Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Gesetzestext
(1) Der Gastwirt haftet auf Grund des § 701 nur bis zu einem Betrag, der dem Hundertfachen des Beherbergungspreises für einen Tag entspricht, jedoch mindestens bis zu dem Betrag von 600 Euro und höchstens bis zu dem Betrag von 3.500 Euro; für Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten tritt an die Stelle von 3.500 Euro der Betrag von 800 Euro.
(2) Die Haftung des Gastwirts ist unbeschränkt,
1. |
wenn der Verlust, die Zerstörung oder die Beschädigung von ihm oder seinen Leuten verschuldet ist, |
2. |
wenn es sich um eingebrachte Sachen handelt, die er zur Aufbewahrung übernommen oder deren Übernahme zur Aufbewahrung er entgegen der Vorschrift des Absatzes 3 abgelehnt hat. |
(3) 1Der Gastwirt ist verpflichtet, Geld, Wertpapiere, Kostbarkeiten und andere Wertsachen zur Aufbewahrung zu übernehmen, es sei denn, dass sie im Hinblick auf die Größe oder den Rang der Gastwirtschaft von übermäßigem Wert oder Umfang oder dass sie gefährlich sind. 2Er kann verlangen, dass sie in einem verschlossenen oder versiegelten Behältnis übergeben werden.
A. Überblick.
Rn 1
§ 702 I beschränkt das Haftungsrisiko des Gastwirts im Hinblick auf Ansprüche des Gastes aus § 701 und trägt dem Interesse des Gastwirts an der Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit der Risiken Rechnung. § 702 II enthält Ausnahmetatbestände für die Haftungsbeschränkung (Verschulden und Übernahme der Aufbewahrung von Sachen). § 702 III begründet die Pflicht des Gastwirts zur Aufbewahrung bestimmter Sachen.
B. Haftungsbeschränkung.
Rn 2
Die summenmäßige Haftungsbeschränkung nach § 702 I ist von der Art der Sache und dem Beherbergungspreis (reiner Brutto-Übernachtungspreis, ohne Verpflegung: MüKo/Henssler § 702 Rz 3) abhängig. Ausgangsgröße ist eine Mindesthaftsumme von 600 EUR. Liegt der Tagespreis höher als 6 EUR, kann Ersatz für einen darüber hinausgehenden Schaden bis zum Hundertfachen des Tagespreises verlangt werden. Auf diesem Wege wird der gewählten Kategorie der Beherbergung Rechnung getragen. Die Obergrenze liegt bei 3.500 EUR. An die Stelle von 3.500 EUR tritt der Betrag von 800 EUR, falls Geld, Wertpapiere (Aktien, Schuldverschreibungen, Wechsel sowie Sparbücher und Reiseschecks) und Kostbarkeiten (zB Schmuck oder Luxusuhren) betroffen sind. Keine Kostbarkeiten sind als Kleidungsstück getragene Pelze (Hamm VersR 82, 1081). Diese können aber Wertsachen nach § 702 III sein und bei Übernahme der Aufbewahrung eine unbeschränkte Haftung des Gastwirts begründen (§ 702 II Nr 2).
Rn 3
Die Haftungsbeschränkung gilt für jeden Gast pro Aufenthalt (auch bei Mehrfachschädigungen), unabhängig davon, ob ein Zimmer von mehreren Personen oder allein bezogen wird (MüKo/Henssler § 702 Rz 5). Für den Tagespreis ist der Preis pro Gast maßgebend. Mitverursachung bzw Mitverschulden des Gastes führt nur zur Minderung des Ersatzanspruchs, nicht zur Reduzierung der Mindest- oder Höchstbeträge (BGHZ 32, 149).
C. Unbeschränkte Haftung.
I. Verschulden (§ 702 II Nr 1).
Rn 4
Der Gastwirt haftet unbeschränkt, wenn er oder seine Leute den Verlust, die Zerstörung oder Beschädigung der eingebrachten Sachen zu vertreten haben. Der Sorgfaltsmaßstab bestimmt sich nach § 276. Ein Gast kann somit ein höheres Maß an Sorgfalt einfordern, wenn er in einem Luxushotel absteigt (LG Berlin VersR 92, 323). Verschulden des Gastwirts wird von der Rspr angenommen, wenn er seine Sorgfaltspflichten verletzt: Sicherheitsüberprüfung nach Anzeige eines Diebstahls (RGZ 75, 386). Kein Verschulden liegt vor, wenn das Reinigungspersonal die Zimmertür lediglich zuzieht (AG München VersR 99, 584) oder der Gastwirt nicht auf das Vorhandensein eines Hotelsafes (LG Itzehoe VersR 00, 894; anders bei Mängeln eines Zimmersafes: Karlsr NJW-RR 05, 462) bzw den Ausschluss der Haftung für Sachen im Zimmersafe hinweist (LG Landshut VersR 97, 1284). Die Verwendung von Sicherheitsschlössern gehört nicht zur üblichen Sorgfalt (LG Itzehoe VersR 00, 894). Die Aufbewahrung der Schlüssel in einem gegen unbefugten Zutritt gesicherten Bereich ist ausreichend (Berlin VersR 87, 189).
II. Aufbewahrung (§ 702 II Nr 2).
Rn 5
Eine unbeschränkte Haftung kommt ferner in Betracht, wenn der Gastwirt die Aufbewahrung von Sachen (nicht: § 701 IV) übernommen hat oder die Aufbewahrung von Sachen iSd § 702 III unberechtigt abgelehnt hat. Die Aufbewahrung geht über die Obhut nach § 701 II hinaus und setzt eine verwahrungsähnliche Vereinbarung voraus, die auch als Nebenpflicht im Beherbergungsvertrag vereinbart werden kann (Grüneberg/Retzlaff § 702 Rz 6). Neben der Vereinbarung muss es zur Übergabe der Sache an den Gastwirt kommen. Davon ist nur auszugehen, wenn ein ungehinderter Zugriff des Gastes ausgeschlossen ist (BeckOKBGB/Gehrlein § 702 Rz 13).
Rn 6
Eine unberechtigte Ablehnung der Aufbewahrung von Geld, Wertpapieren, Kostbarkeiten und anderen Wertsachen (zB Foto, Filmausrüstung) liegt nur vor, wenn entspr Sicherheitseinrichtungen nach dem Zuschnitt des Beherbergungsbetriebs erwartet werden können (MüKo/Henssler § 702 Rz 15) und von der Sache keine Gefahren ausgehen. Bei berechtigter Ablehnung richtet sich die Haftung nach § 702 I bzw den allg Vorschriften.