherr) Werkleistungen schuldet, die er aufgrund selbstständiger Vertragsbeziehungen zum (Sub-)Unternehmer zumindest teilweise von diesem erbringen lässt. Die Regelungen zur Durchgriffsfälligkeit sollen der widersprüchlichen Vertragspraxis vieler Hauptunternehmer und Bauträger begegnen, die ihnen von ihrem Auftraggeber (Bauherr) voll bezahlten Werkleistungen ihrer Subunternehmer nicht abzunehmen, um die Vergütung an den Subunternehmer (noch) nicht zahlen zu müssen. Dieser Zweck der Vorschrift wurde in der Praxis schon deshalb nicht verwirklicht, weil der Subunternehmer zumeist keine Kenntnis davon ha...