Rn 3
Gem 1 unterfallen dem Kaufvertragsrecht sämtliche Verträge, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Lieferung ist dabei die Verschaffung der hergestellten/erzeugten Sache, dh die Eigentumsübertragung (BGH DB 69, 346 [BGH 12.12.1968 - VII ZR 18/66] zum früheren Recht). Dafür kann abhängig von der vertraglichen Regelung die bloße Bereitstellung zur Abholung ausreichend sein (Grüneberg/Retzlaff § 651 Rz 2), über §§ 946 ff auch der Einbau, die Verarbeitung oder Vermengung.
I. Herstellung/Erzeugung.
1. Grundsätzliches.
Rn 4
§ 650 findet nur Anwendung auf Verträge mit einer Herstellungs- oder Erzeugungspflicht, dh Pflicht zur Erstellung eines Arbeitserfolgs. Es ist die Schaffung von etwas Neuem geschuldet. Die Erzeugung unterscheidet sich von der Herstellung dadurch, dass der Erfolg nicht wie bei der Herstellung aus eigener Kraft des Unternehmers erfolgt, sondern mittels der Natur, insbes tierischer oder pflanzlicher Produktion (BeckOKBGB/Voit § 650 Rz 7). Durch das Merkmal der Herstellung/Erzeugung eines Arbeitserfolgs grenzt sich der § 651 unterliegende Vertrag vom ›reinen‹ Kaufvertrag ab. Im erstgenannten Fall wird neben der Lieferung eine Herstellung/Erzeugung geschuldet, beim Kaufvertrag nur die Lieferung in Form der Beschaffung einer fertigen Sache (§ 433 I 1, Übergabe und Übereignung). Der bloße Handel mit Baustoffen, dh die Lieferung eines von einem (anderen) Hersteller produzierten Baustoffs oder Bauteils, unterfällt daher nicht § 650, sondern stellt einen Kaufvertrag dar.
2. Reparaturverträge.
Rn 5
Nicht auf eine Herstellung, sondern auf Leistungen an einer bestehenden Sache gerichtet sind Reparaturverträge. Sie unterfallen daher dem Werkvertragsrecht (BTDrs 14/6040, 268). Dies soll selbst dann gelten, wenn iRd Reparatur in erheblichem Maße Ersatzteile eingebaut werden (Austauschmotor, AnwK/Linz § 650 Rz 39). Der Erwerb umfassend sanierter Altbauten unterliegt Werkvertragsrecht, auch wenn die Sanierung bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt war (BGH BauR 05, 542; s Vor §§ 631 ff Rn 11 mwN).
3. Lieferung mit Einbauverpflichtung.
Rn 6
Problematisch sind die Fälle, bei denen der Unternehmer sowohl Liefer- als auch werkvertragliche Herstellungsverpflichtungen übernimmt. Kaufrecht gilt für Verträge, bei denen der Veräußerer lediglich eine Montageverpflichtung übernommen hat, die als werkvertragliche Nebenpflicht von untergeordneter Bedeutung einzustufen ist, dh den Charakter des Vertrags nicht prägt (BGH BauR 86, 437; BauR 99, 39; BauR 04, 882; Schlesw BauR 07, 1939 – Windkraftanlage). Bildet die Einbauleistung hingegen den Schwerpunkt des Vertrags, findet Werkvertragsrecht Anwendung. Bei der Bestimmung der Bedeutung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt der Leistungen zu ermitteln. Maßgeblich sind dabei insbes deren Wertverhältnis und die Art des Liefergegenstands (BGH BauR 04, 882). Auch die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses sind zu berücksichtigen (BGH BauR 04, 850). Daher findet Kaufrecht Anwendung bei nur geringen Änderungen und Montageleistungen, die auch vom Käufer selbst durchgeführt werden könnten; nicht jedoch bei aufwändiger Anpassung oder umfangreicher Einbauleistung. Werkvertrag wurde bej, wenn der mit der Tätigkeit zu erbringende Erfolg wesentlich über die Herstellung und Verschaffung einer beweglichen Sache hinausgeht und im Vordergrund steht (s zu § 651 aF BGH NJW 98, 3197; Hamm NJW-RR 01, 1309). Die Rspr zu dieser Abgrenzungsfrage war bislang uneinheitlich. Sie hat Kaufrecht angenommen beim Einbau speziell für Parkhauszufahrten gefertigten Heizmatten (Frankf BauR 00, 423), bei einem Hausbausatzvertrag (Lieferung zum – durch einen Fachmann betreuten – Selbsteinbau durch den Käufer mit Zusatzleistung Planerstellung, Ddorf NJW-RR 02, 14), Verkleidung eines Wohnhauses mit Kunststoffelementen (Hamm NJW-RR 86, 1053); Werkvertrag hingegen bei Einpassung einer Serieneinbauküche (BGH BauR 90, 351; Frankf BauR 08, 1494) oder dem Verkleben eines zu liefernden Teppichbodens (BGH BauR 91, 603). Insbes aus den beiden letztgenannten Entscheidungen wird erkennbar, dass bei der Ermittlung des Schwerpunkts der Leistung dem Kriterium der Funktionalität der zu liefernden Sache für den vereinbarten Erfolg entscheidende Bedeutung zukommt (vgl zum Ganzen auch Leupertz BauR 06, 1648, 1649 mwN).
Rn 7
Bisher nicht endgültig geklärt ist, ob die soeben erörterten Kriterien für die Abgrenzung zwischen Werk- und (reinem) Kaufvertrag auch dann gelten, wenn der Unternehmer die zu liefernde Sache nicht nur montieren, sondern auch herstellen soll, so dass der Regelungsbereich des § 650 tangiert ist. Das ist zu bejahen (Nürnbg BauR 07, 122 – Türen nach speziellem Aufmaß; offengelassen von BGH BauR 09, 1581, 1583 Tz 14). Denn die durch den Einbau regelmäßig kraft Gesetzes nach § 946 vollzogene Lieferverpflichtung tritt auch dann unter den gleichen Voraussetzungen in ihrer Bedeutung für die Verwirklichung des vertraglich vereinbarten Leistungszwecks hinter der auf die Realisierung des Werkerfolgs gerichtete Montageleistung zurück, wenn diese nach den ...