Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Rn 2
Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist ein Dienst- oder Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§ 675 I). Er ist ein gegenseitiger Vertrag, auf den zahlreiche Vorschriften des Auftragsrechts anwendbar sind. Vom Auftrag unterscheidet sich der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht nur durch die Entgeltlichkeit (Staud/Martinek/Omlor vor §§ 662 ff Rz 9 ff). Die Festlegung der Geschäftsbesorgung erfolgt vielmehr ausgehend vom Dienst- bzw Werkvertrag. § 675 I geht davon aus, dass es besondere Tätigkeiten gibt, die grds dem Dienst- bzw Werkvertrag zuzuordnen sind, für die das Auftragsrecht aber sachgerechtere Regelungen enthält. Nach hM muss die Tätigkeit selbstständig ausgeübt werden, wirtschaftlicher Art sein und der Wahrnehmung fremder Interessen dienen (BGHZ 45, 223; NJW-RR 92, 560; 04, 989). In der Lit wird überwiegend betont, dass es in Bezug auf die ›Geschäftsbesorgung‹ nicht um eine exakte begriffliche Festlegung, sondern um die Umschreibung eines Typus gehe (etwa MüKo/Heermann § 675 Rz 4).
1. Merkmale.
Rn 3
Erscheinungsformen der entgeltlichen Geschäftsbesorgung sind insb Beratungen in rechtlichen, steuerlichen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten sowie die Leistungen im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen (zB Vermittlung: dazu BGH NJW 11, 1726, Vertretung; zur möglichen gleichzeitigen Tätigkeit im eigenen und im fremden Namen, BGH NJW 13, 1873 [BGH 01.03.2013 - V ZR 279/11]) für Rechnung des Geschäftsherrn oder mit dessen Vermögen (Bank-, Baubetreuung oder Treuhandvertrag). Zusätzliche Entgelte für vertragsgemäß geschuldete Leistungen sind durch AGB-Klauseln nicht vereinbar (BGH NJW 11, 1726 [BGH 13.01.2011 - III ZR 78/10], zur Werbemittel- und Platzmietpauschale eines gewerblichen Autohändlers, der als Vermittler tätig wird).
Rn 4
Eine selbstständige Tätigkeit setzt neben einem aktiven Tun (s § 662 Rn 6) ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit beim Geschäftsbesorger voraus. Das Kriterium der Eigenverantwortlichkeit schränkt den Kreis der Tätigkeiten ggü dem Auftrag ein. Ohne einen Spielraum bei der Überlegung oder Betätigung des Willens (fehlt bei Arbeitsverhältnissen) liegt keine Geschäftsbesorgung vor (BGHZ 137, 69). Die Tätigkeit wird idR auf rechtsgeschäftliches Handeln gerichtet sein; tatsächliches Handeln ist aber ebenfalls ausreichend (Grüneberg/Grüneberg § 675 Rz 3).
Rn 5
Die Tätigkeit muss wirtschaftlicher Art sein und sich im Gegensatz zum Auftrag und der GoA dem Bereich des Wirtschaftslebens zuordnen lassen (Staud/Martinek/Omlor § 675 Rz A 16). Der Vermögensbezug allein ist nicht ausreichend. Keine Geschäftsbesorgungen idS sind bspw die Tätigkeiten im nicht wirtschaftlichen Bereich als Arzt, Musiker oder Künstler.
Rn 6
Die Tätigkeit muss einen Vermögensbezug aufweisen, nur auf diesem Wege ist die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen möglich. Das kann durch das Verwalten, das Halten und die Vermehrung des Vermögens des Geschäftsherrn geschehen. Fremdnützigkeit liegt vor, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die an sich der Geschäftsherr selbst zu besorgen hat. Die Verfolgung auch eigener Interessen schließt die Fremdnützigkeit nicht aus. Umstr ist die Fremdnützigkeit, wenn der Geschäftsbesorger dem Geschäftsherrn nichts abgenommen hat, also keine bestehende Verpflichtung oder Obliegenheit des Geschäftsherrn wahrnimmt, sondern ein neuer Aufgabenkreis geschaffen wird (abl: BGHZ 45, 223; aA MüKo/Heermann § 675 Rz 8). Keine fremden Vermögensinteressen werden bei Leistungen an den Vertragspartner aufgrund gewöhnlicher Dienst- oder Werkverträge wahrgenommen (Handwerker, Architekt usw). Gewöhnliche Dienste werden nur an, aber nicht für einen anderen geleistet (BGH DB 59, 168).
Rn 7
Das Entgelt ist bei der Geschäftsbesorgung Gegenleistung für die Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Ausreichend ist, wenn die Tätigkeit iR eines Dienst- bzw Werkvertrags regelmäßig nur gegen Entgelt zu erwarten ist (§§ 612, 632).
2. Anwendbare Normen und Pflichten.
Rn 8
Die anwendbaren Normen und Pflichten lassen sich bei der Vielzahl an Erscheinungsformen der entgeltlichen Geschäftsbesorgung nur ganz abstrakt beschreiben. Ferner sind die Regelungen in § 675 I dispositiv und werden in speziellen Bereichen von Sonderregelungen (§§ 84 ff; 383 ff HGB) verdrängt. Generelle Anwendung finden die Regeln über den Vertragsschluss und die Verbraucherschutzrechte (§§ 312 ff). Die Vertragspflichten ergeben sich aus der Vereinbarung der Parteien, den Sonderregelungen, den in die Verweisung aufgenommenen Auftragsvorschriften (nicht §§ 664 und 671 I) und erg aus dem Dienst- bzw Werkvertragsrecht. §§ 669, 670 finden keine Anwendung, soweit der Aufwendungsersatz in der Vergütung bereits enthalten ist. Anderes gilt regelmäßig bei Diensten höherer Art oder entspr Sonderregelungen (§ 1 RVG). In der Lit wird § 664 für entspr anwendbar gehalten (BeckOKBGB/Fischer § 664 Rz 8). In der Insolvenz unterscheiden sich die entgeltliche Geschäftsbesorgung und der Auftrag nicht (§ 116 InsO).