Gesetzestext
Nimmt der Besteller den Unternehmer wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel an dem Bauwerk oder an der Außenanlage geführt hat, kann der Unternehmer die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Bauunternehmer für den Mangel haftet und der Besteller dem bauausführenden Unternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.
A. Allgemeines/Regelungsgehalt.
Rn 1
Die Vorschrift ist durch Art 1 Nr 25 BauVtrRRefuaG (BGBl I 2017, 969) eingefügt worden. Sie gilt gem Art 229 § 39 EGBGB für alle nach dem 31.12.17 geschlossenen Schuldverhältnisse. Sie konstituiert für eine bestimmte Fallgruppe ein Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers eines Architekten- oder Ingenieurvertrags (§ 650p), also des Architekten oder Ingenieurs, gegenüber seinem Besteller. Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die nach seiner Auffassung überproportionale Belastung der Architekten und Ingenieure im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer zu reduzieren. Bauherren nähmen bei Mängeln, die sowohl der Bauunternehmer als auch der Architekt oder Ingenieur zu verantworten haben, vorrangig letztere in Anspruch, da Architekten und Ingenieure aufgrund ihrer Berufsordnung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet sind und damit die Realisierung von Schadensersatzansprüchen gesichert ist (BTDrs 18/8486 S 70). Es wird wohl nicht zu Unrecht bezweifelt, dass die Zahl der von der Vorschrift erfassten Fälle nennenswerte Relevanz hat (Deckers ZfBR 17, 523, 543).
Rn 2
Die Überschrift ist irreführend. Sie regelt keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern setzt sie voraus. Diese besteht in den hier betroffenen Fällen nach der Rspr insbes des BGH, vgl § 634 Rn 25 f.
B. Tatbestand.
I. Zwei Ansprüche des Bestellers.
Rn 3
Das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers des Architekten- oder Ingenieurvertrags setzt voraus, dass sein Besteller gegen ihn einen Anspruch wegen eines Überwachungsfehlers hat. Die Formulierung, dass der Besteller ihn insoweit in Anspruch nimmt, dürfte keine selbstständige zusätzliche Voraussetzung darstellen (vgl hierzu Deckers NfBR 17, 523, 542). Der Überwachungsfehler muss zu einem Mangel an einem Bauwerk oder an einer Außenanlage, hinsichtlich dessen der Unternehmer Überwachungsaufgaben hatte, geführt haben. Damit ist ein Mangel iSd § 633 im Verhältnis des Bestellers zu dem ausführenden Bauunternehmer gemeint; dieser muss ihm nach § 634 hierfür haften. Der Architekt/Ingenieur haftet in diesen Fällen auf Schadensersatz neben der Leistung (§§ 634, 280) in Geld (BGH BauR 17, 1061) als Gesamtschuldner neben dem Bauunternehmer, s Rn 2.
II. Keine erfolglose Nacherfüllungsfrist.
Rn 4
Während der Unternehmer des Architekten- oder Ingenieurvertrags in Bezug auf den ›Mangel‹ (Schaden) am Bauwerk unmittelbar auf Schadensersatz in Geld haftet, besteht gegen den Bauunternehmer grds zunächst nur der primäre Anspruch auf Nachbesserung, §§ 634 Nr 1, 635 (s § 634 Rn 2). Weitere Mängelrechte hat der Besteller gegen den Bauunternehmer grds erst nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung, s § 634 Rn 2. Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts ist, dass diese Frist noch nicht erfolglos gesetzt ist. Das ist der Fall, wenn sie überhaupt noch nicht gesetzt ist, oder wenn sie noch nicht abgelaufen ist, denn erst dann war sie – falls die Nachbesserung nicht durchgeführt wurde – erfolglos. Ist nach allg Grs (vgl § 636 Rn 3 ff) die Fristsetzung entbehrlich, steht das dem erfolglosen Ablauf auch hier gleich.
C. Rechtsfolgen.
Rn 5
Dem Unternehmer des Architekten- oder Ingenieurvertrags steht gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Bestellers ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses wird nicht vAw berücksichtigt, sondern muss vom Unternehmer geltend gemacht werden (Erheben der Einrede). Er trägt die Darlegungs- u Beweislast für dessen Voraussetzungen (gesamtschuldnerische Haftung des Bauunternehmers, keine erfolglose Nacherfüllungsfrist); für Letzteres trifft allerdings den Besteller eine sekundäre Darlegungslast. Das Leistungsverweigerungsrecht hat auch zur Folge, dass der Besteller nicht mit dem Schadensersatzanspruch gegen einen Honoraranspruch des Architekten aufrechnen kann, § 390, hier ohne Rücksicht darauf, ob die Einrede erhoben wurde, s § 390 Rn 2.
Rn 6
Erhebt der Unternehmer die Einrede, kommt eine Hemmung der Verjährung des Anspruchs gegen ihn in entsprechender Anwendung von § 205 in Betracht (Zahn BauR 17, 1262, 1266; BeckOKBauvertrR/Preussner § 650t BGB Rz 113 ff).