Gesetzestext
(1) Für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis. Bei der Minderung ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(2) Hat der Reisende mehr als den geminderten Reisepreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Reiseveranstalter zu erstatten. § 346 Absatz 1 und § 347 Absatz 1 finden entsprechende Anwendung.
A. Zweck.
Rn 1
Ist die Reise mangelhaft, mindert sich quotenmäßig nach grds erforderlicher Mängelanzeige verschuldensunabhängig der Gesamtreisepreis (vgl § 441, § 638). Ist er schon geleistet, besteht ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch. Zu den Corona-Folgen s § 651h Rn 9.
B. Voraussetzungen.
I. Mangel.
Rn 2
Es muss ein Mangel der Reise vorliegen (I; s § 651i II). Die nicht dem Reiseden zuzurechnende Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der Reiseleistungen begründet den Anspruch auf Preisminderung. Dass die Vertragswidrigkeit dem Reiseveranstalter oder anderen Personen als dem Reisenden zuzurechnen ist oder dass sie durch Umstände bedingt ist, die vom Reiseveranstalter nicht beherrschbar sind, wie etwa unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, berührt nicht das Bestehen des Anspruchs auf Preisminderung (EuGH NJW 23, 507 Rz 22 ff, 31, Celex-Nr. 62021CJ0396; GA Medina 15.9.22 – C-396/21, BeckRS 22, 23479 Rz 28: zur Covid-Pandemie; BGH NJW-RR 23, 755 [BGH 14.02.2023 - X ZR 18/22] Rz 30). Tritt der Mangel nur während eines Teils der Reise auf, besteht das Recht nach § 651m idR nur für diese Zeit (Rn 6). Tritt er erst nach Beendigung der Reise auf, greift nur § 651n.
II. Anzeige.
Rn 3
Der Reisende darf es nicht schuldhaft unterlassen haben, den Mangel unverzüglich anzuzeigen. Ansonsten besteht grds kein Minderungsrecht (§ 651o II), und zwar selbst dann, wenn dem Reiseveranstalter der Mangel bereits bekannt ist (BGH NJW 16, 3304 [BGH 19.07.2016 - X ZR 123/15] Rz 17). Im Verlangen nach Abhilfe (§ 651k I) liegt eine Mängelanzeige. Ist die Anzeige verspätet, kann erst ab ihrem Zeitpunkt Minderung verlangt werden (Ddorf NJW-RR 89, 735 [OLG Düsseldorf 23.03.1989 - 18 U 271/88]; Frankf RRa 03, 255; LG Hannover NJW 84, 1626 [LG Hannover 26.01.1984 - 3 S 326/83]). Adressat der formlos möglichen Erklärung ist grds der Veranstalter bzw sein Vertreter (Celle 19.5.20 – 11 U 20/20: auch zu Ausnahmen). Der Leistungsträger ist idR Bote des Reisenden. Erschwerungen sind unwirksam (§ 651y). Im Einzelfall ist die Anzeige entbehrlich bzw ihr Unterlassen unverschuldet, zB wenn die Anzeige nicht zumutbar (s.a. AG Hamburg NJW-RR 02, 1060 [AG Hamburg 13.08.2001 - 22B C 210/01]: 2–3 Std Wartezeit bei erheblichen Mängeln zumutbar), der Veranstalter nicht erreichbar (LG Frankfurt NJW-RR 88, 634 [LG Frankfurt am Main 07.03.1988 - 2/24 S 94/87]; zur Anzeige beim Leistungsträger LG Duisburg RRa 06, 113 [LG Duisburg 24.11.2005 - 12 S 26/05]; zu AGB § 651a Rn 28 f), oder Abhilfe unmöglich war (BGH NJW 16, 3304 Rz 16; Celle MDR 20, 912 [OLG Frankfurt am Main 09.04.2020 - 1 U 46/19]; Ddorf NJW-RR 89, 735 [OLG Düsseldorf 23.03.1989 - 18 U 271/88]; Frankf NJW-RR 99, 202; vgl EuGH 12.1.23 – C-396/21 Rn. 40: ›wenn eine solche Meldung die Dauer der festgestellten Vertragswidrigkeit hätte begrenzen können‹) oder der Veranstalter von vornherein unmissverständlich zu erkennen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein (BGH NJW 16, 3304 [BGH 19.07.2016 - X ZR 123/15] Rz 16).
C. Folge.
Rn 4
Bei wirksamer Minderung verringert sich der vereinbarte Reisepreis entspr der Berechnung nach Rn 5. Eine entgegenstehende Verzichtserklärung am Urlaubsort ist unwirksam. Bei (üblicher) Vorauszahlung kann der Reisende aufgrund Vertrags Rückzahlung verlangen (II iVm §§ 346 I, 347 I).
D. Berechnung (I 2).
Rn 5
Wie bei § 638 III (§ 638 Rn 3, 5) ist der Reisepreis bei Vorliegen eines Mangels in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der tatsächliche Wert der mangelbehafteten Reise zu dem wirklichen Wert gestanden hätte (BGH NJW-RR 23, 755 [BGH 14.02.2023 - X ZR 18/22] Rz 35). Die Minderung des Preises der Pauschalreise hat dem Wert der vertragswidrigen Reiseleistungen zu entsprechen. Maßgeblich ist der Umfang der im konkreten Pauschalreisevertrag inbegriffenen Leistungen, deren Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung die Vertragswidrigkeit begründen (GA Medina 15.9.22 – C-396/21, BeckRS 22, 23479 Rz 37). Dabei dürfen die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen des Veranstalters in Anbetracht des Zieles der RL 2015/2302, ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes zu gewährleisten, nicht eng ausgelegt werden. Somit umfassen diese Verpflichtungen nicht nur diejenigen, die ausdrücklich im Pauschalreisevertrag vereinbart sind, sondern auch diejenigen, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel dieses Vertrags ergeben (EuGH 12.1.2023 – C-396/21 Rz 38, Celex-Nr. 62021CJ0396). Die Beurteilung ist objektiv unter Berücksichtigung der Verpflichtungen des Reiseveranstalters aus dem Pauschalreisevertrag vorzunehmen. Diese Beurteilun...