Gesetzestext
1Der Unternehmer ist im Falle des § 642 berechtigt, dem Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu bestimmen, dass er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen werde. 2Der Vertrag gilt als aufgehoben, wenn nicht die Nachholung bis zum Ablauf der Frist erfolgt.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Regelung gibt dem Unternehmer bei Unterlassen der gebotenen Mitwirkung durch den Besteller nach § 642 zusätzlich zum dort geregelten Entschädigungsanspruch die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis durch Kündigung zu beenden. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass dem Unternehmer mit der Entschädigung allein nicht immer gedient ist. So insbes, wenn durch die Ungewissheit über den Fortgang der Werkerstellung bei fehlender Mitwirkungshandlung eine nicht mit Entschädigungszahlungen auszugleichende Belastung durch Vorhalten von Arbeitskräften und Material entstehen würde, zumal der Unternehmer die Mitwirkung des Bestellers nicht auf dem Klageweg erzwingen kann. Eine vertragliche Beschränkung des Rechts auf Kündigung dürfte bis zur Grenze des Sittenverstoßes zulässig sein (so zB Vereinbarung, dass nur aus wichtigem Grund gekündigt werden darf). Dies gilt auch in AGB (MüKo/Busche § 643 Rz 9); jedoch sind §§ 307 ff zu beachten.
B. Vertragsaufhebung.
I. Voraussetzungen.
Rn 2
Voraussetzung für die Vertragsbeendigung gem § 643 ist zunächst, dass der Besteller sich aufgrund unterlassener Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug befindet (§ 642 I). Darüber hinaus muss der Unternehmer eine mit Kündigungsandrohung verbundene, angemessene Frist für die Nachholung der Mitwirkung gesetzt haben und diese Frist muss erfolglos abgelaufen sein. Die fristgebundene Aufforderung kann (nur) durch einen bevollmächtigten Vertreter erfolgen (die Genehmigung der Aufforderung durch einen vollmachtslosen Vertreter nach Fristablauf ist nicht möglich, BGH MDR 03, 263). Ob die Frist angemessen ist, muss unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien sowie der Möglichkeit der Nachholung im Einzelfall bestimmt werden. An die Stelle einer zu kurz bemessenen Frist tritt die angemessene (MüKo/Busche § 643 Rz 4). Bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung oder Unmöglichkeit der Nachholung der Mitwirkungshandlung kann die Fristsetzung entbehrlich sein (Soergel/Teichmann § 643 Rz 5). Zusätzlich muss dem Besteller die Kündigung angedroht werden. Dabei muss das Wort ›kündigen‹ nicht verwendet werden; es genügt, wenn der Besteller mit genügender Klarheit erkennen kann, dass der Unternehmer nach Fristablauf keinerlei Leistungen mehr erbringen wird (vgl Brandbg BauR 10, 1638). Eine bloße Ankündigung, bei Fristablauf über die Kündigung entscheiden zu wollen, genügt nicht (HP/Voit § 643 Rz 4). Es ist umstr, ob die Kündigungsandrohung aufgrund ihrer rechtsgestaltenden Wirkung unwiderruflich sein soll (MüKo/Busche § 643 Rz 5; RGZ 53, 161, 167) oder vor Fristablauf einseitig rücknehmbar ist (Grüneberg/Retzlaff § 643 Rz 2; Staud/Peters § 643 Rz 15). Von der Schwere der unterlassenen Mitwirkung soll das Kündigungsrecht im Unterschied zur Regelung in § 9 I Nr 1 VOB/B nicht abhängig sein (MüKo/Busche § 643 Rz 6).
II. Rechtsfolgen.
Rn 3
Die Vertragsaufhebung tritt nach fruchtlosem Ablauf der Frist ein (›gilt als aufgehoben‹). Einer Kündigungserklärung bedarf es nicht. Eine teilweise nachgeholte Mitwirkung reicht nicht aus, um den Eintritt der Rechtswirkungen des § 643 2 zu verhindern; die geforderte Mitwirkung muss bis zum Fristende vollständig erbracht worden sein (es besteht jedoch die Grenze der Unbeachtlichkeit nach § 242). Das Vertragsverhältnis wird für die Zukunft aufgehoben. Die Rechtsfolgen ergeben sich sowohl aus § 642 (dort Rn 6), als auch aus § 645 I 1 u 2. Der Besteller hat den der geleisteten Arbeit entspr Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen zu bezahlen (BGH NJW 00, 1257; Ddorf BauR 01, 434, 435). Der Entschädigungsanspruch nach § 642 besteht bis zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung neben dem Kündigungsrecht (Grüneberg/Retzlaff § 643 Rz 3).
C. VOB/B.
Rn 4
Gem § 9 I, II VOB/B hat der Unternehmer ein Kündigungsrecht, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung nach § 642 unterlässt und der Unternehmer dadurch seine Leistung nicht erbringen kann sowie für den Fall, dass der Besteller fällige Zahlungen nicht leistet oder sonst in Schuldnerverzug gerät. Voraussetzung ist auch hier die fruchtlose Setzung einer angemessenen Frist mit Kündigungsandrohung. Der Vertrag gilt nach deren Ablauf nicht wie bei § 643 als aufgehoben, vielmehr bedarf es einer schriftlichen Kündigungserklärung (§ 9 II 1; BGH NJW 73, 1463 [BGH 04.06.1973 - VII ZR 113/71]). Nach § 9 III 1 VOB/B kann der Unternehmer für die bisherigen Leistungen entspr § 645 I 2 anteilige Vergütung verlangen, § 9 III 2 VOB/B verweist für den zusätzlichen Entschädigungsanspruch jedoch auf § 642, weitergehende Ansprüche des Unternehmers bleiben unberührt (NJW-RR 97, 403 [BGH 21.11.1996 - VII ZR 101/95]). Bei dreimonatiger Unterbrechung gibt § 6 VII VOB/B beiden Parteien ein Kün...