1. Berechnung.
Rn 7
Sie geht vom Reisepreis (einschl Gewinn) aus und kann konkret (II 2) oder wahlweise (BGH NJW-RR 90, 114 [BGH 26.10.1989 - VII ZR 332/88]) aufgrund einer Pauschalierung erfolgen (II 1). Solche Tarife bzw Entschädigungspauschalen müssen so gestaltet werden, dass es idR ausgeschlossen ist, dass die Entschädigung nach II 2 überschritten wird (BGH NJW-RR 22, 1137 Rz 19), wobei nicht zu geringe Anforderungen bestehen (BGH NJW 16, 1508 Rz 13; 15, 1444 Rz 41). Tritt der Reisende erst kurz vor Reisebeginn zurück, wird der Veranstalter idR nur wenig dadurch sparen, dass er die Reiseleistung nicht erbringt. Relevant kann zB sein, dass Transfer-, Unterkunfts- oder Verpflegungskosten erspart oder für andere Reisende verwandt werden konnten (zB Ersatzkunde bei ansonsten ausgebuchter Reise). Die Bewertung ist ggf zu schätzen, § 287 ZPO (LG Frankfurt NJW 91, 498 [LG Frankfurt am Main 19.11.1990 - 2/24 S 63/90]). Ist wie üblich in AGB eine prozentuale Pauschale vereinbart (II 1), hat der Reiseveranstalter in einem Rechtsstreit über die Zulässigkeit dieser Klausel darzulegen und zu beweisen, welche Aufwendungen gewöhnlich erspart werden (zu § 648 2 BGH 1.8.23 – X ZR 118/22 Rz 20 = NJW-RR 23, 1281) und welche anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten der Reiseleistungen (BGH NJW 16, 1508 [BGH 03.11.2015 - X ZR 122/13] Rz 15, 22; Dresd NJW-RR 12, 1134, 1136 [OLG Dresden 21.06.2012 - 8 U 1900/11]) gewöhnlich bestehen; nicht ausreichend ist der Verweis auf den eigenen Vertrag des Veranstalters mit einem verbundenen Unternehmen, der dieselben Pauschalsätze vorsieht (BGH NJW-RR 22, 1137 [BGH 24.05.2022 - X ZR 12/21] Rz 20, 25). Dabei hat die Klausel auch zu berücksichtigen, wie kurzfristig der Rücktritt erfolgte (Nr 1–3). Taugliche Grundlage ist zB die Vorjahresstatistik unter Beachtung aller Ermäßigungen und Nachlässe, die dem Veranstalter eingeräumt werden, zB Gutschriften für nicht geleisteten Transfer, entfallene Unterkunft oder Verpflegung. Böswillig unterlassene anderweitige Verwendung ist hinzuzurechnen (§ 242). Eine unangemessene Pauschale (idR: 100 %) ist unwirksam, wobei es in Betracht kommt, die Entschädigung gem § 287 ZPO zu schätzen (vgl Celle RRa 95, 52), aber nicht anhand branchenüblicher Pauschalen (LG Düsseldorf NJW 03, 3062 [LG Düsseldorf 25.07.2003 - 22 S 3/02]; AG Bad Homburg RRa 03, 119 [AG Bad Homburg 10.04.2003 - 2 C 1901/02 (22)]). Maßstab für Pauschalen in AGB sind neben III §§ 307, 308 Nr 5, 7 und 309 Nr 5 (BGH NJW 85, 633 [BGH 25.10.1984 - VII ZR 11/84]; vgl Ddorf 18.9.14 – I-6 U 161/13). Der Veranstalter muss ggf die Höhe der Entschädigung begründen (II 3); eine Pflichtverletzung wirkt insoweit prozessual, einen einklagbarer Auskunftsanspruch gibt II 3 aber nicht (BGH NJW 22, 1808 [BGH 18.01.2022 - X ZR 109/20] Rz 17, 20). Der Nachweis keines (dazu AG München NJW-RR 08, 140, 141 [AG München 31.08.2007 - 222 C 20175/06]) oder eines niedrigeren Schadens muss möglich bleiben (BGH NJW 92, 3163 [BGH 09.07.1992 - VII ZR 6/92]).
2. Ausschluss.
Rn 8
Der Reisende muss keine Entschädigung zahlen, wenn am oder in der Nähe des Bestimmungsorts Umstände iSv Rn 9 auftreten, die die Durchführung erheblich beeinträchtigen (III 1; Einzelheiten: Ullenboom RRa 21, 155; Binger RRa 21, 207). Der Veranstalter wird durch das Auftreten unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von seiner Verpflichtung zur Gewährung einer Preisminderung nicht befreit (§ 651m Rn 2). III dient einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Reisendem und Reiseveranstalter (BGH NJW 22, 3711 Rz 37) und ist insofern keine restriktiv anzuwendende Ausnahmeregelung. Gefordert ist eine wertende Entscheidung unter Würdigung aller für den Einzelfall relevanten Umstände (BGH NJW 22, 3707 Rz 33, 67) wie Zweck und konkrete Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung (BGH NJW 22, 3711 Rz 40). Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn feststeht, dass die Durchführung der Reise nicht möglich ist oder zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit oder sonstiger Rechtsgüter des Reisenden führen würde, wobei eine solche Beeinträchtigung schon zu bejahen sein kann, wenn bei einer Prognose vor Reisebeginn bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt des Rücktritts (Frankf MDR 22, 1470; AG München DAR 21, 35, 36) die Durchführung der Reise im konkreten Einzelfall aufgrund von außergewöhnlichen Umständen mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken in Bezug auf solche Rechtsgüter verbunden wäre (BGH NJW 22, 3707 Rz 44; 3711 Rz 26). Es sind weiterhin auch die Fälle einer Gefährdung des Reisenden mit unzumutbare Risiken insb für seine Sicherheit erfasst, wobei ausreicht, dass zur Zeit des Rücktritts mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (BGH NJW 02, 3700: bej bei 25 %; Bremen 9.11.12 – 2 U 41/12: zu ›Fukushima‹; iE 12 Aufl. § 651j Rz 10), wobei auch zu berücksichtigen ist, für welche Rechtsgüter Gefahren drohen und ob der konkreten Reise ein gewisses Gefahrenpotenzial bereits immanent ist (Hamm ...