Rn 2
Das Werkvertragsrecht kannte bis zur Reformierung des Bauvertragsrechts am 1.1.18 keinen Kündigungstatbestand ›aus wichtigem Grund‹. Es verwies den Besteller für die einseitige Beendigung des Vertrages vielmehr in erster Linie auf den Rücktritt (§§ 634 Nr 3, 323, 324), dessen Anwendungsbereich mit der Einführung des neuen Schuldrechts erheblich ausgeweitet worden war. Damit war dem Besteller freilich oft nicht geholfen, weil er insb bei umfangreichen Bauleistungen regelmäßig kein Interesse an einer Rückabwicklung der bereits empfangenen Leistungen hat (vgl § 634 Rn 9 ff). In der Sache ging es deshalb unter dem bis zum 31.12.17 geltenden Recht darum, ihm bei Pflichtverstößen des Unternehmers auch nach damaliger Rechtslage die Möglichkeit zu eröffnen, den Vertrag für die Zukunft beenden zu können, ohne nach § 648 2 auch nicht erbrachte Leistungen vergüten zu müssen. Deshalb war in Rspr und Lit seit jeher anerkannt, dass der Besteller den Werkvertrag aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn der Unternehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Besteller derart erschüttert, dass diesem eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (zum alten Recht: BGH NJW 03, 3474; BGHZ 31, 224, 229; BGH NJW 93, 1972; Hamm BauR 07, 1247 – ungeeignete Betonrezeptur). Daran hatte sich durch die Einführung des neuen Schuldrechts im Jahr 02 nichts geändert. Lediglich über die dogmatische Herleitung des Kündigungsrechts bestand Streit (ausf hierzu: Voit BauR 02, 1776). Nach zutr Auffassung war die Kündigung aus wichtigem Grund ergebnisbezogen aus einer teleologischen Reduktion des § 648 2 abzuleiten, wonach der Unternehmer hinsichtlich seines Werklohns für nicht erbrachte Leistungen auf den allg vertragsrechtlichen Grundsatz ›keine Leistung – keine Bezahlung‹ zurückgeworfen war, wenn dem Besteller aus vom Unternehmer zu verantwortenden Gründen die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden konnte (ebenso: Voit BauR 02, 1776, 1786; NK-BGB/Raab, 3. Aufl. § 649 Rz 27; Erman/Schwenker § 649 Rz 11; vgl auch: BGH NJW 99, 3554 [BGH 24.06.1999 - VII ZR 196/98]; aA: Staud/Peters/Jacoby § 649 Rz 54 ff; Grüneberg/Retzlaff § 649 Rz 10; Sienz BauR 02, 181, 194; MüKo/Busche, 6. Aufl., § 649 Rz 31 – Analogie zu § 314; Boldt NZBau 02, 655, 657 – Teilrücktritt nach § 324).
Rn 3
Damit war auch die Grundlage für eine konsistente Beurteilung der Fälle geschaffen, in denen der Besteller zu der gleichwohl aus wichtigem Grund erklärten Kündigung materiell-rechtlich nicht berechtigt war. Dann ging und geht es in der Praxis oft darum, ob die Erklärung wenigstens als freie Kündigung nach § 648 1 mit der Vergütungsfolge des § 648 2 aufzufassen ist. Das wiederum ist mit Rücksicht auf die dogmatische Herleitung des Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund aus § 648 2 (Rn 18) keine Frage der Umdeutung iSd § 140 (so aber: Palandt/Sprau, 78. Aufl., § 649 Rz 10; Schmidt NJW 95, 1313, 1314 f mwN), sondern schlicht durch Auslegung (§§ 133, 157) der Kündigungserklärung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass die Verknüpfung der Kündigungserklärung mit einem wichtigem Grund den Willen des Bestellers indizieren kann, nicht erbrachte Leistungen gerade nicht vergüten zu wollen (wie hier: Voit BauR 02, 1776, 1787; noch weitergehend NK-BGB/Raab, 3. Aufl., § 649 Rz 38 f, wonach das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die in jedem Fall wirksame Beendigung des Vertrages sich nur auf die Vergütungsfolge des § 649 2 auswirken soll). Nach der Rspr des BGH soll jedenfalls für den Bauvertrag davon auszugehen sein, dass der Besteller mit der Kündigungserklärung idR zu erkennen gibt, den Vertrag in jedem Fall beenden zu wollen (BGH NJW 03, 3474 [BGH 24.07.2003 - VII ZR 218/02]).