Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Rn 9
§ 677 nennt drei Voraussetzungen für eine GoA. Danach muss eine Geschäftsbesorgung übernommen werden, die Wahrnehmung muss für einen anderen erfolgen und ein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung darf nicht vorliegen. Sind die Voraussetzungen gegeben, bestimmt § 677, dass der Geschäftsführer die Ausführung an den Interessen des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen Willen auszurichten hat. Eine Unterscheidung zwischen berechtigter und unberechtigter GoA findet sich in § 677 nicht (MüKo/Schäfer § 677 Rz 2).
I. Geschäftsbesorgung.
Rn 10
Die Geschäftsbesorgung nach § 677 ist im gleichen weiten Sinne zu verstehen (rechtliche, tatsächliche oder sonstige Handlungen) wie beim Auftrag (§ 662 Rn 6). Nicht erfasst ist lediglich reines Dulden oder Unterlassen bzw Gewährenlassen (hM Grüneberg/Retzlaff § 677 Rz 2). Unerheblich ist, ob es sich um eine einzelne Handlung oder um eine laufende Interessenwahrnehmung über längere Zeit handelt. Die Geschäftsbesorgung muss nicht vom Geschäftsführer persönlich ausgeführt werden. Handlungen unter Einsatz von Gehilfen sind dem veranlassenden Geschäftsführer zuzurechnen (BGHZ 67, 368; zur Abmahnung BGH GRUR 16, 1300 Rz 66 f; nicht aber bei dienstlich handelnden Polizeibeamten, NJW 04, 513 [BGH 13.11.2003 - III ZR 70/03]). Für Handlungen außerhalb des rechtlichen Bereichs (Gefälligkeiten) scheidet eine relevante Geschäftsbesorgung aus (BGH NJW 15, 2880 [BGH 23.07.2015 - III ZR 346/14]).
II. Handeln für einen anderen.
Rn 11
Eine Tätigkeit für einen anderen liegt nur vor, wenn das Bewusstsein und der Wille vorhanden sind, ein fremdes Geschäft zu besorgen. Dazu ist erforderlich, dass das ausgeführte Geschäft einem fremden Rechts- und Interessenkreis zuzurechnen ist (hM RGZ 97, 61). Darüber hinaus muss der Geschäftsführer den Willen haben, in den fremden Rechts- und Interessenkreis einzugreifen. Die Zurechnung eines Geschäfts zu einem fremden Rechts- und Interessenkreis wird anhand wertender Kriterien vorgenommen. Bloße mittelbare Beziehungen und Reflexvorteile reichen für die Zurechnung nicht aus (BGHZ 54, 157; 72, 151). Die hM unterscheidet zwischen objektiv fremden Geschäften und neutralen, aber zumindest subjektiv fremden Geschäften sowie eigenen Geschäften (etwa BeckOKBGB/Gehrlein § 677 Rz 11 ff).
1. Objektiv fremdes Geschäft.
Rn 12
Objektiv fremd ist ein Geschäft, das nach äußerem Erscheinungsbild und Inhalt einem fremden Rechts- und Interessenkreis zuzurechnen ist. Die Vornahme einer Tätigkeit im eigenen Namen ändert daran grds nichts. Bei der Übernahme und Ausführung eines objektiv fremden Geschäfts besteht eine tatsächliche, widerlegbare Vermutung für den Willen zur Fremdgeschäftsführung (BGHZ 98, 235; 143, 9). Bsp für Handlungen im fremden Rechts- und Interessenkreis sind insb die Tilgung fremder Schulden (BGHZ 47, 370), die Veräußerung fremder Sachen (RGZ 138, 45), deren Reparatur (Dresd BauR 12, 142, zum Aufwendungsersatz der Anlieger bei Beseitigung einer Gehwegabsenkung) oder Verwahrung (abgeschlepptes Fahrzeug, Dresd BeckRS 22, 28166), die Abwendung von fremdzurechenbaren Gefahren (BGHZ 43, 188), Hilfeleistung für andere (BGHZ 33, 251), Wahrnehmung von Aufgaben des Leasinggebers durch den Leasingnehmer (BGH NJW 14, 1583; 94, 576: Prozessführung), die Beerdigung eines Verstorbenen für den Totenfürsorgeberechtigten (BGHZ 191, 325, Anm Fehrenbacher LMK 12, 328636; NJW 12, 1651), das Abschleppen bzw die Umsetzung eines unberechtigt auf dem Grundstück abgestellten Fahrzeugs (BGH NJW 16, 2407). Keine objektiv fremden Geschäfte sind solche, bei denen die Zurechnung zum fremden Rechtskreis nicht möglich ist: Unberechtigte Untervermietung (BGHZ 131, 297); Reparatur und Umbau von Mieträumen für den zahlungsunfähigen Mieter in Bezug auf den Bürgen (BGHZ 82, 323); Beauftragung eines Anwalts mit der Hinterlegung einer Schutzschrift (LG Hamburg ZUM 12, 74); Prüfung der Regulierungspflicht eines Versicherers durch Sachverständigengutachten (BGH NJW 19, 150 [BGH 18.10.2018 - III ZR 236/17]).
2. Subjektiv fremdes Geschäft.
Rn 13
Dem subjektiv fremden Geschäft ist die Zugehörigkeit zu einem fremden Rechts- oder Interessenkreis nicht anzusehen (zB Kauf einer Sache). Es handelt sich um ein neutrales Geschäft, das seinen Fremdbezug allein durch den Willen zur Fremdgeschäftsführung erlangt. Ein entspr Wille muss tatsächlich vorliegen sowie äußerlich erkennbar sein (BGHZ 114, 258; 138, 281; 155, 342; nicht bei sog Beweissicherungsgutachten, Köln BeckRS 21, 14802; anders dagegen geduldete Stromentnahme nach Ende eines Ersatzversorgungsverhältnisses, Ddorf RdE 21, 438) und ist vom Geschäftsführer zu beweisen (BGHZ 40, 28). Ein Ausweichen zur Unfallverhütung kann ein fremdes Geschäft sein, wenn dem Geschäftsführer keine Betriebsgefahr zuzurechnen ist (BGHZ 38, 270; Hamm VersR 02, 1254).
3. Eigenes und fremdes Geschäft.
Rn 14
Geschäfte berühren häufig nicht nur einen Rechts- und Interessenkreis. Handelt es sich um die Kreise mehrerer Dritter, liegt ein fremdes Geschäft des Geschäftsführers vor. Dieser hat bei dem Geschäft lediglich mehrere Geschäftsherren. Berührt das übernommene Geschäft aber auch den Rechts- oder Interessenkreis des Gesc...