I. Grundsatz: Abnahme (§ 644 I).
Rn 5
Im Ausgangspunkt gilt: Der Unternehmer trägt die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme, danach trägt sie gem § 644 I 1 der Besteller und die Regelungen des § 645 werden durch §§ 633 ff verdrängt (iE § 633 Rn 4 ff).
II. Vor Abnahme.
1. Annahmeverzug (§ 644 I S 2).
Rn 6
Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs wird vorverlegt, wenn der Besteller in Annahmeverzug gerät – § 293 ff, weil er das vertragsgerecht hergestellte und angebotene Werk nicht abnimmt (nicht bei Annahmeverzug durch unterbliebene Mitwirkungshandlung nach § 642 – AnwK/Raab § 644 Rz 16, str., aA MüKo/Busche § 644 Rz 8 mwN).
2. Versendung (§ 644 II).
Rn 7
Die Vergütungsgefahr geht in Anlehnung an die Regelung in § 447 auch beim Werkvertrag vor der Abnahme auf den Besteller über, wenn der Unternehmer das Werk auf sein Verlangen an einen anderen Ort als den Erfüllungsort (Ort der Werkherstellung) versendet (s hierzu: § 447 Rn 8 ff).
3. § 645 I S 1.
Rn 8
Gem § 645 I 1 trägt der Besteller die Vergütungsgefahr (teilweise, s Rn 13) auch vor der Abnahme, wenn das Werk wegen eines Mangels eines von ihm beigestellten Stoffes oder aufgrund seiner Anweisungen unausführbar bzw verschlechtert wird oder untergeht. Die von den allg Regeln abw Verteilung der Vergütungsgefahr beruht auf der Erwägung, dass in diesen Fällen die objektive Verantwortlichkeit für die Leistungsstörung beim Besteller liegt, der die Risikolage herbeigeführt hat. Die Regelung gilt unabhängig davon, ob die Herstellung noch nachgeholt werden kann oder nicht (BGHZ 60, 14). ›Stoffe‹ iSd § 645 I 1 sind alle dem Unternehmer vom Besteller zum Zwecke der Ausführung der Werkleistungen gelieferten Gegenstände, also auch Hilfsmittel, die der Unternehmer zur Werkerstellung benötigt (BGH NJW 73, 318 [BGH 30.11.1972 - VII ZR 239/71]; AnwK/Raab § 645 Rz 9; Staud/Peters § 645 Rz 12). Baustoffe idS sind bspw der Baugrund (Naumbg NZBau 05, 107 [OLG Naumburg 18.03.2004 - 4 U 127/03]) und die bereits vorhandene Bausubstanz (BGH NJW-RR 05, 669 [BGH 16.12.2004 - VII ZR 16/03]), an der der Unternehmer die Werkleistungen vornehmen soll. Die Beeinträchtigung des Werkes muss auf einem Mangel des vom Besteller beigestellten Stoffes zurückzuführen sein. Maßgebend hierfür sind in erster Linie die insoweit getroffenen Beschaffenheitsvereinbarungen (§ 633 II). Nicht erkennbare Fabrikationsfehler rechtfertigen eine Gefahrverlagerung gem § 635 nicht (BGH BauR 96, 702).
Rn 9
Eine Anweisung des Bestellers liegt vor, wenn er damit in die grds dem Unternehmer gebührende Dispositionsbefugnis eingreift. Der Besteller muss also zu erkennen geben, dass er eine bestimmte Art der Werkausführung ernstlich verlangt und der Unternehmer muss dieses Verlangen als eindeutige und für ihn verbindliche Aufforderung verstehen dürfen, die Herstellung des Werkes in einer bestimmten, von dem Besteller vorgegebenen Art und Weise vornehmen zu sollen (AnwK/Raab § 645 Rz 12; Staud/Peters § 645 Rz 14; HP/Voit § 645 Rz 10). Keine Anweisungen idS sind bereits im Vertrag enthaltene Vorgaben für die Werkausführung (BGH NJW 80, 2189; zur Abgrenzung BGHZ 83, 197, 202f).
4. Anwendung des § 645 I auf vergleichbare Fälle.
Rn 10
Bei vergleichbaren Risikolagen ist eine analoge Anwendung der Gefahrtragungsregelung des § 645 in Betracht zu ziehen. Diese kann bspw der Fall sein, wenn das Werk durch einen zufälligen Untergang des Werkstoffes unausführbar wird, bevor dieser in die Sphäre des Unternehmers gelangt ist (zB das frei zu schleppende Schiff sinkt; das zu renovierende Bauwerk brennt nieder). Auch die Fälle der Zweckerreichung gehören uU hierher (frei zu schleppendes Schiff kommt durch einsetzende Flut von selbst noch vor dem Eintreffen des Schleppunternehmers frei). Schließlich wird eine analoge Anwendung auch in besonders gelagerten Einzelfällen zu erwägen sein, in denen die Leistung des Unternehmers aufgrund von Umständen untergeht oder unausführbar wird, die in der Person des Bestellers begründet liegen oder auf dessen Handlungen zurückgehen (BGHZ 136, 303; 137, 35). Diese Voraussetzungen hat der BGH im sog ›Schürmannbaufall‹ (BGH BauR 97, 1019) wegen eines vom Besteller nicht zweckentspr gewährleisteten Hochwasserschutzes für gegeben erachtet (vgl auch BGHZ 40, 71 – vom Besteller eingebrachtes Heu entzündet sich in der neu hergestellten aber noch nicht abgenommen Scheune; Köln OLGZ 75, 323 – Besteller lässt Schweißarbeiten ausführen, die das Werk in Brand setzen; weitere Bsp bei Grüneberg/Retzlaff §§ 644, 645 Rz 8).
Rn 11
Aus alledem lässt sich indes nicht der allg Grundsatz ableiten, dass der Besteller stets die Vergütungsgefahr zu tragen hat, wenn die für die Beeinträchtigung der Werkausführung iSd § 645 I ursächlichen Umstände aus seiner Sphäre stammen (wie hier: Grüneberg/Retzlaff §§ 644/645 Rz 9; AnwK/Raab § 645 Rz 18 mwN). Eine von den allg Grundsätzen abw Verteilung des Vergütungsrisikos lässt sich vielmehr nur durch eine am Einzelfall orientierte Parallelwertung zu den durch § 645 I vorgegebenen Beurteilungsmaßstäben rechtfertigen, die keineswegs immer schon dann erfüllt sind, wenn der beeinträchtigende Umstand in nicht näher qualifizierter Weise aus der Risikosphäre des Bestellers stammt (vgl: ...