I. Erforderliche Mitwirkungshandlung.
Rn 2
§ 642 gibt weder Auskunft über die rechtliche Qualität der geforderten Mitwirkung noch über Art und Umfang erforderlicher Mitwirkungshandlungen. Gemeint sind Handlungen oder ein Unterlassen des Bestellers (BGH NZBau 18, 25; BauR 17, 1361), von deren Erbringung bzw Ausbleiben die vertragsgerechte Fertigstellung der Werkleistungen abhängt (vgl BGH NJW 03, 1601, 1602 [BGH 19.12.2002 - VII ZR 440/01]). Nach nahezu einhelliger Auffassung handelt es sich bei der so verstandenen Mitwirkung des Bestellers iSd § 642 I um eine Gläubigerobliegenheit (BGHZ 50, 175, 178; BGH BauR 00, 722; HP/Voit § 642 Rz 6), die nicht selbstständig einklagbar ist (Kniffka Jahrbuch Baurecht 2001, 1, 3). Aus § 642 I erhellt sich weiter, dass der Besteller verschuldensunabhängig haftet, wenn er durch das Unterlassen der gebotenen Mitwirkung in Annahmeverzug gerät. Daraus folgt, dass aus einer Obliegenheitsverletzung idS keine – verschuldensabhängigen – Schadensersatzansprüche abgeleitet werden können.
Rn 3
Anders liegt es, wenn die unterbliebene Mitwirkungshandlung zugleich vertragliche Leistungspflicht ist, für deren Nichterfüllung der Besteller gem §§ 280 I, 241 II, 311 II einzustehen hat. Maßgebend hierfür ist der rechtsgeschäftliche Wille der Vertragsparteien, soweit er sich aus dem ggf auszulegenden Vertrag unter Heranziehung der sonstigen Umstände des jeweiligen Einzelfalles ergibt (eingehend: Kniffka Jahrbuch Baurecht 01, 1 6 ff). Vertraglich geregelte Aufklärungs-, Anzeige- und Beratungspflichten sind danach regelmäßig vertragliche Nebenpflichten idS (Kniffka Jahrbuch Baurecht 01, 1, 8). Ob auch ohne weiteres solche Mitwirkungshandlungen des Bestellers, ohne die eine Durchführung des Vertrages endgültig vereitelt wäre (BGHZ 50, 175, 177 f; 11, 80 ff), etwa betreffend die Zurverfügungstellung von Bauplänen (BGH NJW 85, 2475; NJW 84, 1676, 167; auch der vom Architekten zu fertigenden Baupläne, der insoweit Erfüllungsgehilfe des Bestellers im Verhältnis zum Unternehmer ist – BGH NJW 02, 3543 [BGH 07.03.2002 - VII ZR 1/00]) oder die Einholung der erforderlichen Baugenehmigung (BGH NJW 74, 1080; zur Vertragspflicht, kooperativ bei der Abwicklung von Nachträgen mitzuwirken – BGHZ 143, 89 = BauR 00, 409) vertragliche Nebenpflichten sind, hat der BGH zuletzt für dem bauaufsichtsführenden Architekten zur Verfügung zu stellende Pläne offengelassen (BGH BGHZ 179, 55, 66 f = BauR 09, 515, 519). Richtigerweise ist es ohne weitere Anhaltspunkte zu verneinen (iE Leupertz BauR 10, 1999, 2000 ff). Dagegen stellt die rechtzeitige Bereithaltung tauglicher Vorunternehmerleistungen im Verhältnis zum Nachunternehmer ohne gegenteilige konkrete Anhaltspunkte (BGH ZfBR 92, 31; Celle BauR 94, 629 – ›Behelfsbrücke‹) auch nach gefestigter Rspr des BGH keine vertragliche Leistungspflicht dar, für deren Erbringung sich der Besteller des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfen bedienen müsste (BGH BauR 00, 722, 724; BGHZ 143, 132). Wohl aber erhält der Unternehmer in derartigen Fällen eine Entschädigung nach § 642, weil – bspw – die verspätete Bereitstellung des Vorunternehmergewerks eine Obliegenheitsverletzung ioS darstellt, wenn der Nachunternehmer aus diesem Grunde seine Arbeiten nicht aufnehmen oder fortsetzen kann (BGH BauR 00, 722, 725). Auch eine Kürzung von Mängelansprüchen des Bestellers aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens ist nicht ausgeschlossen (vgl § 631 Rn 21). Hieraus lässt sich ersehen, dass die Übergänge zwischen Obliegenheit und vertraglicher Leistungspflicht fließend sind und die Einordnung stark von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängen kann. Zwischen dem Entschädigungsanspruch aus § 642 und evtl Schadensersatzansprüchen aus § 280 I, II besteht Anspruchskonkurrenz.
Rn 4
Obliegenheiten iSd § 642 bestehen in vielfältiger Weise. Maßgeblich ist die Auslegung des Vertrags. Sie reichen von der Beibringung einer wirksamen Baugenehmigung (Hamm BauR 03, 1042 – s § 4 I Nr 1 S 2 VOB/B) über die Gewährung des zweckentspr Zugangs zum Baugrundstück (Ddorf NJW-RR 00, 466), die Bereitstellung eines für die Leistungen des Unternehmers aufnahmebereiten Baugrundstücks (BGHZ 143, 32 = BauR 00, 722; nicht jedoch für die Dauer des Herstellungsprozesses die Abwehr außergewöhnlich ungünstiger Witterungseinflüsse in Form v Frost, Eis u Schnee, mit denen nicht gerechnet werden musste, BGH BauR 17, 1361), die für den Baufortgang notwendige Koordinierung unterschiedlicher Gewerke mehrerer Unternehmer (Dresd IBR 04, 9; Köln BauR 99, 768; Hamm NJW-RR 99, 319 – s § 4 I Nr 1 S 1 VOB/B), die Vornahme von Bemusterungen und Auswahlentscheidungen (Kniffka/Jurgeleit/Retzlaff § 642 Rz 43), die Gestattung und Förderung tauglicher Nachbesserungsarbeiten (vgl BGH NJW 66, 200, 201 [BGH 26.10.1965 - V ZR 87/63] – Leistungsverweigerungsrecht entfällt) bis zur kooperativen Bearbeitung und Bescheidung evtl Nachtragsforderungen des Unternehmers (BGHZ 143, 89 = BauR 00, 409). Auch der noch nicht zur eigentlichen ›Herstellung‹ gehörende rechtzeitige Abruf der geschuldete...