I. Sicherungsanspruch (Abs 1 S 1).
Rn 5
Gem I 1 hat der Unternehmer einen eigenständigen, einklagbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung. Über ihn kann durch Teilurteil auch dann entschieden werden, wenn der Rechtsstreit zugleich den Vergütungsanspruch betrifft (BGHZ 230, 120 = NJW 21, 2438). Der Anspruch entsteht mit Abschluss des Bauvertrages, muss allerdings gem I 1 nur auf Verlangen des Unternehmers erfüllt werden. Es handelt sich um einen verhaltenen Anspruch, für den die dreijährige Regelverjährung (§ 195) nicht vor der Ausübung des Verlangens zu laufen beginnt (BGHZ 229, 257 = NJW 21, 2112; vgl § 199 Rn 5 mwN); offen ist noch, ob sie direkt mit dem Verlangen oder erst am Schluss des Jahres beginnt. Das Verlangen ist an keine Form gebunden (Schriftform ratsam), muss aber erkennen lassen, in welcher Höhe Sicherheit beansprucht wird (Dresd BauR 02, 1274). Sie kann nur einen Teil der offen stehenden Vergütung oder eines sie ersetzenden Anspruchs (I 2) betreffen. Der Sicherungsanspruch besteht, solange der Unternehmer einen gem I 1, 2 sicherbaren Anspruch gegen den Besteller hat (dazu Rn 10 ff); ist das nicht mehr der Fall, ist eine bereits gestellte Sicherung (uU teilweise) zurückzugewähren (iE Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 293). Auf die Fertigstellung und Abnahme der Werkleistungen kommt es für das Bestehen des Sicherungsanspruchs (oder den Eintritt der Rückgabeverpflichtung) nicht an, wie I 3 ausdr klarstellt. Darauf, ob der Unternehmer seinerseits noch zur weiteren Erfüllung bereit oder in der Lage ist, kommt es ebenfalls nicht an (Hamm, IBRRS 15, 3071; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht § 650 f Rz 33). Unschädlich ist es, wenn der Unternehmer mit seinem Sicherungsverlangen auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit verfolgt (BGH NJW 18, 549 [BGH 23.11.2017 - VII ZR 34/15]).
Rn 6
Die Kündigung des Bestellers (§ 648, § 648a: vgl BGHZ 200, 274 = BauR 14, 992) oder des Unternehmers (§ 650f V: vgl BGH 17.8.23 – VII ZR 228/22 = BauR 23, 2075) hindert den Unternehmer ebenfalls nicht, Sicherheit für noch nicht erfüllte (Vergütungs-)Ansprüche nach I S 1, 2 zu verlangen. Gleiches gilt für sonstige Beendigungsgründe (Rücktritt, § 643), soweit hieraus entstehende Ansprüche ebenfalls abzusichern sind (iE Rn 10–12). Eine im Zeitraum der besonderen Insolvenzanfechtung gewährte Sicherheit dürfte als kongruente Deckung iSd § 130 InsO anzusehen sein. Die Vollstreckung des Sicherheitsanspruchs erfolgt gem § 887 ZPO (Hamm IBRRS 11, 0527 mit LG Hagen IBRRS 10, 4721; zu den Folgen: Heiland IBR 08, 628, allerdings unzutr, soweit es sich bei dem Sicherungsanspruch um einen solchen auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme handeln soll, der im Urkundsprozess geltend gemacht werden könne – vgl Zöller/Greger § 592 Rz 1).
II. Sicherungsberechtigter.
Rn 7
Unternehmer iSv I 1 ist jeder Unternehmer eines Bauvertrags, § 650a, eines Bauträgervertrags in Bezug auf Errichtung oder Umbau, § 650u I 1, 2 und durch den Verweis in § 650q I auch eines Architekten- u Ingenieurvertrags iSv § 650p.
III. Sicherungsverpflichteter.
Rn 8
Das Sicherungsverlangen richtet sich an den Besteller, der – anders als bei § 650e – nicht zugleich Eigentümer des Baugrundstückes sein muss. Dieser Unterschied wirkt sich va für den Subunternehmer günstig aus, der demnach von seinem Vertragspartner, dem Hauptunternehmer, Sicherheit nach § 650f beanspruchen kann (anders bei § 650e, s dort Rn 1, 2). Auch der durch Nachunternehmervertrag verpflichtete Gesellschafter einer Dach-ARGE kann ungeachtet seiner Gesellschafterstellung von dieser Sicherheit verlangen (KG BauR 05, 440 = BauR 05, 1035; Diehr ZfBR 04, 3).
Rn 9
Zu den Ausnahmen des VI für bestimmte Besteller vgl Rn 3.
IV. Sicherbare Ansprüche.
Rn 10
Sicherbar iSd § 650f I 1 sind zunächst alle vertraglichen Vergütungsansprüche des Unternehmers für von ihm zu erbringende Leistungen einschließlich der von ihnen abhängigen Nebenforderungen (insbes Zinsen: Frankf BauR 07, 1430 – auch Prozesskosten), die gem § 650f I 1 Hs 2 mit einem Pauschalbetrag von 10 % des sicherungsfähigen Werklohns anzusetzen sind, sofern sie dem Grunde nach bestehen. Abgesichert werden können alle nach dem Vertrag vergütungspflichtige und noch nicht bezahlte Leistungen, ob erbracht oder noch nicht erbracht. Im letzten Fall sind die voraussichtlichen Vergütungsansprüche maßgebend; für die Ermittlung der Höhe sind die vertraglichen Preisvereinbarungen heranzuziehen (vgl iE § 631 Rn 38 ff). Voraus- oder Abschlagszahlungen sind zu berücksichtigen (BGHZ 146, 24, 31 = BauR 01, 386). Auf die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs kommt es nicht an; ob der Besteller mangelbedingt die Einrede des nichterfüllten Vertrages erheben kann (§§ 320, 641 III), ist für das Sicherungsverlangen mithin ebenfalls ohne Belang (BTDrs 16/511, 17; ebenso: Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 176). Die Aufrechnung mit (mangelbedingten) Gegenansprüchen des Bestellers führt nur dann zu einer Verminderung des sicherbaren Anspruchs, wenn die Gegenforderung unstr oder rechtskräftig festgestellt ist – I 4 (BGH 17.8.23 – VII ZR 228...