Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren.
A. Überblick.
Rn 1
§ 688 enthält die charakteristische Leistung für den Vertragstyp Verwahrungsvertrag. Der Verwahrer hat einer beweglichen Sache Raum zu gewähren und die Obhut über sie zu übernehmen. Der Hinterleger hat die bewegliche Sache dem Verwahrer zu übergeben. Die Verwahrung kann entgeltlich oder unentgeltlich sein (§§ 689, 690). Bei Entgeltlichkeit handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff), anderenfalls um einen unvollkommen zweiseitigen Vertrag, der auch als Gefälligkeitsvertrag bezeichnet wird. Der Verwahrungsvertrag ist ein Konsensualvertrag (BGHZ 46, 43; zum Hintergrund: MüKo/Henssler § 688 Rz 4). Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts richtet sich nach Art 3 I, 4 ROM I.
B. Verwahrung.
I. Abgrenzung.
Rn 2
Gegenstand eines Verwahrungsvertrags können nur bewegliche Sachen bzw Tiere (§ 90a) sein. Auf die Eigentumsverhältnisse an der hinterlegten Sache kommt es nicht an. Rechte und Grundstücke werden nicht iSd § 688 verwahrt. Die Obhut über Grundstücke kann aufgrund eines Dienstvertrags (§ 611) oder Auftrags (§ 662) erfolgen (BeckOKBGB/Gehrlein § 688 Rz 2). Im Gegensatz zur Leihe oder Miete steht dem Verwahrer an der übergebenen Sache grds kein Gebrauchsrecht zu (aber Gebrauchspflicht, wenn zur Erhaltung der Sachsubstanz notwendig: s Rn 4), vielmehr trifft ihn eine Obhutspflicht. Die bloße Raumgewährung ist daher Miete oder Leihe (BGHZ 3, 200). In der Pferdehaltung hat die Offen- und Robusthaltung den Charakter eines Mietvertrags, dagegen liegt bei der Pferdepensionshaltung (Sicherheit, Erhaltung, Fütterung und Pflege) ein Verwahrungsvertrag vor (BGH NJW 2020, 328 [BGH 02.10.2019 - XII ZR 8/19]; Oldenb MDR 11, 473 [OLG Oldenburg 04.01.2011 - 12 U 91/10]; Brandbg NJW-RR 06, 1558 [OLG Brandenburg 28.06.2006 - 13 U 138/05]; zu den Rechten im Einzelnen, zB Pfandrecht Häublein NJW 09, 2982). Das Innenverhältnis von Eheleuten, wenn Wertpapiere eines Ehegatten im Wertpapierdepot des anderen Ehegatten geführt werden, bestimmt sich regelmäßig nicht nach Verwahrungsrecht, sondern nach Auftragsrecht (Zweibr FamRZ 20, 916). Während die übernommene Obhut bei der Verwahrung Hauptpflicht ist, stellt sie bei der Leihe oder Miete allenfalls eine Nebenpflicht dar. Solche Nebenpflichten treten auch bei anderen Vertragstypen (zB Dienst- oder Werkvertrag) auf (Obhutspflicht des Arbeitgebers für berechtigterweise eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers: BAGE 9, 31 [BAG 04.02.1960 - 2 AZR 290/57]; des Arbeitnehmers für Sachen des Arbeitgebers: BAG NZA 00, 715 [BAG 02.12.1999 - 8 AZR 386/98]; in der Garderobe eines Vereinsheims abgelegte Sachen: RGZ 103, 265; in eine Ballettschule mitgebrachte Sachen).
II. Vertragsschluss.
Rn 3
Der Verwahrungsvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln mit der Einigung (Konsensualvertrag) zustande. Die Abgrenzung der unentgeltlichen Verwahrung von der ohne Rechtsbindungswillen übernommenen Gefälligkeit kann dabei im Einzelfall schwierig sein. Die Gestattung eines Kfz-Händlers ggü einem Dritten, ein Kfz auf dem Betriebsgelände zum Zwecke des Verkaufs abzustellen, soll mangels Rechtsbindung keine Verwahrung (§§ 688, 690) darstellen, wenn die Gestattung uneigennützig erfolgt (Köln OLGZ 72, 213). Gestattet ein Steinmetz nicht nur im Einzelfall die Einlagerung fremder Grabsteine auf seinem Betriebsgelände, so liegt ein Rechtsbindungswille regelmäßig vor (München NJW-RR 18, 1245 [OLG München 08.08.2018 - 7 U 4106/17]). Gleiches gilt, wenn Verkäufer und Käufer vereinbaren, dass der verkaufte, bereits übereignete und bezahlte historische Traktor noch beim Verkäufer bis zur späteren Abholung durch den Käufer verbleibt (Braunschw BeckRS 21, 17783). Der Vertrag kann konkludent durch Übergabe der Sache oder von Schlüsseln (BGH WM 67, 343) geschlossen werden. Allein der Umstand, dass ein Hotelparkplatz abgesperrt ist, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass ein Hotelier auch für den Inhalt eines auf seinem Parkplatz abgestellten PKW die Haftung übernehmen will. Eine besondere Form ist nicht erforderlich (Ausnahme: DepotG). Der Hinterleger muss nicht Eigentümer der Sache sein.
III. Vertragspflichten.
Rn 4
Der Verwahrungsvertrag begründet Pflichten für beide Vertragsparteien. Der Hinterleger hat bei entspr Vereinbarung die Vergütung zu entrichten (§§ 689, 699). Ihn können Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche treffen (§§ 693, 694). Er ist ferner zur Rücknahme der Sache verpflichtet (§ 696). Der Verwahrer ist zur Aufbewahrung der beweglichen Sache verpflichtet. Er hat den Raum für die Sache zu gewähren und die Obhut zu übernehmen. Die Obhut erstreckt sich auf die gesamte Sache (BGH NJW 69, 789 [BGH 29.01.1969 - I ZR 18/67]: Innenraum und Kofferraum eines PKW; Köln NJW-RR 94, 25 [OLG Köln 26.05.1993 - 27 U 216/92]: bewachter Parkplatz). Die einzelnen Maßnahmen sind abhängig von der konkreten Sache (bei Tieren auch Fütterung und Bewegung: s Karlsr VersR 94, 801; MüKo/Henssler § 688 Rz 11). Umfasst sind grds der Schutz vor Zerstörung, Verlust...