Gesetzestext
(1) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.
(2) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.
A. Grundlagen.
Rn 1
Die Mitwirkung des Bestellers bei der Durchführung eines Werkvertrages ist notwendiges Korrektiv für die dem Unternehmer strukturell aufgebürdete Verpflichtung, den Werkerfolg eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der vertraglichen Vorgaben und Verwendungserwartungen des Bestellers verwirklichen zu müssen (s iE § 633 Rn 10 ff). Gerade bei hochkomplexen Bauleistungen ist er während der oft langen Vertragslaufzeit in fast allen Stadien der Bauausführung auf eine kooperative Zusammenarbeit mit dem Besteller angewiesen, um seinen vertraglichen Leistungspflichten gerecht werden zu können. Diese Zusammenhänge hat der BGH in mittlerweile gefestigter Rspr zu der rechtlichen Erkenntnis verdichtet, dass die Vertragsparteien wechselseitig zu einer nach den Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilenden Kooperation verpflichtet sind, die sich nicht in der Mitwirkung an einer geordneten Vertragsabwicklung erschöpft, sondern bereits beim Vertragsschluss und sogar bei der Vertragsanbahnung (§ 311 II) ansetzt (BGH BauR 00, 409; BauR 96, 542; ausf: Kniffka Jahrbuch Baurecht 01, 1 ff). § 642 regelt einen den Besteller betreffenden Ausschnitt dieses Pflichtenkreises, indem ihm mittelbar durch die Sanktionierung ihrer Nichtbeachtung nicht näher definierte Mitwirkungshandlungen bei der Vertragsdurchführung abverlangt werden, soweit sie für die Herstellung des Werkes erforderlich sind – § 642 I. § 642 II ergänzt I auf der Rechtsfolgenseite durch nähere Vorgaben für die Berechnung des nach I begründeten Entschädigungsanspruches.
B. Tatbestand.
I. Erforderliche Mitwirkungshandlung.
Rn 2
§ 642 gibt weder Auskunft über die rechtliche Qualität der geforderten Mitwirkung noch über Art und Umfang erforderlicher Mitwirkungshandlungen. Gemeint sind Handlungen oder ein Unterlassen des Bestellers (BGH NZBau 18, 25; BauR 17, 1361), von deren Erbringung bzw Ausbleiben die vertragsgerechte Fertigstellung der Werkleistungen abhängt (vgl BGH NJW 03, 1601, 1602 [BGH 19.12.2002 - VII ZR 440/01]). Nach nahezu einhelliger Auffassung handelt es sich bei der so verstandenen Mitwirkung des Bestellers iSd § 642 I um eine Gläubigerobliegenheit (BGHZ 50, 175, 178; BGH BauR 00, 722; HP/Voit § 642 Rz 6), die nicht selbstständig einklagbar ist (Kniffka Jahrbuch Baurecht 2001, 1, 3). Aus § 642 I erhellt sich weiter, dass der Besteller verschuldensunabhängig haftet, wenn er durch das Unterlassen der gebotenen Mitwirkung in Annahmeverzug gerät. Daraus folgt, dass aus einer Obliegenheitsverletzung idS keine – verschuldensabhängigen – Schadensersatzansprüche abgeleitet werden können.
Rn 3
Anders liegt es, wenn die unterbliebene Mitwirkungshandlung zugleich vertragliche Leistungspflicht ist, für deren Nichterfüllung der Besteller gem §§ 280 I, 241 II, 311 II einzustehen hat. Maßgebend hierfür ist der rechtsgeschäftliche Wille der Vertragsparteien, soweit er sich aus dem ggf auszulegenden Vertrag unter Heranziehung der sonstigen Umstände des jeweiligen Einzelfalles ergibt (eingehend: Kniffka Jahrbuch Baurecht 01, 1 6 ff). Vertraglich geregelte Aufklärungs-, Anzeige- und Beratungspflichten sind danach regelmäßig vertragliche Nebenpflichten idS (Kniffka Jahrbuch Baurecht 01, 1, 8). Ob auch ohne weiteres solche Mitwirkungshandlungen des Bestellers, ohne die eine Durchführung des Vertrages endgültig vereitelt wäre (BGHZ 50, 175, 177 f; 11, 80 ff), etwa betreffend die Zurverfügungstellung von Bauplänen (BGH NJW 85, 2475; NJW 84, 1676, 167; auch der vom Architekten zu fertigenden Baupläne, der insoweit Erfüllungsgehilfe des Bestellers im Verhältnis zum Unternehmer ist – BGH NJW 02, 3543 [BGH 07.03.2002 - VII ZR 1/00]) oder die Einholung der erforderlichen Baugenehmigung (BGH NJW 74, 1080; zur Vertragspflicht, kooperativ bei der Abwicklung von Nachträgen mitzuwirken – BGHZ 143, 89 = BauR 00, 409) vertragliche Nebenpflichten sind, hat der BGH zuletzt für dem bauaufsichtsführenden Architekten zur Verfügung zu stellende Pläne offengelassen (BGH BGHZ 179, 55, 66 f = BauR 09, 515, 519). Richtigerweise ist es ohne weitere Anhaltspunkte zu verneinen (iE Leupertz BauR 10, 1999, 2000 ff). Dagegen stellt die rechtzeitige Bereithaltung tauglicher Vorunternehmerleistungen im Verhältnis zum Nachunternehmer ohne gegenteilige konkrete Anhaltspunkte (BGH ZfBR 92, 31; Celle BauR 94, 629 – ›Behelfsbrücke‹) auch nach gefestigter Rspr des BGH keine vertragliche Leistungspflicht dar, für deren Erbringung sich der Besteller des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfen bedienen müsste (BGH BauR 00, 722, 724; BGHZ 143, 132). Wohl ...