Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Rn 11
Eine Tätigkeit für einen anderen liegt nur vor, wenn das Bewusstsein und der Wille vorhanden sind, ein fremdes Geschäft zu besorgen. Dazu ist erforderlich, dass das ausgeführte Geschäft einem fremden Rechts- und Interessenkreis zuzurechnen ist (hM RGZ 97, 61). Darüber hinaus muss der Geschäftsführer den Willen haben, in den fremden Rechts- und Interessenkreis einzugreifen. Die Zurechnung eines Geschäfts zu einem fremden Rechts- und Interessenkreis wird anhand wertender Kriterien vorgenommen. Bloße mittelbare Beziehungen und Reflexvorteile reichen für die Zurechnung nicht aus (BGHZ 54, 157; 72, 151). Die hM unterscheidet zwischen objektiv fremden Geschäften und neutralen, aber zumindest subjektiv fremden Geschäften sowie eigenen Geschäften (etwa BeckOKBGB/Gehrlein § 677 Rz 11 ff).
1. Objektiv fremdes Geschäft.
Rn 12
Objektiv fremd ist ein Geschäft, das nach äußerem Erscheinungsbild und Inhalt einem fremden Rechts- und Interessenkreis zuzurechnen ist. Die Vornahme einer Tätigkeit im eigenen Namen ändert daran grds nichts. Bei der Übernahme und Ausführung eines objektiv fremden Geschäfts besteht eine tatsächliche, widerlegbare Vermutung für den Willen zur Fremdgeschäftsführung (BGHZ 98, 235; 143, 9). Bsp für Handlungen im fremden Rechts- und Interessenkreis sind insb die Tilgung fremder Schulden (BGHZ 47, 370), die Veräußerung fremder Sachen (RGZ 138, 45), deren Reparatur (Dresd BauR 12, 142, zum Aufwendungsersatz der Anlieger bei Beseitigung einer Gehwegabsenkung) oder Verwahrung (abgeschlepptes Fahrzeug, Dresd BeckRS 22, 28166), die Abwendung von fremdzurechenbaren Gefahren (BGHZ 43, 188), Hilfeleistung für andere (BGHZ 33, 251), Wahrnehmung von Aufgaben des Leasinggebers durch den Leasingnehmer (BGH NJW 14, 1583; 94, 576: Prozessführung), die Beerdigung eines Verstorbenen für den Totenfürsorgeberechtigten (BGHZ 191, 325, Anm Fehrenbacher LMK 12, 328636; NJW 12, 1651), das Abschleppen bzw die Umsetzung eines unberechtigt auf dem Grundstück abgestellten Fahrzeugs (BGH NJW 16, 2407). Keine objektiv fremden Geschäfte sind solche, bei denen die Zurechnung zum fremden Rechtskreis nicht möglich ist: Unberechtigte Untervermietung (BGHZ 131, 297); Reparatur und Umbau von Mieträumen für den zahlungsunfähigen Mieter in Bezug auf den Bürgen (BGHZ 82, 323); Beauftragung eines Anwalts mit der Hinterlegung einer Schutzschrift (LG Hamburg ZUM 12, 74); Prüfung der Regulierungspflicht eines Versicherers durch Sachverständigengutachten (BGH NJW 19, 150 [BGH 18.10.2018 - III ZR 236/17]).
2. Subjektiv fremdes Geschäft.
Rn 13
Dem subjektiv fremden Geschäft ist die Zugehörigkeit zu einem fremden Rechts- oder Interessenkreis nicht anzusehen (zB Kauf einer Sache). Es handelt sich um ein neutrales Geschäft, das seinen Fremdbezug allein durch den Willen zur Fremdgeschäftsführung erlangt. Ein entspr Wille muss tatsächlich vorliegen sowie äußerlich erkennbar sein (BGHZ 114, 258; 138, 281; 155, 342; nicht bei sog Beweissicherungsgutachten, Köln BeckRS 21, 14802; anders dagegen geduldete Stromentnahme nach Ende eines Ersatzversorgungsverhältnisses, Ddorf RdE 21, 438) und ist vom Geschäftsführer zu beweisen (BGHZ 40, 28). Ein Ausweichen zur Unfallverhütung kann ein fremdes Geschäft sein, wenn dem Geschäftsführer keine Betriebsgefahr zuzurechnen ist (BGHZ 38, 270; Hamm VersR 02, 1254).
3. Eigenes und fremdes Geschäft.
Rn 14
Geschäfte berühren häufig nicht nur einen Rechts- und Interessenkreis. Handelt es sich um die Kreise mehrerer Dritter, liegt ein fremdes Geschäft des Geschäftsführers vor. Dieser hat bei dem Geschäft lediglich mehrere Geschäftsherren. Berührt das übernommene Geschäft aber auch den Rechts- oder Interessenkreis des Geschäftsführers selbst, wird von einem auch fremden Geschäft gesprochen (BGH NJW 00, 72; BGH NJW 09, 2590, Rz 18). Die Verfolgung eigener Interessen steht einer GoA grds nicht entgegen (BGHZ 110, 313; Frankf NJW-RR 03, 964: notwendige erg Leistungen zu einem Bauvertrag). Die Rspr geht davon aus, dass in solchen Fällen der Wille zur Fremdgeschäftsführung idR vorliegt. Die tatsächliche Vermutung greift jedenfalls dann ein, wenn das Fremdinteresse im Vordergrund steht (BGHZ 140, 102; NJW 00, 72; 143, 9; NJW-RR 04, 956). Die Fallgruppe kann in den unterschiedlichsten Varianten auftreten: Leistet der Bürge auf seine eigene Verbindlichkeit, führt er zugleich ein Geschäft des Hauptschuldners aus (hM MüKo/Schäfer § 677 Rz 85; BeckOKBGB/Gehrlein § 677 Rz 14; für andere Sicherungsgeber BGH NJW 86, 1690 [BGH 25.11.1985 - II ZR 80/85]). Gleiches gilt, wenn der Ehemann die Kosten für die Besuche von Angehörigen bei der verletzten Ehefrau übernimmt (BGH NJW 79, 598 [BGH 21.12.1978 - VII ZR 91/77]) oder ein die Ausfahrt versperrendes Kfz durch den Berechtigten abgeschleppt wird (Grüneberg/Retzlaff § 677 Rz 6). Es gehört nicht zum Pflichtenkreis der Anlieger, die Straßenverkehrsregeln bezüglich des Anlieferverkehrs zu überwachen (Karlsr WuM 07, 279). Bei Geschäftsführern, die durch öffentlich-rechtliche (BGHZ 40, 28: Feuerwehr) oder privatrechtliche Pflichten gebunden sind (Beseitigung von Straßenverschmutzungen: BG...