I. Wahlrecht des Unternehmers (Abs 5 S 1).
Rn 18
Erbringt der Besteller die nach I zu Recht verlangte Sicherheit innerhalb angemessener Frist (dazu Rn 19) nicht, kann der Unternehmer die (ausstehende) Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Insoweit hat er ein Wahlrecht (Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 217). Er muss nicht ankündigen, in welcher Weise er von diesem Wahlrecht Gebrauch machen will. Von diesen Rechten bleibt der Anspruch auf die Sicherheit aus I unberührt; sie treten vielmehr hinzu (vgl BGH 17.8.23 – VII ZR 228/22 = BauR 23, 2075; Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 217). Das folgt bereits aus dem Wortlaut. Außerdem ändert sich durch eine Leistungsverweigerung oder eine Kündigung an dem grds Sicherungsbedürfnis des Unternehmers bis zur Erfüllung seiner noch offenen Ansprüche nichts (vgl BGHZ 146, 24, 32 = BauR 01, 386; BGHZ 157, 335, 339 = BauR 04, 826). Allerdings verringert sich im Fall der Kündigung idR die Höhe des zu sichernden Anspruchs (s Rn 21).
II. Fristsetzung (Abs 5 S 1).
Rn 19
Die Rechte aus V stehen dem Unternehmer erst nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Erbringung der gem I verlangten Sicherheit zu. Die Angemessenheit der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH NJW 05, 1939 = BauR 05, 1009; BauR 11, 514). Maßstab hierfür ist, ob es dem sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindlichen Besteller ermöglicht wird, die Sicherheit ohne schuldhaftes Zögern fristgerecht zu beschaffen (BGH NJW 05, 1939 = BauR 05, 1009). Insoweit sollen idR 7–10 Tage ausreichend sein (amtl Begründung, BTDrs 12/1836 S 9), 5 Bankarbeitstage dagegen nicht (BGH BauR 11, 93); bei unerwartetem Verlangen kann eine deutlich längere Frist notwendig sein (Naumbg BauR 03, 556). Ist die vom Unternehmer bestimmte Frist unangemessen kurz, gilt die tatsächlich angemessene (Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht, § 650f Rz 157). Wird der Besteller mit einem in der Höhe nicht gerechtfertigten Sicherungsverlangen des Unternehmers konfrontiert, muss er fristgerecht Sicherheit in angemessener Höhe anbieten, sofern diese für ihn feststellbar ist (BGHZ 146, 24, 35 = BauR 01, 386).
III. Leistungsverweigerungsrecht (Abs 5 S 1, § 320).
Rn 20
Entscheidet sich der Unternehmer dafür, von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, braucht er die ausstehenden Leistungen einschließlich etwaiger Mängelbeseitigungsarbeiten nicht zu beginnen oder fortzusetzen. Er gerät insoweit nicht in Verzug (BGH BauR 07, 2052, 2056; Ddorf BauR 05, 572). Vielmehr befindet sich der Besteller wegen der nicht geleisteten Sicherheit in Schuldnerverzug (Folge: Schadensersatz nach §§ 280 I, II; 286; Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 225) und zugleich in Annahmeverzug, weil er es unterlässt, an der Erbringung der Vertragsleistung durch den insoweit leistungsbereiten Unternehmer mitzuwirken (Folge: Anspruch aus § 642; Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 225). Um diesen Zustand zu beenden, kann er gem § 648 kündigen. Für teilweise erbrachte Sicherheitsleistungen gilt § 320 II (Grüneberg/Retzlaff § 650f Rz 20; Oberhauser BauR 08, 421, 424; aA MüKo/Busche § 650f Rz 33). Das Leistungsverweigerungsrecht entfällt, wenn der Unternehmer die verlangte Sicherheit erhält – § 320 I 1. Der Unternehmer hat dieses Leistungsverweigerungsrecht auch nach Abnahme (arg I 3) in Bezug auf Mängelbeseitigungsarbeiten. Gleichwohl steht umgekehrt auch dem Besteller wegen solcher Mängel ggü dem fälligen (§ 641 I) Werklohnanspruch ein Leistungsverweigerungsrecht zu (§§ 320, 641 III). Jedoch erscheint es parallel zu den Fällen, in denen der Besteller sich mit der Annahme der Nachbesserung in Verzug befindet, gerechtfertigt, dieses auf den einfachen Betrag der Mängelbeseitigungskosten zu beschränken (vgl § 641 Rn 18; ebenso: Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Teil C, Anh 1 Rz 235 mwN).
IV. Kündigung (Abs 5 S 1, 2).
Rn 21
V 1 räumt dem Unternehmer nach ergebnislosem Ablauf der Frist zur Beibringung der Sicherheit ein außerordentliches Kündigungsrecht ein. Die Rechtsfolgen der Kündigung für seinen Vergütungsanspruch decken sich mit denen der freien Kündigung des Bestellers, wie sich aus den mit § 648 inhaltsgleichen Regelungen in V 2, 3 ergibt. Insoweit wird auf die Kommentierung zu § 648 (dort Rn 6 ff) verwiesen (vgl zu den Folgen für den Anspruch auf Sicherheit oben Rn 6, 10, 18). Fraglich ist jedoch, ob hier wie dort (BGH BauR 06, 1294; vgl § 641 Rn 6) für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs eine Abnahme notwendig ist. Zu erwägen ist, hier eine Ausnahme von § 641 anzunehmen (so auch Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen Anh 1 Rz 213 aE). Falls man dies wegen des mit § 648 identischen Wortlauts nicht für möglich hält, muss man dem Unternehmer mindestens erlauben, sich durch ein zweites Sicherungsverlangen nach der Kündigung von der Pflicht, bestehende die Abnahme hindernde wesentliche Mängel zu beseitigen, zu befreien (vgl iE Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht § 650f Rz 187 ff).
Rn 22
Probleme ergeben sich hinsichtlich der Möglichkeit einer Kündigung und gg...