Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
1Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Dienstvertrags oder für die Vermittlung eines solchen Vertrags ein unverhältnismäßig hoher Maklerlohn vereinbart worden, so kann er auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. 2Nach der Entrichtung des Lohnes ist die Herabsetzung ausgeschlossen.
Rn 1
Nach der Vorschrift des § 655 ist es möglich, eine unangemessen hohe Vergütung für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Dienstvertrags, aber auch für die Vermittlung eines solchen Vertrags herabzusetzen. Die Herabsetzung erfolgt durch einen rechtsgestaltenden Akt des Richters. Vergleichbar dem § 343 wird dem Richter die Macht zur geltungserhaltenden Reduktion der konkreten vertraglichen Vereinbarung eingeräumt. Soweit es allein um die Höhe der Vergütung geht, findet § 138 im Regelungsbereich des § 655 keine Anwendung (MüKo/Althammer § 655 Rz 7; aA Staud/Arnold § 655 Rz 13). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Raum für die Sittenwidrigkeit bleibt, wenn im Hinblick auf die Höhe der Vergütung auch die subjektiven Voraussetzungen des § 138 vorliegen (BGHZ 87, 309; Brandbg BeckRS 22, 1774). Die Vorschrift ist wegen der Schutzrichtung (Schuldner) nicht abdingbar (MüKo/Althammer § 655 Rz 6). Liegt eine Nichtigkeit wegen Wuchers vor, kommt die Vorschrift nicht zur Anwendung (Brandbg BeckRS 22, 1774).
Rn 2
§ 655 erfasst die Vergütung für eine Maklertätigkeit, mit der ein Dienstvertrag als Hauptvertrag angestrebt wird. In der Literatur wird eine erweiternde Anwendung über den Dienstvertrag hinaus befürwortet (Hamm/Schwerdtner Maklerrecht Rz 789f), aber auch ein völliges Ignorieren der Norm erwogen (Staud/Arnold § 655 Rz 11). Ferner werden zahlreiche Differenzierungen im aufgezeigten Spektrum vorgenommen (etwa MüKo/Althammer § 655 Rz 10 für den Alleinauftrag). Insgesamt ist im Hinblick auf eine Abweichung vom Wortlaut Zurückhaltung geboten. Der BGH ist der Ansicht, dass die Bestimmung nicht über ihren Wortlaut hinaus auf andere Arten von Maklerverträgen anwendbar ist (BGH NJW 16, 3233 [BGH 12.05.2016 - I ZR 5/15]; ebenso Brandbg BeckRS 22, 1774). Notwendig ist eine Differenzierung in Bezug auf die Vermittlung von Arbeitsverträgen. Bei der weitgehend zulässigen, erlaubnisfreien Arbeitsvermittlung muss nach Auftraggebern differenziert werden. Ist der Arbeitgeber der Auftraggeber des Maklers, bestehen keine Bedenken, § 655 anzuwenden (MüKo/Althammer § 655 Rz 4). Zeitarbeitsunternehmen sind keine Makler, welche für die Überlassung vergütungsberechtigt wären (§ 9 Nr 3 AÜG; s.a. BGH NJW 03, 2906 [BGH 03.07.2003 - III ZR 348/02]). Ist hingegen der Arbeitssuchende Auftraggeber des Maklers, sind vorrangig die Sondervorschriften des SGB III (§§ 296 III, 297) heranzuziehen. Bei einem nichtigen Vermittlungsvertrag ist der Rückgriff auf die GoA gesperrt (Stuttg BeckRS 21, 7618). Die Beschränkung auf einen Vergütungshöchstbetrag ergibt sich insoweit aus §§ 296 III, 421g SGB III. Bei einem Verstoß ist die geltungserhaltende Reduzierung der Vergütung aus § 297 SGB III abzuleiten. Unterhalb des Vergütungshöchstbetrags bleibt aber ein Bedürfnis für Korrekturen, denen mit der Anwendung des § 655 Rechnung getragen werden kann (BGH NJW 10, 3222 [BGH 18.03.2010 - III ZR 254/09]). Dabei sind Aufwand und wirtschaftlicher Nutzen aus dem vermittelten Dienstvertrag (vereinbarte Laufzeit und tatsächliche Dauer) zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Vermittlung atypischer Arbeitnehmer (zB Künstler, Fotomodelle, Berufssportler) ist die VO auf der Grundlage von § 301 SGB III zu beachten. Bedeutung erlangt § 655 bei der Erbringung von selbstständigen Dienstleistungen. Beispiele sind die Anstellungsverträge von Geschäftsführern einer GmbH oder von Vorstandsmitgliedern einer AG. Gleiches gilt für freie Mitarbeiter, die nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind (BeckOKBGB/Kneller § 655 Rz 8).
Rn 3
Bei der Entscheidung, ob eine unverhältnismäßig hohe Vergütung vereinbart wurde, sind die Interessen des Maklers und der Nutzen des Auftraggebers zu berücksichtigen (Grüneberg/Retzlaff § 655 Rz 1). Die Herabsetzung durch das Gericht erfordert einen entspr Antrag des Auftraggebers. Der Antrag ist in einer (einredeweisen) Berufung auf § 655 zu sehen (BGH NJW 68, 1625 [BGH 22.05.1968 - VIII ZR 69/66] zu § 343). Die richterliche Gestaltung im Hinblick auf die Höhe der Vergütung muss sich an der angemessenen Vergütung ausrichten. Ansprüche des Maklers auf eine darüber hinausgehende Vergütung nach sonstigen Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht (zum Bereicherungsrecht und § 817 S 2 s BGHZ 46, 24, 27). Die Befugnis zur Herabsetzung besteht nur, solange die Vergütung nicht entrichtet ist (§ 655 S 2). Leistungen erfüllungshalber schließen die Herabsetzung nicht aus. Die Voraussetzungen der Herabsetzung sind vom Auftraggeber darzulegen und zu beweisen.