Rn 5
Wie bei § 638 III (§ 638 Rn 3, 5) ist der Reisepreis bei Vorliegen eines Mangels in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der tatsächliche Wert der mangelbehafteten Reise zu dem wirklichen Wert gestanden hätte (BGH NJW-RR 23, 755 [BGH 14.02.2023 - X ZR 18/22] Rz 35). Die Minderung des Preises der Pauschalreise hat dem Wert der vertragswidrigen Reiseleistungen zu entsprechen. Maßgeblich ist der Umfang der im konkreten Pauschalreisevertrag inbegriffenen Leistungen, deren Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung die Vertragswidrigkeit begründen (GA Medina 15.9.22 – C-396/21, BeckRS 22, 23479 Rz 37). Dabei dürfen die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen des Veranstalters in Anbetracht des Zieles der RL 2015/2302, ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes zu gewährleisten, nicht eng ausgelegt werden. Somit umfassen diese Verpflichtungen nicht nur diejenigen, die ausdrücklich im Pauschalreisevertrag vereinbart sind, sondern auch diejenigen, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel dieses Vertrags ergeben (EuGH 12.1.2023 – C-396/21 Rz 38, Celex-Nr. 62021CJ0396). Die Beurteilung ist objektiv unter Berücksichtigung der Verpflichtungen des Reiseveranstalters aus dem Pauschalreisevertrag vorzunehmen. Diese Beurteilung muss daher auf einer Schätzung des Wertes der in der betreffenden Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen beruhen, die nicht oder mangelhaft erbracht wurden, wobei die Dauer der Nichterbringung oder mangelhaften Erbringung und der Wert der Pauschalreise zu berücksichtigen sind (EuGH 12.1.23 – C-396/21 Rz 39, Celex-Nr. 62021CJ0396). In der Praxis wird der Minderungsbetrag gem § 287 ZPO geschätzt (I 3; Kobl 21.6.21 – 5 U 550/21), und zwar als ein prozentualer Abschlag vom Reisepreis. Ausgangsbasis ist der Gesamtpreis der Reise und nicht nur der auf die mangelhafte Teilleistung entfallende Teilpreis (BGH NJW 13, 3170 [BGH 14.05.2013 - X ZR 15/11] Rz 17). Dazu gehört auch die Vergütung für die gewöhnliche Beförderung (Celle NJW 04, 2985 [OLG Celle 17.06.2004 - 11 U 1/04]: Mietwagenkosten; NJW-RR 03, 200 [OLG Celle 26.09.2002 - 11 U 337/01]: Flugkosten; Frankf RRa 09, 71 [LG Frankfurt am Main 26.01.2009 - 2-24 S 106/08]), Kerosinpreis- und Flugzuschlag und Sicherheitsgebühren, nicht aber für zusätzlich vereinbarte Leistungen wie zB Versicherungen (LG Frankfurt NJW-RR 92, 51).
Rn 6
Besteht ein Mangel nur zeitweise, wird der Preis idR auch nur für diese Zeit anteilig nach den beeinträchtigten Reisetagen gemindert (LG Düsseldorf NJW-RR 01, 50 [LG Düsseldorf 11.06.1999 - 22 S 334/98]), es sei denn, die Reise hatte wegen eines gravierenden Mangels insgesamt keinen Nutzen (BGH NJW 17, 958 [BGH 06.12.2016 - X ZR 117/15] Rz 15; 00, 1188: erhebliche Gesundheitsverletzung am 4. Tag; 08, 2775: Beinaheabsturz auf Rückflug; LG Köln 15.1.19 – 3 O 305/17: Seenoterlebnis auf Rücktransport).
Rn 7
IdR ist für die Ermittlung der konkreten Minderungsquote eine Gesamtbetrachtung der Reise erforderlich (vgl BGH NJW 13, 3170 [BGH 14.05.2013 - X ZR 15/11] Rz 18: zur Kreuzfahrt). Relevant ist insb das Verhältnis des Nutzens der Reise unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Art (zB Abenteuer-, Bade-, Bildungsurlaub; zur Verpflegungsart Frankf RRa 03, 255) und Qualität (Luxus-, Standard-, Billigreise) zur Art und Dauer des Mangels. Bei der konkreten Ermittlung der Minderungsquote hat eine rein objektive (Frankf RRa 03, 255), wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen (Celle RRa 05, 205, 04, 9 [OLG Celle 12.05.2005 - 11 U 268/04]; NJW 04, 2985). Liegen mehrere Mängel vor werden sie nicht schematisch anhand Tabellenwerten addiert. Die Bewertung ist auch hier das Ergebnis einer ergänzend vorzunehmenden Gesamtschau und Gewichtung der festgestellten Mängel (Celle RRa 04, 9 [OLG Celle 16.07.2003 - 11 U 84/03]; NJW 04, 2985 [OLG Celle 17.06.2004 - 11 U 1/04]). Eine Minderung um 100 % kommt idR nicht in Betracht, wenn der Reisende zT Leistungen in Anspruch genommen hat. Ein Mitverschulden des Reisenden ist gem § 242 zu berücksichtigen (Ddorf NJW-RR 03, 59 [OLG Düsseldorf 28.05.2002 - 20 U 30/02]: Sturz trotz erkennbarer Stufe).
Rn 8
In einer vom LG Frankfurt entwickelten Tabelle sind für Teilleistungen wie zB Unterkunft und Verpflegung typische Mängel mit prozentualen Minderungssätzen und ggf Zu- und Abschlägen angegeben (NJW 85, 113; 94, 1639 [BVerfG 16.06.1994 - 2 BvR 1157/94]; dazu Tempel NJW 85, 97; RRa 98, 19). Sie gibt Anhaltspunkte (str), darf aber keinesfalls schematisierend angewandt werden. Die Praxis greift selten ausdrücklich auf sie zurück. Aktuellere Orientierungshilfen sind der Mainzer Minderungsspiegel (Kaller Rz 223–235), die Kemptener Reisemängeltabelle (Führich S 973 ff [www.reiserecht-fuehrich.de]) und die ADAC-Tabelle (NJW 05, 2507–2517; DAR 07, 482–492, auch: www.adac.de, dort: Recht und Rat/Reiserecht/Reisepreisminderung). S ferner Schulz VuR 06, 177.