Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
(1) Ein Gastwirt, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, hat den Schaden zu ersetzen, der durch den Verlust, die Zerstörung oder die Beschädigung von Sachen entsteht, die ein im Betrieb dieses Gewerbes aufgenommener Gast eingebracht hat.
(2) 1Als eingebracht gelten
1. |
Sachen, welche in der Zeit, in der der Gast zur Beherbergung aufgenommen ist, in die Gastwirtschaft oder an einen von dem Gastwirt oder dessen Leuten angewiesenen oder von dem Gastwirt allgemein hierzu bestimmten Ort außerhalb der Gastwirtschaft gebracht oder sonst außerhalb der Gastwirtschaft von dem Gastwirt oder dessen Leuten in Obhut genommen sind, |
2. |
Sachen, welche innerhalb einer angemessenen Frist vor oder nach der Zeit, in der der Gast zur Beherbergung aufgenommen war, von dem Gastwirt oder seinen Leuten in Obhut genommen sind. |
2Im Falle einer Anweisung oder einer Übernahme der Obhut durch Leute des Gastwirts gilt dies jedoch nur, wenn sie dazu bestellt oder nach den Umständen als dazu bestellt anzusehen waren.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verlust, die Zerstörung oder die Beschädigung von dem Gast, einem Begleiter des Gastes oder einer Person, die der Gast bei sich aufgenommen hat, oder durch die Beschaffenheit der Sachen oder durch höhere Gewalt verursacht wird.
(4) Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf Fahrzeuge, auf Sachen, die in einem Fahrzeug belassen worden sind, und auf lebende Tiere.
A. Überblick.
Rn 1
§ 701 begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des Gastwirts für Schäden durch Verlust, Zerstörung oder Beschädigung an Sachen, die ein aufgenommener Gast in den Betrieb des Gastwirts einbringt (Grundlage der Regelung ist das Übereinkommen des Europarats v 17.12.62, BGBl II, 269). Die Einbringung führt zu einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Gast und Gastwirt, das unabhängig vom Abschluss oder der Wirksamkeit eines Beherbergungsvertrags entsteht (BGHZ 32, 149: Haftung für Betriebsgefahr). Die weitreichende Haftung erfasst nur Gastwirte mit gewerblichen Beherbergungsbetrieben. Fahrzeuge und lebende Tiere sind von der Ersatzpflicht ausgenommen (§ 701 IV). Die Haftung ist ausgeschlossen, falls der Gast oder eine ihm zurechenbare Person den Schaden allein verursacht hat. Gleiches gilt, wenn der Schaden auf der Beschaffenheit von eingebrachten Sachen oder höherer Gewalt beruht (§ 701 III). IÜ ist die Haftung idR der Höhe nach begrenzt (§ 702 I) und insoweit nicht abdingbar (§ 702a).
Rn 2
Andere vertragliche (§ 280) oder gesetzliche (§§ 823 ff) Haftungsgrundlagen bleiben von der auf Sachschäden begrenzten Haftung nach § 701 unberührt (BGHZ 63, 333). Die besonderen Regelungen in §§ 702, 702a, 703 finden insoweit keine Anwendung. Das gilt insb für die Haftung wegen einer Pflichtverletzung des Beherbergungsvertrags. Dabei handelt es sich um einen gemischten Vertrag, der von Elementen der Miete geprägt wird (BGHZ 71, 175; gefahrloser Zutritt zum Hotelzimmer, Hamm NJW-RR 13, 349), darüber hinaus aber auch Elemente des Kauf- und Dienst- bzw Werkvertrags (zB Verpflegung, Service) enthält. Die Haftung erlangt Bedeutung, soweit Sachen von § 701 nicht erfasst sind (BGH NJW 65, 1709 [BGH 07.05.1965 - Ib ZR 108/63]: Schaden am PKW bei Schwarzfahrt; s § 688 Rn 6) oder Personenschäden entstehen.
B. Haftungsvoraussetzungen.
Rn 3
Der Haftungstatbestand in § 701 I setzt voraus, dass ein im Beherbergungsgewerbe tätiger Gastwirt einen Gast aufnimmt und dieser Sachen in den Betrieb einbringt, an denen ein Schaden entsteht. Das gesetzliche Schuldverhältnis wird zu jedem Gast begründet. Eigentum des Gastes an den Sachen ist nicht erforderlich. Die Drittschadensliquidation ist in § 701 gesetzlich zugelassen. Der Ersatz richtet sich nach §§ 249 ff. Der Anspruch verjährt nach §§ 195, 199. Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen und den Schaden trägt der Gast (MüKo/Henssler § 701 Rz 40). Für Einwendungs- und Ausschlusstatbestände liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Gastwirt. Für Streitigkeiten zwischen Gast und Gastwirt sind die Amtsgerichte zuständig (§ 23 Nr 2b GVG).
I. Gastwirt und Beherbergungsgewerbe.
Rn 4
Die Haftung trifft nur den Gastwirt. Das können natürliche und juristische Personen sein, die als Betriebsinhaber anzusehen sind (zB Pächter, Nießbraucher). Nicht darunter fallen Verpächter und Reiseveranstalter (Ddorf NJW-RR 03, 776 [OLG Düsseldorf 02.04.2003 - 18 U 193/02]; MüKo/Henssler § 701 Rz 10).
Rn 5
Der Gastwirt muss die Beherbergung von Gästen gewerbsmäßig betreiben. Erforderlich ist die auf Gewährung von Unterkunft als Ersatz für die eigene Wohnung gerichtete Raumüberlassung einschl Serviceleistungen (Verpflegung ist nicht notwendig: RGZ 103, 9). Auf die Dauer des Aufenthalts kommt es nicht an. Der bloße Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft reicht nicht aus (BGH NJW 80, 1096 [BGH 13.02.1980 - VIII ZR 33/79]). Gleiches gilt idR bei der Vermietung von Ferienwohnungen oder der Überlassung eines Stellplatzes auf einem Campingplatz (Kobl NJW 66, 2017 [OLG Koblenz 24.05.1966 - 6 U 702/65]). An einer Beherbergung fehlt es auch bei der Durchführung von Konferenzen od...